Beitragvon Günter Cornett » 15. Dezember 2009, 13:15
Jerry schrieb:
>
> xfinkx schrieb:
>
> > Jedoch ist dein Vergleich doch etwas haarsträubend...man
> > spielt nunmal in Angriff! Ostfront die Wehrmacht beim
> > Überfall (ja Überfall ist wohl passender als "Angriff")
> > auf die UdSSR
>
> Ich frag mich gerade, wie die Reaktionen wohl ausgefallen
> wären wenn der Verlag den Orginalnamen wortgetreu übersetzt
> hätte ("Conflict of Heroes: ...")
>
> "Kampf der Helden" ... woah ... das wäre ja noch viel
> schlimmer gewesen. Helden! In der deutschen Wehrmacht!
> Undenkbar!
Tja, ich finde es gut, dass ein Verherrlichen des 2.Weltkrieges oder generell militärischer 'Tugenden' in Deutschland immernoch nicht so gut ankommt wie manch andern Ländern.
Wenn 'Normalisierung' bedeutet, dass soldatisches Heldentum positiv beurteilt wird, bin ich gegen eine 'Normalisierung'. Wenn man aus der deutschen Geschichte gelernt hat, dass militärisches Heldentum nicht per se eine Tugend ist, dann muss das nicht mit Scham (Deutscher zu sein) verbunden sein, sondern ist doch eine positive Haltung.
Wenn es - unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit - deutsche Helden beim Angriff auf Polen geben kann, weil die Soldaten dabei ihr Leben riskierten, dann gilt dies ja wohl für alle Angriffe. Rein unter dem Aspekt militärischer 'Tugend' und Ausblendung von Fragen der Rechtmäßigkeit und jeglischer ethischer Kriterien wäre der Anschlag 9/11 relativ 'mutig' (da neben dem Mord an Zivilisten selbst'opfernd') und die Bombardierung der Menschen um die Tanklaster relativ 'feige' (Bombardierung von Zivilisten fast risikolos). DAS kann es doch nicht sein. Man bewertet Verbrechen nicht hinsichtlich Tapferkeit, egal ob man freiwillig oder gezwungerenmaßen daran teilnimmt.
Sorry, aber Menschen, die aus der deutschen Geschichte gelernt haben, dass militärisches Heldentum keine Tugend ist, pauschal zu unterstellen, sie würden sich des Deutschseins schämen, ist deutschnationaler Dummschwatz [wenngleich das wohl im konkreten Fall auf den Leserbriefschreiber Werner Breuer zutrifft ("Verbrechen unserer Nation")].
> > Sonst muss ich noch sagen das die öffentliche Meinung hier
> > in D zum größten Teil eben nicht mehr kritisch ist sondern
> > das immer mehr relativiert wird was das 3. Reich angeht
>
> Woher ziehst du das? Deutschland hat sich seit 1949 intensiv
> und gründlich mit dem Thema 2. Weltkrieg und 3. Reich
> auseinandergesetzt. Ich würde die hiesige Aufarbeitung
> "unserer" Schuldfrage als vorbildlich bezeichnen,
Das nun nicht gerade. Denn sonst hätten Nazi-Verbrecher hier nicht so lange unbehelligt leben können, wären SS-Mitglieder nicht in hohe Positionen aufgestiegen, wäre das Vermögen der IG-Farben den Opfer zu Gute gekommen ...
> insbesondere wenn man liest wie andere Länder mit ihrer
> Vergangenheit umgehen (z.B. Italien mit dem 2.WK, die Türkei
> mit dem Krieg/Genozid an den Armeniern oder Japan mit der
> Invasion in China).
Im Vergleich zu Japan und der Türkei (zu Italien kenn ich mich da nicht aus) sehe ich den Umgang mit Geschichte hierzulande schon recht positiv. Das ist aber kein Grund, daran etwas zu ändern.
> Dass umgekehrt viele Deutsche zur
> "ihrer" NS-Vergangenheit leider immer noch ein geradezu
> neurotisches Verhältnis haben zeigt ja besagter Leserbrief.
Ich würde ein kritisches Verhältnis zur Geschichte und eine Ablehnung von Militarismus nicht als neurotisch bezeichnen [wenngleich der Leserbriefschreiber sich schon für 'die Verbrechen unserer Nation' schämt]. Aber wenn man übertriebene Reaktionen wie die von Werner Breuer so bezeichnet, mag das ebenso gelten für diejenigen, die deutsche Kriegsfeindlichkeit grundsätzlich als falsche nationale Scham abtun.
Was den Artikel von Matthias Hardel in der spielbox 6/2009 betrifft, so kann ich da nichts Falsches dran finden. In der Einleitung geht er auf die Wahl des Themas ein und spricht von den Verbrechen der Wehrmacht, beschäftigt sich dann mit der Qualität von [i]Angriff Teil I: Ostfront 1941-42[/i] als Spiel. Das ist legitim und in einem Spielemagazin nicht ungewöhnlich.
Die Reaktion des Werner Breuer halte ich - wie gesagt - für reichlich überzogen. Als Spieleautor finde ich es allerdings positiv, dass er das Spiel nicht als bloßes Spielzeug sieht sondern als ein Medium ernst nimmt. Ebenso aber mißfällt es mir, als Spieleautor und als Mensch, dass seine Haltung auf Zensur zielt, man ein solches Spiel gar nicht erst rezensieren dürfe.
Und die Reaktion von Matthias auf den Leserbrief sollten sich manche Schreiber hier mehrmals durchlesen.:
"Ich freue mich natürlich nicht über die Kündigung ihres Abos, danke Ihnen jedoch für die Sensibilität, die Sie damit an den Tag gelegt haben. Wir alle können keineswegs sicher sein - und das nicht wegen der paar Prozent offen Rechtsradikaler -, dass Deutschland ein für allemal von Krieg und Faschismus geheilt ist. ... Dagegen hilft es zwar nicht, Spiele zu tabuisieren, aber die Stimme zu erheben, wie Sie es getan haben, hilft garantiert!"
Gruß, Günter