Beitragvon Roman Pelek » 25. September 2005, 01:14
Hi Yeti,
BlueYeti schrieb:
> an dieser Stelle möchte ich Kritik gegenüber der
> Spielebranche üben, die in Schriftform keine ernste Distanz
> zum Thema: II WK wahrt.
> Ich kritisierte die Fairplay (Autor und Chefredakteur), dass
> wenn man bei einem Spiel wie Memoir44 die Deutschen spiele,
> man ja eine Seite unterstütze, die für den Tot von 60
> Millionen Menschen verantwortlich sei und dass mir für eine
> solche Ernstigkeit mir der Artikel/Spielekritik in der
> Fairplay zu "euphorisch" sein, ohne gesellschaftliche Kritik
> und Anmahnung.
Hm, ich halte es nicht für die gesellschaftliche Aufgabe von Spieleverlagen, -autoren oder -rezensenten, sich von den Schattenseiten des menschlichen Daseins explizit zu distanzieren. Ich finde es legitim, wenn Schriftsteller, Filmemacher oder Models ihren gesellschaftlichen Stellenwert dazu benutzen, auch mal eine politische Meinung zu äußern, wenn ihnen etwas persönlich wichtig ist und sie dies verbreiten möchten. Aber selbst das ist mitnichten ein "Muss", oft sogar lediglich ein Ärgernis, weil es wie ein Versuch anmutet, anderen die eigene politische Colereur aufzuoktroyieren.
> Ich selbst habe das Spiel, denke aber, dass Verlage eine
> gesellschaftliche Verantwortung haben und nicht so (wie ich
> oder andere zu Hause) verspielt, euphorisch und ohne
> Verantwortung sich in der Öffentlichkeit über diese Spiele
> äußern können.
Tja, und wo soll man die Grenze ziehen, was wirklich gesellschaftlich relevant ist und was nicht? Und ob es wirklich negativ oder eher positiv ist?
Ich kann Dir persönliche Beispiele aus den eigenen Spieleveröffentlichungen geben:
Bei "Santiago" wurde ich sowohl gefragt, ob es nicht arg mutig sei, einen Schwarzen auf dem Cover abzubilden als auch gefragt, ob das Spiel nicht diskriminierend sei, weil dort dunkelhäutige Menschen in einen Kontext mit Korruption gesetzt werden.
Bei den "Weinhändlern" hat man mir auch mal unterstellt, ich würde den Alkoholismus in der Gesellschaft forcieren (dabei geht's in dem Spiel nur um's Sammeln wertvoller Güter, nicht um's übermäßige Austrinken derselben).
[Fairplay]
> Laut Chefredakteur würde man natrülich in einer richtigen
> Zeitung so einen Artikel nicht genau so schreiben können, das
> wäre heikel.....aha, aber warum wohl...einsicht vorhanden und
> doch wieder nicht....hat die Fairplay, da sie den Einzug von
> Spielen ins Wohnzimmer unterstützt nicht ebenso eine
> Verantwortung als das unsere Tageszeitungen haben?
Die Crux liegt woanders, nämlich in Adressatenkreis geborgen. Jeder, der die Fairplay liest, dürfte sich mit der Materie gut bis sehr gut auskennen und eine eigene Meinung dazu haben. Insofern ist es definitiv etwas anderes, ob man in der Fairplay schreibt oder in einer Tageszeitung. Und es gehört durchaus mit zur Verantwortung, seine Leserschaft nicht für dumm zu verkaufen; zumindest ich würde voraussetzen, dass die überwiegende Mehrheit der Spielerschaft durchaus sehr klar zwischen Spiel und Realität unterscheiden kann.
> Ich befragte dann noch Herausgeber von Online-Spielkritiken
> und schilderte denen den Fall wie hier jetzt. Fazit: man
> spuckt Kollegen der Branche nicht in die Suppe, keine
> ausreichende Distanzierung, wohl aber, dass Kriegsspiele bei
> ihnen nicht aufgenommen würden.
Hm, deutest Du hier nicht etwas zu einfach Toleranz und Wertschätzung gegenüber Kollegen in Angst und Duckmäuserei um, weil es Deiner Argumentation zupass kommt? 'tschuldige, aber mir ist diese Argumentation etwas zu billig.
> Dann nahm ich mal mit der Brettspielwelt.de Kontakt auf. Auch
> hier in etwa: "Bisher haben wir noch keine
> Konflikt/Kriegsspiele aufgenommen und darüber habe ich mir
> noch keine Gedanken gemacht. Das würde dann zu gegebener Zeit
> entschieden:"
Die Antwort ist m. E. absolut korrekt - die BSW ist ja quasi antiseptisch, was Deine Belange angeht. Ich persönlich hätte da gar nicht erst angefragt.
> Meine Kritik: Als Erwachsener muss ich doch
> eine Meinung zum Thema 2WK-Spiele haben und egal was der User
Sicher hat die jeder. Wenn Du meine persönliche wissen willst: mir ist beständig unwohl dabei, eben ob der Historie. Ich spiele lieber Spiele, die sich jenseits dieser Thematik bewegen. Ich glaube aber, dass ich bei einem guten Strategiespiel durchaus in der Lage wäre, meine Vorbehalte in eine der hinteren Hirnregionen zu verweisen, um das Spiel als solches zu würdigen und zu genießen.
> Ich finde es sehr beschämend wie doch in deutschen Landen
> leuter "kleine Kinder" vor sich "herspielen" und keinen Bezug
Es gibt noch nicht genug Leute, die "mal so vor sich herspielen wollen". Dass man nicht erwachsen genug wäre, ist ein arg müßiger Vorwurf, und ein Vorwurf, von dem ich gerne sehen würde, dass er mehr Menschen gemacht würde ;-)
> zu ihrer eigenen Geschichte sehen. Wohkl gemerkt: im eigenen
> Kinderzimmer kann es jder für sich entscheiden, aber in der
> Öffentlichkeit sind Moral und Verantwortung wichtig!!!
Genau. Also schreib' das nächste Mal bitte unter Realname, dann steigt auch die Chance, dass Dich hier jemand ernst nimmt. Kritik steht und fällt mit der eigenen Glaubwürdigkeit, und was letztere anbelangt, mangelt es Nicks wie "BlueYeti" in der Öffentlichkeit ein bissl an Substanz, sorry.
Abgesehen davon hat die Diskussion sicher nicht unser Bewusstsein für die WW2-Thematik geschärft, sondern eher dazu beigetragen, dass die größeren Verlage sich bestätigt fühlen, jedes nur ansatzweise heikle Thema bei Spielen zu meiden.
Insofern können wir uns in Deutschland glücklich schätzen: in Zukunft gibt's spielerisch noch viel mehr furchtbar fruchtbare Fräulein der Burg, die dem holden heiligen Helden ob seiner Drachentöterei ihr Tüchlein zuwerfen. Haben wir alle richtig gut gemacht *schulterklopf*
Ciao,
Roman