[PEEP] Steel Driver
von Martin Wallace für 3-6 Spieler, Warfrog, 30 Euro (SPIEL '08)
"Aha, mal wieder ein Eisenbahnspiel von Martin Wallace..."
Bedenkt man die Güte der früheren Werke, von denen ich längst nicht alle gespielt habe, kann man daran doch nicht vorübergehen. Es wundert mich schon, dass STEEL DRIVER im Vorfreudefieber der SPIEL '08 kaum Erwähnung im Spielbox-Forum fand. So hatte ich es dann auch nicht "auf dem Radar", als wir uns an einem gerade frei gewordenen Tisch mit einem anderen Spielerpaar zu viert zur Begutachtung zusammenfanden.
Schon nach der Erläuterung der Mechanismen - Martin Wallace übernahm diesen Part ganz persönlich - war sowohl unseren Mitspielern als auch uns klar, dass wir das Spiel sicher mitnehmen werden. Das hat uns aber nicht daran gehindert, der theoretischen Überzeugung auch Taten folgen zu lassen und - wo wir sonst auf der Messe Spiele oft nur anspielen - eine Partie STEEL DRIVER mit anhaltender Begeisterung bis zum Ende durchzuspielen. Letztlich wurden unsere Erwartungen an das Spiel bestätigt, es war spannend bis zum Schluss.
Im Grunde sehr einfach und knackig...
...ist dieses Spiel. Das zeigt sich an der gut strukturierten - nur englisch vorliegenden - Regel, die auf acht Seiten alles ausführlich beschreibt. Der Kern der Spielregel wird auf weniger als drei Seiten beschrieben. Eine Kurzspielregel auf der Rückseite des Regelheftes erleichtert den schnellen Wiedereinstieg.
Der Spielplan zeigt eine Karte der USA, auf der 38 Städte untereinander mit vorgegebenen Streckenprojekten vernetzt sind.
Das Spiel läuft über fünf Runden ab. Zu Beginn einer Runde bekommt jeder Spieler eine gewisse Anzahl (im Spiel zu viert sind es acht) weißer Klötzchen, die für Investitionen zur Verfügung stehen. Hiermit werden nacheinander die Direktorenposten für die sechs auf dem Kontinent agierenden Eisenbahngesellschaften durch Versteigerung vergeben. Der Meistbietende stellt seine gebotenen Klötzchen der Gesellschaft als Baukapital zur Verfügung und erhält im Gegenzug eine Lok, die seinen Posten als Direktor anzeigt sowie eine Aktie (Holzchip der entsprechenden Farbe), von denen somit im gesamten Spiel von fünf Runden nur jeweils genau fünf vergeben werden.
Sind alle Direktoren bestimmt, so folgt die Bauphase. In einer zu Beginn vorgegebenen Reihenfolge der Gesellschaften dürfen die Direktoren-Spieler das zur Verfügung stehende Kapital (weiße Klötzchen) verwenden, um nacheinander jeweils einen geplanten Streckenabschnitt zu bauen. Wer nicht bauen kann oder will, passt und setzt "seine" Gesellschaft an die Spitze der Zugreihenfolge für die nächste Runde. Die übrigen folgen geordnet, wann immer sie beim Bauen passen.
Die Kosten einer Strecke betragen wie auf dem Spielplan angezeigt 2 bis 6 weiße Klötzchen. Die erste Strecke muss ihren Anfang an einer der elf sechseckig markierten Metropolen, meist an den Küsten im Osten oder Westen nehmen. Weitere Strecken müssen Verbindung zum bisherigen Streckennetz haben. Jede Stadt auf dem Plan zeigt einen Betrag zwischen $20 und $50. Dies sind Prämien, die für den Zielort (!) eines jeden Streckenbaus dem Direktor ausbezahlt werden. Während der Bauphase werden diese zunächst auf einer Skala markiert und am Ende der Bauphase ausbezahlt, um das Geldgeschiebe auf ein Minimum zu beschränken.
Einmal im Spiel winkt eine Sonderprämie für den Spieler, der den letzten Streckenabschnitt auf einer Route zwischen San Francisco im Westen und New York im Osten herstellt. Andere gerade amtierende Direktoren erhalten noch $30, so die Strecke zwingend über Streckenabschnitte ihrer Gesellschaft läuft.
Nach diesem Schema laufen auch die weiteren Runden ab. Jeder erhält weiße Klötzchen zu eventuell vorhandenen Restbeständen der Vorrunde hinzu, dann werden die Direktorenposten neu versteigert. Anschließend wird in der durch Passen in der letzten Baurunde neu festgelegten Reihenfolge erneut gebaut.
Die Bewertung der Aktien...
...erfolgt in einer besonderen Schlussrunde. Jede Stadt hat eine von fünf Grundfarben und erhält nun ein gleichfarbiges Klötzchen, sofern sie mit wenigstens einer Strecke angeschlossen wurde. Dabei sind die Farben auf dem Plan geordnet verteilt: Orange im Westen, Grau im Osten, Weiß im Norden, Schwarz im Süden und nur ganze drei verstreute Städte sind rot markiert.
