Hallo zusammen,
da wahrscheinlich manch einer das Spiel blind gekauft hat und sich nun fragt wie es wohl ist, auf der anderen Seite viele Leute unschlüssig sind was sie von diesem Spiel halten sollen, nachdem man die unterschiedlichsten Meinungen hört und liest, wollte ich mich hiermit mal an einem PEEP zu God's Playground versuchen.
Zunächst muss einem bei diesem Spiel klar sein, worauf man sich einlässt: Es handelt sich um einen sehr komplexen Vertreter eines Wallace-Spiels mit starkem geschichtlichen Bezug, in dem die militärische Verteidung des Landes Polen die zentrale Aufgabe ist - wem ein solches Thema so gar nicht gefällt, der sollte sich vermutlich gar nicht erst die Arbeit machen sich durch die Regeln durchzuarbeiten. Und das ist Arbeit. Nach zweimaligem Lesen vor Willingen folgte in Willingen ein zweieinhalbstündiges Regelerarbeiten mit meinen beiden Spielepartnern, das Spiel fand dann am nächsten Morgen statt und dauerte 3,5 Stunden. Die zweite Partie gestern Abend ging schon wesentlich besser von der Hand: Obwohl ich es wieder mit zwei Personen spielte, die es beide noch nicht kannten, waren die Regeln in einer Stunde erklärt, das Spiel dauerte dann 3 Stunden. Nur um vorab schonmal die zeitlichen Dimensionen klarzumachen. Das Spiel an sich lebt von seinem geschichtlichen Bezug, den es gerne durch viele kleine Detailregeln zu ganz bestimmten Spielsituationen simulieren will. So beginnt jedes Kapitel der einzelnen Spielphasen in der Anleitung mit einer kurzen geschichtlichen Abhandlung aus der sich einem erschließt, warum die nachfolgend beschriebene Regel so ist wie sie ist.
Nun also zum Spiel:
God's Playground ist erneut (wie schon After the flood) ein reines 3-Personen-Spiel von Martin Wallace, in dem jeder Spieler eine adelige Familie Polens in der Zeit von 1400 bis 1790 übernimmt. Das Spiel dauert 4 Runden, jede Runde besteht aus 16 Phasen. Die Spieler versuchen gemeinsam, Polen gegen die angreifenden feindlichen Ländern zu verteidigen und der Erfolg dieser Aufgabe wirkt sich am Ende jeder Runde maßgeblich auf Ertrag und Wohlstand in der jeweiligen Provinz aus.
Die Karte besteht in erster Linie aus 5 Provinzen, denen jeweils ein Feind zugeordnet ist, eine auf dem Plan aufgezeichnete Box mit einem Pfeil in die jeweilige Provinz symbolisiert die Absicht des Landes, nach Polen einzumarschieren. In jeder Provinz gibt es vier bis sieben Anwesen, die das Ziel der Begierde darstellen, sichern sie doch einen Geldertrag pro Runde und am Ende des Spiels auch Siegpunkte. Ähnlich wie bei Republic of Rome (das Herr Wallace in der Spielanleitung auch als einflussgebendes Spiel zitiert) sind die Spieler nun gezwungen, gemeinsam gegen die herannahenden Feinde vorzugehen, letztlich aber ohne dabei ihren persönlichen Vorteil außer Acht zu lassen.
Ich werde versuchen, am Anfang etwas detaillierter und später immer allgemeiner den Ablauf einer Runde zu beschreiben. Gerade die späteren Phasen sind relativ komplex, so dass eine genaue Beschreibung den Rahmen sprengen würde. Eine gewisse Komplexität lässt sich hier allerdings nicht vermeiden.
Das Spiel beginnt mit der Verteilung von 3 Anwesen pro Spieler, die die Spieler einzeln (in Form von Scheiben in der Spielerfarbe) reihum auf das Brett setzen. Dabei muss man immer das erste freie Anwesenfeld vom Landesinneren aus gesehen besetzen, eine Mischung in den Provinzen ist nicht nur möglich sondern sogar sinnvoll. Grundsätzlich sind später gesetzte Anwesen näher an der Grenze und damit auch anfälliger gegen Angriffe des Feindes, bringen am Ende aber auch mehr Siegpunkte.
Man startet das Spiel mit 10 Münzen, dann kann es losgehen. Zunächst kommt die Einkommensphase, hier erhält jeder Spieler Geld gemäß seinen Anwesen. Jede Provinz hat einen Anwesen-Wert-Marker der einen Wert von 1 bis 5 annehmen kann. War es in einer Runde friedlich, steigt der Wert, ansonsten sinkt er. Zu Beginn steht er auf 3. Eine weitere Möglichkeit für einen höheren Ertrag zu sorgen sind die Land Manager, die man in einer späteren Phase kaufen kann, einem Anwesen zuweist und den Ertrag fest um 2 erhöht. Mindesteinnahme pro Runde ist 10, die man dann am Anfang auch direkt erhält. In der ersten Runde hat nun also jeder Spieler 20 Geld.
