Beitragvon Niccolo » 15. Februar 2003, 22:31
Das ist ein sehr frühes Persönlicher-Erst-Eindruck-Posting (L&L kommt erst dieser Tage in den Druck).
Hinreissen lasse ich mich deswegen dazu, weil ich sah, dass hier nicht allein für EURO-Games Interesse besteht, die Firma Shrapnel aber nicht unbedingt bekannt für Brettspiele ist.
Vor zwei Jahren etwa kehrte ich Advanced Squad Leader den Rücken zu...
Oh, falls SL/ASL nicht bekannt sein sollten:
1977 kam Squad Leader auf den Markt. Nicht viel später stolperte ich darüber und war vom Maßstab fasziniert. Während man bei den übrigen Konfliktsimulationen meist im großen Rahmen agiert und ein Spielzug oft gleich mehrere Wochen abdeckt, gilt es in SL Straßenzug um Straßenzug, Haus um Haus, gar Stockwerk um Stockwerk zu umkämpfen, und ein gesamtes Spiel entspricht einer Auseinandersetzung von keiner halben Stunde, auch wenn man tatsächlich gleich mehrere dran sitzt.
Durch diesen ‚hautnahen’ Maßstab baut sich eine Spannung auf, die größer skalierte Simulationen nicht erfüllen können. So wie es verständlich sein mag, dass es für Rollenspieler aufregender ist, sich mühsam durch dunkle Höhlensysteme zu schlagen, als mit einem einzigen, schlichten Würfelwert die gesamte Höhle zu behandeln.
... Viele lange Jahre hatte ich viel Zeit in die SL/ASL-Serie gesteckt, doch mehr und mehr stieg in mir die Unzufriedenheit über die komplizierte Handhabung hoch. Der Spaß am Spiel ging immer tiefer zwischen zig Seiten Anleitung mitsamt Ausnahmen und Ausnahmen von Ausnahmen, sowie endlosen Verweisen zwischen denen unter.
Andere Simulationen auf diesem Maßstab waren leider kein rechter Ersatz, hatten zumindest keinen erkennbaren Fortschritt - aber vielleicht zeigt sich nach mehr als 25 Jahren ein Lichtlein am Ende des Tunnels:
Lock’n Load: Forgotten Heros: Vietnam
=============================
Noch im ersten Quartal 03 kommt mit L&L ein neues Konfliktsimulationssystem im Platoon-Maßstab auf den Markt, dessen erstes Modul Kampfhandlungen der USA in Vietnam zwischen 1965 und 1975 behandelt.
Auch wenn es noch nicht erschienen ist, gibt es doch schon ein bisschen zu sehen. Neben Screenshots des Spielmaterials gibt es ein Demo zum Herunterladen (Links im Anhang).
Spielinhalt
========
280+ Counters
5 Unmounted Boards
16 Skill-Cards
13 Scenarios
25p Rulebook
In der Counterzusammenstellung finden sich Einheiten der US-Armee, Marines, Vietcong und NVA. Da gibt es Squads, Half-Squads, SMC’s (Single Man Counters - also Leaders, Snipers, Heros, Medics und Chaplains) auf Infanterieseite - welche und wie viele Fahrzeuge es gibt ist derzeit unbekannt. Dass es Chopper geben soll, lässt eine selbstzufriedene Aussage auf der Entwicklerseite verlautbaren.
Dann noch jede Menge Marker (Markierungsplättchen).
5 Spielbretter, welche nicht aufgezogen sind und wie auch bei SL/ASL geomorphic sind, d.h.: sie können beliebig aneinandergelegt werden und ergeben eine gemeinsame Fläche.
Die Skill-Cards, werden entweder von Scenariobeginn an einem SMC zugeordnet, oder einem im Spiel sich entpuppenden Helden. So ist z.B. ein Skill, dass ein Platoon-Leader dadurch auch Einheiten der umliegenden Hexes sammeln kann und nicht nur jene, die sich mit ihm im selben Hex befinden.