Die Loks der Gesellschaften werden nun dem jeweiligen Mehrheitsaktionär gegeben, bei Gleichstand dem im Uhrzeigersinn nächstbesten Spieler zum letzten Direktor - das kann natürlich auch dieser selbst sein, hat er doch die letzte der fünf Aktien erhalten.
In der gegebenen Reihenfolge (Passen in der letzten Bauphase) nehmen die Mehrheitsaktionäre nacheinander jeweils ein Klötzchen von einer Stadt, die ihre Gesellschaft mit einer Strecke angebunden hat. Vorzugsweise bedient man sich zuerst dort, wo auch andere Spieler zugreifen könnten, besonders dann, wenn man von deren Gesellschaft selbst keine Aktien besitzt.
Sind so alle farbigen Klötzchen in Gesellschaftbesitz, bildet man damit Gruppen verschiedenfarbiger Klötzchen. Diese sind je nach Umfang von 1 / 2 / 3 / 4 / 5 Klötzchen nun $10 / $30 / $60 / $100 / $150 wert. Man muss also möglichst viele und verschiedenfarbige Klötzchen einsammeln. Die Summe aller Gruppenwerte bildet den Wert der Aktie und wird deren Besitzer in Geld ausbezahlt. Wer das meiste Geld besitzt, gewinnt das Spiel.
Worauf es im Spiel ankommt...
...ist eine ganze Menge. Wieviel biete ich auf eine Gesellschaft (und deren Aktie), die Gefahr läuft, auf dem Plan isoliert und so in weiterem Wachstum behindert zu werden? Wieviel Kapital (Klötzchen) muss ich bieten, um angestrebte Bauprojekte zu verwirklichen? Wer könnte dem zuvorkommen? Wie sieht es mit der Zugreihenfolge und den Interessen der anderen Mitspieler aus? Baue ich zu noch einer weißen Stadt für satte $40 Prämie oder doch lieber nur für $20 zu einer ersten schwarz markierten Stadt, was dem erwarteten Aktienkurs dienlich sein kann? Wer profitiert noch davon? Genügt eine Stadt in dieser Farbe? Wer kann noch ein bestimmtes Klötzchen in der Schlussrunde abgreifen? Sind die Aktien der konkurrierenden Gesellschaften in gleicher Hand (keine Gefahr) oder verteilt? Oft kommt es beim Bau wie in der Schlussrunde auf die Reihenfolge an und darauf, ob der Konkurrent eine umstrittene Situation erkennt und nutzt. Es zeigt sich schnell, dass die einfachen Regeln in einer Vielzahl nicht endgültig ausrechenbarer Was-wäre-wenn-Entscheidungen mündet, was dem Spiel beachtliche Tiefe verleiht.
Das Spielgeld hat in STEEL DRIVER lediglich eine Siegpunktfunktion: man bekommt es durch Bauprämien und bei Spielende den Gegenwert der Aktien, kann sich aber während des Spieles nichts dafür kaufen.
Es ist kein Geheimnis...
...dass STEEL DRIVER und WABASH CANNONBALL von Harry Wu (jetzt als CHICAGO EXPRESS bei Queen Games erschienen) Gemeinsamkeiten aufweisen, so dass Martin Wallace in seinen Danksagungen am Ende der Regel Harry Wu ausdrücklich würdigt. In beiden Spielen werden Runde um Runde Direktorenposten versteigert, das eingesetzte Kapital steht der Gesellschaft zum Streckenbau zur Verfügung. Darüberhinaus gehen aber beide Spiele eigene Wege. Die Topologie des Planes - vernetzte Städte vs. Hexfelderkarte mit allerlei Besonderheiten - und der Verzicht auf umfassenden Spielgeldeinsatz und mögliche Teilerfolge zugunsten einer das gesamte Spiel begleitenden abschließenden Aktienkursermittlung lassen STEEL DRIVER als das kompaktere Spiel erscheinen - "einfacher" möchte ich nicht sagen, beide Spiele sind gefühlt sehr herausfordernd.
Gespielt und für gut befunden habe ich beide Spiele, aber STEEL DRIVER habe ich mir auf der Messe gekauft, CHICAGO EXPRESS nicht. Das ist aber nur dem begrenzten Budget und der Tatsache geschuldet, dass auch später im Handel leicht erhältliche Spiele bei meinem Messeeinkauf rasch das Nachsehen haben. So möchte ich den Fans ansprechender Wirtschaftsspiele mit Eisenbahnthema die Entscheidung auch nach der Messe nicht gerade einfacher machen - aber zwei gute Spiele sind doch immer noch besser als nur eines.
Hartmut Thordsen
- Spielkreis Hiespielchen - www.hiespielchen.de -