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[PEEP] Galaxy Trucker

Kritiken und Rezensionen: Wie ist Spiel XY?
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Hartmut Th.

[PEEP] Galaxy Trucker

Beitragvon Hartmut Th. » 27. Oktober 2007, 12:47

"Galaxy Trucker" von Vlaada Chvatil für 2-4 Spieler, Czech Games Edition, 34 Euro (SPIEL '07)

Da dürften sich einige Spieler schwer bepackt von der SPIEL '07 entfernt haben. "Galaxy Trucker" bringt bald 2 kg auf die Waage und vereinigt spielerische Leichtigkeit mit schwergewichtigem Spaßfaktor. "Ein SciFi-Spiel mit Sanduhr? Hab ich doch letztes Jahr schon ein gutes gekauft." Wer so oberflächlich an diesem Titel vorbeizieht, verpasst etwas. Thematisch gibt es schon Bezüge zu "Spacedealer", als wir mit unseren Raumschiffen Handel mit Waren auf Planeten und Raumstationen treiben und diese nach erfolgreich überstandener Flugmission für Geld - sogenannte Kosmische Kredite, im folgenden KK - verrubeln, was am Ende den Sieg bringt. Von der gefühlten Spielmechanik her ist "Galaxy Trucker" aber ganz anders, auch spielt die Zeit nur eine untergeordnete Rolle. Es ist eines dieser Spiele, die aus einer Bauphase und einer Prüfphase bestehen. In diese Gattung passen auch Spiele wie "Dampfross" oder "On The Underground". "Galaxy Trucker" ist hier aber thematisch und spielerisch völlig eigenständig, bietet viel Atmosphäre und (schaden)freudige Erlebnisse und ist daher unbedingt zum empfehlen. Daumen hoch!

Anhäufen kann man seinen Reichtum in drei voneinander unabhängigen Spielrunden. Diese unterscheiden sich lediglich in jeweils größeren Raumschiffen, damit verbundenen größeren Kapazitäten und Verdienstmöglichkeiten und längeren Raumflügen mit zunehmend größeren Gefahren. So gesehen ist die erste Runde mit einem kleinen Raumschiff nur zum "Warmspielen", aber noch nicht spielentscheidend. Die Spielregel führt dann den Neuling auch nur in einen erforderlichen Teil der Regeln ein und bittet zur ersten Runde. So mit dem Spiel vertraut kann man sich dann dem kompletten Spiel in Runde 2 widmen, ohne das Gefühl zu haben, viel verpasst zu haben. Eine gute didaktische Einführung in ein Spiel mit etwas Regelvolumen, das aber sehr eingängig ist und durch die makellose Umsetzung im Material unterstützt wird.

Überhaupt die Regel: selten habe ich beim Lesen so viel Spaß gehabt. Gut gegliedert wird diese immer wieder von kleinen Anekdoten der spielerisch abgebildeten Zukunft durchzogen, die auch in ein Werk wie Doug Adams' "The Hitchhikers Guide To the Galaxy" gut reingepasst hätten. Das Spielziel erlaube ich mir hier zu zitieren: "Es gewinnen alle, die wenigstens einen kosmischen Kredit besitzen. Ihr Ziel war doch, ein bisschen Kohle zu machen, und das haben Sie geschafft. Wer das, was er hat, genießen kann, der muss sich vor Neid nicht zerfressen, wenn jemand anders noch mehr hat. Obwohl, natürlich - wer mehr Geld verdient hat, gewinnt ein bisschen mehr, als der, der weniger verdient hat." Nach soviel Weisheit wenden wir uns nun der Spielmechanik zu.

