Beitragvon Martin H » 23. Januar 2008, 14:34
Mein Eindruck beim Lesen des Artikels war blankes Entsetzen! Schade, daß die meisten Leser dieses Forums ihn nicht kennen - und aus rechtlichen Gründen wohl auch nicht kennenlernen können.
Ich gebe aber hier mal meinen Leserbrief an die FAZ weiter, aus dem sich vielleicht noch ein wenig erschließt, was dort verzapft wurde:
"Selten habe ich einen derart von Inkompetenz strotzenden Artikel gelesen. Als Kommentar und persönliche Meinung mag das durchgehen, nicht aber als Quasi-Test, wie die Einleitung suggeriert ("Taugen die Nachfolger...? Wir haben uns 'Zooloretto' ... vorgenommen.").
"Café International" mit einem Dissidententreff in Verbindung zu bringen, "drunter & drüber" als Kommentar der Wiedervereinigung zu verstehen oder "Thurn & Taxis" als Sinnbild für den Streit um Mindestlohn für Postbeamte zu bezeichnen, ist schon eine gewagte Sichtweise der Spieleszene. Sicherlich gibt es Spiele, deren Thema den Spielmechanismen, den Spielabläufen nur übergestülpt wurde, ohne recht zu passen. Dazu gehören die genannten Spiele aber keineswegs.
Bei "Zooloretto" jedoch von "komplizierten Regeln" und einer "höchst verworrenen Spielanleitung" zu reden, zeugt nur von absoluter Unkenntnis des Spielemarktes. Das aktuelle "Spiel des Jahres" überzeugt vielmehr mit einem zwar ungewohnten, aber eindeutig erklärten Spielmechanismus, in den man sich schnell hineinfindet. Im Gegensatz zu manchem anderen Spiel gibt es pro Zug nur eine geringe Anzahl von Möglichkeiten für den jeweiligen Spieler, was das Spiel übersichtlich macht – und das ergibt sich deutlich aus den Spielregeln. Dennoch schafft es "Zooloretto", daraus Spieltiefe mit zahlreichen taktischen Möglichkeiten zu schaffen.
Genauso merkwürdig ist die Kritik an der "alle Phantasie erschlagenden Materialschlacht". Da könnte man auch "Monopoly" schlechtreden, weil es so viele Ereigniskarten und Hotels enthält. Es gibt eben Spielethemen und –mechanismen, die mit wenig Material auskommen, andere benötigen zur Illustration eben mehr. Wieso ist das ein Nachteil? Ich jedenfalls bin in der Lage, acht Tierarten auseinanderzuhalten und von Münzen und Verkaufsständen zu unterscheiden.
Völlig unsinnig wird die Schilderung aber dort, wo dem Spiel mangelnder Realismus vorgeworfen wird und es als "äußerst einfallslos" und "skandalös" beschrieben wird. Ein Spiel kann immer nur einen Teil der Realität abbilden und dem Thema angemessen aufgreifen. Ansonsten würde es nämlich zu komplex und erst dann würden wirklich unverständliche und unübersehbare Anleitungen entstehen. Vor allem aber wäre ein derart komplexes Abbild der Realität nahezu unspielbar und damit kinder- und familienuntauglich und würde sich nicht mehr für fröhlich-entspannte Spielerunden eignen. Spielen soll aber Spaß machen. Spielprinzip von "Zooloretto" ist die gleichmäßige und optimale Auslastung von Flächen. Vielleicht wäre dazu das Thema "Immobilienmakler" und "Vermietung von Büroflächen" realistischer. Aber es wäre keinesfalls so reizvoll wie das Spiel mit Tierabbildungen auf Pappplättchen. Und für das Spielprinzip sind Elefantenfutter, Tierpfleger und Tierarzt nur störend und damit zu Recht weggelassen worden. Ganz und gar unsinnig ist es aber, auch noch unterschiedliche Fortpflanzungsquoten verschiedener Tierarten berücksichtigt haben zu wollen.
Einige Sätze zeigen besonders deutlich, daß die Autoren keinerlei Gespür dafür haben, was Spielen überhaupt bedeutet und worum es geht. "Ein Gehege etwa, aus dem fünf geschlechtslose Kängurus stur nach rechts glotzen ..., bringt also mehr als eines, wo eine Elefantenfamilie wohnt, die noch Auslauf hat." und "... weil ich Skrupel hatte, einen weiteren Leopardenmann hinter Gitter zu sperren, wo schon ein anderes Alphatier das Sagen hat..." zeigen schon an der Wortwahl die Absicht, nicht sachlich zu berichten, sondern diskreditieren zu wollen. Die Sätze zeigen auch, daß nicht verstanden wurde, daß es für das Spiel überhaupt nicht darauf ankommt, ob bspw. ein Alphatier existiert und welches Geschlecht die meisten Herdentiere haben.
Der Schluß des Beitrages läßt dann erkennen, daß er eindeutig auf zu wenig Spielerunden beruht. Geld kann man nämlich sehr wohl ausgeben und es ist, wie sich aus vielen Spielerunden und Berichten darüber ergibt, meistens viel zu knapp.
Einzig positiv hervorheben kann man an dem Artikel die Selbsterkenntnis der Autoren, nicht wirklich viel Erfahrung mit Spielen aufgrund eines eher nichtspielenden Elternhauses zu haben. Wenn sie das aber schon wissen, sollten sie nicht als Spielekritiker arbeiten."
Merkwürdig ist übrigens auch, daß der Artikel in der Ich-Form geschrieben ist, aber drei Autoren nennt.