Auch die 13 Scenarios wecken in SL/ASL-Vertrauten ein bekanntes Gefühl.
Neu hinzugekommen ist, dass es in diesem System Events gibt, die entweder durch das Betreten des entsprechenden Hexes aktiviert werden, oder sobald eine LOS (Sichtlinie) dazu aufgebaut werden kann. Wie sich diese Events letztendlich anfühlen möcht ich noch nicht beschreiben. Bei dem Demo-Scenario wurde dieses erst dadurch ausgeglichen. Ein echtes Zufallselement im Event selbst ist nicht wirklich vorhanden.
Betritt man so zum Beispiel ein Feld mit dem Event A, liest man dann nach, was dieses bewirkt. So kann es zum Beispiel sein, dass man dadurch weitere feindliche Einheiten ausmacht.
Damit will M.Walker ein kleines RPG-Element (auch hinsichtlich kommender Solitaire Scenarios sicher eine interessante Idee) hineinbringen.
Nun, ich will mal sagen – es bringt beim ersten Mal eine gewisse Spannung mit rein, ab der nächsten Partie spielt man eben von Anbeginn entsprechend dieser Events, was sich jedoch nicht negativ auswirkt. Mal gucken, was sich Entwickler und Community da noch einfallen lassen.
Der Spielverlauf
============
Ist man mit dem Aufstellen fertig, beginnt der Spieler, dem das Scenario die erste Initiative zuweist. Sonst wird am Anfang eines Spielzuges darum gewürfelt (w6). Bei gleichem Ergebnis behält der aktuelle Besitzer die Initiative.
* Rally Phase
Als erstes kann man seine Shaken Units (broken in ASL, [zerrüttete und kampfunwillige Einheiten]) versuchen wieder flott zu machen. Dazu braucht es einen Moral-Check (Leadership und Terrain haben Einfluss).
Ohne Umschweife kann in dieser Phase ein Leader aus zwei gleichwertigen Half-Squads ein ganzes Squad machen und es können Waffen innerhalb eines Hexes umverteilt werden.
* Operations Phase
Es wird in Impulsen gespielt, d.h.: es macht nicht ein Spieler alle seine Aktivitäten und anschließend der zweite Spieler die seinigen, sondern beginnend mit dem Initative Spieler werden abwechselnd Einheiten aktiviert und mit denen agiert. Dieses so lange, bis beide Spieler gemeinsam 3x gepasst haben.
Es gibt 5 Aktivitäten, wobei jede einzelne Einheit in der Regel maximal eine davon ausführen kann pro Spielzug und anschließend mit einem entsprechenden Marker gekennzeichnet wird.
Operative
Dazu gehört zum Beispiel das Anfordern von Artillerieunterstützung oder das Werfen einer Rauchgranate.
Bewegung
Da gibt es 3 Arten mitsamt dazugehörigen Markern. Das ist insofern gut gelöst, weil eine Einheit die sich normal bewegt, für den Rest des Zuges als 'in Bewegung befindlich' markiert wird.
Ich hab zwar als Verteidiger während der Bewegung die Möglichkeit "Stop!" zu rufen und verteidigendes Feuer zu eröffnen, aber im Gegensatz zu ASL hat die Bewegung für den Rest des Spielzuges eine Auswirkung.
Damit fällt das wenig realistische Aufatmen weg, wenn der Verteidiger nicht die Gunst der Stunde ausnutzt. Und das macht Sinn, da ja alles irgendwie 'gleichzeitig' passiert.
Die zwei weiteren Bewegungsarten sind Low Crawl (vorsichtiges Kriechen) und Assault Move (halbe MF's aber auch danach die Möglichkeit mit halber Feuerkraft zu schießen).