Jeder Spieler erhält zu Beginn einer Runde einen Ablageplan für eine gewisse Menge quadratischer Plättchen, der die maximale Umrissfläche für das zu bauende Raumschiff markiert. Ausgehend von einer vorhandenen Pilotenkanzel für zwei Mann Besatzung werden weitere Plättchen nach Dominoprinzip angelegt, wobei es an allen Seiten die zwei Anschlussformen und den immer passenden Universalanschluss oder aber gar keinen Anschluss zu unterscheiden gilt. An der Peripherie darf das Raumschiff offene Anschlüsse haben, was aber aus mehreren Gründen vermieden werden sollte, dazu gleich mehr.

Die Bauteile liegen verdeckt in der Tischmitte, aus der sich alle Spieler gleichzeitig Teil für Teil einzeln ziehen und dann entweder verbindlich anbauen oder offen zurücklegen, so dass andere Spieler darauf Zugriff haben. Bis zu zwei Teile kann man ohne direkten Anbau zwischenlagern, darf diese aber nicht mehr zurückgeben. Nicht angebaut zählen diese Teile dann wie im Flug zerstörte Bauteile, was später jeweils einen KK kostet. Gleiches gilt für falsch angebaute Teile, die vor Flugbeginn wieder abgerissen werden müssen.

Im Teilehaufen vorhandene Komponenten sind -> Motoren (Ausrichtung muss nach hinten weisen) und -> Kanonen (Ausrichtung beliebig vor freiem Feld bzw. am Rand, die meisten Gefahren drohen aber von vorne), die es beide jeweils auch in doppelter Ausführung gibt. Letztere sind aber wie -> Schutzschilde nur einsetzbar, wenn man Energiesteine an Bord nimmt, die in -> Batterien gespeichert werden. Weitere -> Pilotenkanzeln bieten Platz für jeweils zwei Menschen oder aber einen Alien, der dann aber daneben eine besonderes -> Lebenserhaltungssystem benötigt, dank seiner Anwesenheit aber je nach Spezies die Gesamtstärke von Motoren oder Kanonen um zwei Einheiten zu erhöhen vermag. -> Verbindungsteile ohne besondere Funktion nehmen Platz weg, sind aber gelegentlich unverzichtbar zum Weiterbau. Mit am wichtigsten sind -> Ladeflächen für bis zu drei Waren (Holzwürfel in vier Farben), die wir während des Raumfluges zu bunkern hoffen, um sie am Ende des Fluges für jeweils 1 bis 4 KK zu vertickern. Aber nur rötlich markierte Ladeflächen erlauben die Mitnahme der besonders lukrativen roten Waren.

Die Sanduhr darf aufstellen, wer sich mehr oder minder flugfertig wähnt oder ist, seinen Raumschiffbau also beendet. Je nach Runde sind bis zu drei Durchläufe der Uhr erforderlich, um die Zeit endgültig zu begrenzen. Das ist ein wenig so wie der Pausengong im Theater - es kündigt sich zwar unerbittlich an, es entsteht aber kein echter Zeitdruck. Nur notorische Grübler und Langsambastler sollten in Bedrängnis geraten und sich vielleicht doch einem anderen Spiel zuwenden. Umgekehrt mögen echte Speed-Spieler den anderen ein wenig auf die Nerven gehen ;-)

Nach Abschluss der Bauarbeiten folgt eine kurze Überprüfung der Bauregeln, ggf. mit den schon erwähnten negativen Auswirkungen. Auf Pilotenkanzeln und Batterien werden Besatzung (Menschen und / oder Aliens) und Energie (kleine grüne Perlen) verteilt. In den Tischmittelpunkt rückt nun der Flugplan. Auf einer endlosen Rundbahn dürfen repräsentative kleine Plastik-Raumschiffe der Spieler in vorgegebenem Abstand platziert werden, wobei weiter vorne steht, wer früher seinen Raumschiffbau beendet hat.

Dann beginnt der Raumflug. Hierfür wird ein vorbereiteter Stapel von je nach Runde 8, 12 oder 16 Spielkarten durchgespielt. Schon während der Bauphase hat man die Gelegenheit, diese Karten teilweise einzusehen, muss dafür aber den Bau am Schiff unterbrechen. Jede Karte entspricht einem Ereignis im All, von dem es verschiedene Typen gibt:

-> Im freien Weltraum gilt es, die Kraft der Motoren zu zeigen und entsprechend weit auf der Flugbahn vorzurücken. Der Einsatz doppelter Motoren kostet einen Energiestein.

-> Planeten bieten Waren an, wobei nicht unbedingt soviele Angebote existieren, wie Spieler teilnehmen. Beginnend mit dem auf der Flugbahn führenden Spieler darf jeder reihum eine der gezeigten Warengruppen aufnehmen oder darauf verzichten. Geld kostet die Warenaufnahme nicht, wohl aber Flugtage, die auf der Flugbahn in Abzug gebracht werden, was die Position in der Gruppe zu ändern vermag. Gezählt werden hier übrigens immer nur die freien Felder! Die Waren müssen auf Ladeflächen untergebracht, eventuell auch umgruppiert werden. Was über ist, fliegt ins All, auch Spieleschachtel genannt.

-> Verlassene Raumschiffe oder Stationen bieten ebenfalls Goodies in Form von Waren oder KK, stehen aber - wiederum beginnend beim führenden Spieler - nur einem Spieler zur Verfügung, so er denn die geforderte Anzahl an Besatzungsmitgliedern abgeben bzw. vorweisen kann. Auch sind ggf. Flugtage zu opfern.

-> Meteoriten-Schauer sind das Salz in der Suppe dieses Spiels. Eine solche Karte zeigt bis zu sechs kleine oder große Meteoriten, die unsere Schiffe verhageln. Je nach Anflugrichtung wird mit zwei Würfeln die Reihe oder Spalte eines jeden Raumschiff-Plans bestimmt. Für jeden Spieler trifft ein Meteorit das erstbeste Teil auf gewürfelter Bahn. Den bekannten Wahrscheinlichkeiten mit zwei Würfeln ist es zu verdanken, dass es häufiger mittenrein als dran vorbei geht. Kleine Meteoriten prallen von geschlossener Außenhülle des Raumschiffes ab. Ist dort aber ein offener Anschluss, so hilft nur ein Schutzschild, vorausgesetzt man hat es gebaut und kann Energie entbehren. Gegen große Meteoriten hilft nur ein Frontalbeschuss mit Kanone, so vorhanden. Nicht abgewehrte Meteoriten zerstören das erstbeste Teil auf seiner Flugbahn samt Inhalt. Ebenso sind abgetrennte Teile des Raumschiffes komplett zu entfernen. Auch hat schon mal mein benachbart wohnender Alien sein Lebenslicht ausgehaucht, als mir sein Lebenserhaltungssystem weggesprengt wurde.

-> Feinde bringen Unbill mit sich, z.B. Warenverlust oder Beschuss. Wohl dem, der ausreichend Kanonen hat. Wer einen Feind dank Kampfkraft besiegen kann, wird dafür ordentlich belohnt und schützt nachfolgende Spieler auf der Flugbahn, die dann nicht mehr kämpfen müssen. Anders als bei Meteoriten helfen gegen kleine Schüsse nur ein Schutzschild, gegen große Schüsse garnichts außer ein glücklicher Würfelwurf auf eine Reihe am Schiff vorbei. Ansonsten... Bumm und weg!

-> Kampfzonen sind ein allgemeiner Eigenschaftstest für alle Raumschiffe, bei denen die Spieler mit Minimaleigenschaften bei Besatzung, Motor- oder Kampfkraft zur Ader gelassen werden. Es drohen wieder mal Verlust von Waren oder Besatzung sowie der Beschuss des Raumschiffes.

-> weitere besondere Ereignisse sind Sternenstaub (Verlust von Flugtagen entsprechend der Zahl offener Anschlüsse am Raumschiff), Epidemie (Besetzungsverluste bei benachbarten Pilotenkabinen) und Sabotage (möglicher Bauteilverlust inmitten des Schiffes - das kann übel enden).