Feuern
Ich darf nur auf Einheiten feuern, die ich gesichtet habe. Das passiert automatisch, wenn sich feindliche Einheiten innerhalb meiner LOS in ungeschütztem Gelände befinden, sich durch Aktivitäten wie Bewegen/Feuern zu erkennen geben, oder durch einen erfolgreichen Spotting-Check.
Ablauf eines Feuergefechts:
Angreifer addiert: Feuerkraft mit einigen wenigen Modifikatoren (Gegner in Bewegung, Sichtbehinderung, usw) plus W6
Verteidiger addiert: Terrainbonus plus W6
So der Endwert des Angreifers höher ist, muß der Verteidiger einen Moral-Check durchführen, wo die Differenz der ermittelten Werte den Modifikator stellt.
Das gefällt mir auch, weil ich bei der Ergebnisfindung als Verteidiger nicht nur passiv zugucke sondern ganz unmittelbar beteiligt bin und das Ergebnis nicht wirklich vorberechenbar ist - damit auch ein entsprechendes Taktieren wegfällt.
Es bleibt die Frage: "Schieße ich, oder schieße ich nicht?" – und nicht aus einem eher buchhalterischen Ansatz: '"was kann ich anhand der entsprechenden Wahrscheinlichkeitstabelle anrichten, wenn ich schieße?".
So ergeben sich während der Operations Phase ständige Zwickmühlen:
Bewege ich mich schon jetzt? Feuer ich schon jetzt? Und das alles unter dem Gesichtspunkt: "verrate" ich meine Position, oder besser (noch) nicht?
* Administrative Phase
Alle Marker der Vorphase wieder entfernen und den Turn-Record-Marker weiterschieben zum nächsten Spielzug.
Fazit:
=====
Man fühlt sich bei vielen Dingen an SL/ASL erinnert. Ja, es bringt die Stimmung von SL/ASL mit, jedoch ohne jenen Ballast, weswegen ich ASL vor einigen Jahren den Rücken kehrte.
Und diese Feststellung gehört ja eigentlich schon mit Rufzeichen beendet.
Als Beispiel: Reisfelder!
Diese sind in ASL wahrlich eine Ausgeburt an Regeln, wo meiner Ansicht nach Komplexität auffällig mit Kompliziertheit verwechselt wurde.
Lock'n Load gesteht denen gerade mal: Movenement-Cost: 2 und Terrain Effect: +1 zu – Ende!
Und ich möchte behaupten, dass dieser Umstand L&L alles andere als zum Nachteil gereicht. Es bietet ausreichend Chrome und ich fand bisher keinen aus SL/ASL, der mir da zwingend abgeht.
So war schon bei der zweiten Partie das Regelheftchen kaum mehr nötig, während ich bei ASL fast nie ohne Regelbuch auskam.
Es spielt sich flott und kurzweilig.
Die Angabe von einer Spielzeit zwischen 1 bis 2 Stunden sind realistisch. Das kleine Demo-Scenario hat 8 Turns und wir brauchten keine Stunde es fertig zu spielen.
Aber was plauder ich da - selber ausprobieren!
Es gibt ein herunterladbares Demo, welches ideal hineinschnuppern lässt:
Inhalt: Spielbrett 1, kleines Countersheet und ein 10-seitiges PDF-File (6 Seiten Regeln, 2 Seiten Übersichtsblatt, 2 Seiten Scenarioangaben)
Innerhalb der nächsten 2 Wochen soll eine überarbeitete Version des Demos erscheinen, da die Regeln seit dessen Erscheinen noch einiges an Überarbeitung erfahren haben.
Das Fazit zum Fazit:
SL und ASL Liebhaber, sowie alle Interessierten von taktischen Konfliktsimulationen sollten einen Blick riskieren.
Links:
=====
Offizielle Seite der Entwickler (Screenshots)
http://www.locknloadgame.com/
Direkt zum Demo-Download (3.64 MB):
http://216.167.78.120/downloads/locknloadDemo.zip