Den Flug abbrechen muss, wer keine Menschen mehr an Bord hat, im "freien Weltraum" keine Motorkraft besitzt oder wer sich freiwillig dazu entschließt, um der fortschreitenden Zerstörung seines Schiffes zur allgemeinen Erheiterung der Mitspieler nicht tatenlos zuzusehen. So von weiteren Flugereignissen verschont, bleibt man aber von Prämienausschüttungen bei Flugende ausgeschlossen und darf mitgeführte Waren nur zum halben Preis verkaufen. Prämien bekommen die mit ihrem Schiff angekommenen Spieler für ihre Position auf der Flugbahn (vorne gibt es natürlich mehr) bzw. für das "schönste Schiff", was anhand der wenigsten offenen Anschlüsse an der Peripherie bestimmt wird. Alle Waren werden verkauft. Jedes vom Schiff entfernte Bauteil muss nun mit 1 KK Versicherung bezahlt werden, es gibt aber ein Maximallimit.

Eine erfahrene Spielrunde mag das Rundensystem und damit die Spieldauer nach Belieben variieren, einzelne Pläne nicht oder mehrfach spielen. Auch gibt es noch einen vierten Bauplan, der nach den Regeln der dritten Runde gespielt wird und so die Bezeichnung "III-A" hat. Ein hierauf gebautes Raumschiff, das nicht zufällig ein wenig an den Umriss von Raumschiff Enterprise erinnert, hat aufgrund seiner Bauform einige Integritätsprobleme, was in der Flugphase zu manch heißem Abriss führen dürfte.

Wer gleich hier ans Ende gesprungen ist, um mein Fazit zum Spiel zu lesen, hat Pech gehabt. Bitte fangt doch vorne an, da steht alles drin ;-) So kann ich aber nicht enden, also mache ich meiner wachsenden Begeisterung für die Spiele von Vlaada Chvatil Luft, der schon 2006 mit "Graenaland" und "Through The Ages" sein Können bewiesen hat und in meinem persönlichen Olymp aktiver Spieleautoren ganz weit oben residiert. Vlaada, mach' weiter so! Wir Spieler freuen uns auf mehr :-)

Hartmut Thordsen
- Spielkreis Hiespielchen - www.hiespielchen.de -

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Pricuricu

Re: [PEEP] Galaxy Trucker

Beitragvon Pricuricu » 27. Oktober 2007, 13:24

Ich liebe dieses Spiel. "Space Invaders" meets "Space Dealer". Nirgendwo sonst macht es irgendwie auch Spaß, sein eigenes Raumschiff in Fetzen fliegen zu sehen!
Vlaada ist wirklich ein aufsteigender Stern, den man sich merken sollte.

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Ralf Arnemann
Kennerspieler
Beiträge: 2447

Re: [PEEP] Galaxy Trucker

Beitragvon Ralf Arnemann » 29. Oktober 2007, 11:14

Guter PEEP für ein gutes Spiel.

Man muß natürlich wissen, daß Galaxy Trucker kein Grübelspiel ist, sondern ein Spaßspiel mit deutlichem Glücksfaktor.

Dafür aber auch nicht zu lang, sondern sehr gut zur Abrundung eines Spieleabends geeignet.

Science Fiction ist ein Thema, das vielen Leuten ja nicht so liegt.
Ich mußte schon einige Überzeugungsarbeit leisten, um gewisse Leute zum Ausprobieren bewegen zu können.
Aber es hat sich gelohnt, sie haben sie sehr gut amüsiert und der Nochmal-Spiel-Reiz ist sehr hoch.

Galaxy Trucker ist auch von Ablauf und Gestaltung ein originelles Spiel, eine schöne Abwechslung zu "wieder ein Aufbauspiel in historischer Verkleidung".


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