Als nächstes entscheidet jeder Spieler, welchen Einfluss er auf die 5 Provinzen und den König nehmen möchte. Hierfür besitzt jeder in Spielerfarbe 12 "Adeligen-Blöcke" (bekannt auch als Nachfrage-Steine in "Automobile") mit den Werten 2x (0-5). Jeder Spieler legt nun in jede Provinz und auch in die Box der polnischen Armee jeweils verdeckt einen dieser Blöcke. Wichtig ist, dass in Runde zwei nur die verbliebenen 6 Blöcke zur Verfügung stehen (analog hat man in Runde 3 wieder die volle Auswahl und in Runde 4 dann erneut nur die nicht gesetzten). Anschließend werden die Blöcke herumgedreht und durch kleine Adeligen-Würfel ersetzt (außer in der Armee-Box). Diese Adeligen-Würfel wird man im Laufe einer Runde nach und nach entfernen müssen, wenn man bestimmte Aktionen in einem Feld durchführen möchte.
In den nun folgenden Phasen wird zunächst der Startspieler ermittelt (höchster gespielter Block in der Armee-Box, bei Gleichstand wird mit Geld geboten) und dann die Stärke der polnischen Armee ermittelt (abhängig vom jeweiligen Herrscher der aktuellen Runde und den gespielten Blöcken = Einfluss auf den König). Mit einem Wurf von 4 Würfeln wird nun noch die Stärke der Feinde Polens erhöht, jede Feindesbox hat einen Wert von 1 bis 5, der ihr bei einer solchen gewürfelten Zahl einen Stärkepunkt einbringt, der zu der für diese Runde vorgegebenen Mindeststärke addiert wird.
Die nun stattfindenden Wahlen ergeben eine Verteilung im "Sejm", der eigentlichen Regierung Polens. Wer die eindeutige Mehrheit in einer Provinz hat legt eine Scheibe in der Spielerfarbe auf das entsprechende Feld in der Regierung, muss aber auch einen Adeligen aus der Provinz entfernen. Bei Gleichstand gibt es für die betroffene Provinz keinen Regierungsvertreter (was kein erstrebenswerter Zustand ist).
Nun werden weitere Anwesen gebaut, das erste Anwesen kostet einen Adeligen im betroffenen Gebiet, jede weitere Runde in der man bauen möchte kostet schon 2. Darauf folgen 2 gleiche Phasen, in denen man die Wahl zwischen vielen verschiendene sogenannten "Spezialaktionen" hat. Dies können beispielsweise sein: Plazieren eines Landmanagers unter einem Anwesen (erhöht den Ertrag), Handel mit Danzig (bringt sofort zusätzliche Einnahmen), Diplomatie (ein Friedensvertrag pro Runde ist möglich), Versetzen zweier Adeligen oder Bau von Jesuiten Schulen um Siegpunkte zu erhalten. Darüberhinaus kann man ab Runde 3 eine Stadt bauen (verdreifacht die Siegpunkte dieses Anwesens) oder der in Punkten zurückliegende kann ein Anwesen eines anderen Spielers "übernehmen". Zu der wohl "heftigsten" Aktion gehört allerdings die Auflösung der Regierung, die mit nur einem beliegbigen Adeligen bezahlt werden muss und zur Entfernung aller Scheiben aus der Regierung führt, was Polen sehr schwächt, was gegen Ende der Partie aber durchaus der eigenen Gewinnstrategie zuträglich sein kann. Fast alle diese Aktionen bezahlt man wieder mit dem Entfernen von einem oder mehreren Adeligen.
Nach diesen beiden Runden von Spezialaktionen kann nun jeder Spieler Armeen kaufen, die er mit Geld bezahlt und pro Land in das er einsetzen möchte einen Adeligen entfernt. Anschließend finden die sogenannten Kampagnen statt, hier kann nun jeder Spieler der Reihe nach einen Angriff auf den jeweiligen Feind machen, der ihm Stärkepunkte in der zugehörigen Feindesbox einbringt. Möchte er bei einem solchen Angriff die polnische Armee mitnehmen, so muss er eine seiner Scheiben aus der Regierung entfernen. Dies ist allerdings eine zweischneidige Sache: Viele Stärkepunkte des Königs verhindern zwar das Eindringen des Feindes nach Polen, auf der anderen Seite aber auch das Kassieren der Siegpunkte, die es am Ende der Runde für denjenigen gibt, der in einer Feindesbox die Mehrheit an Stärkepunkten hat.
Kämpfe werden nach klassischer Cosim-Art abgehalten: Pro Einheit wird ein 6-seitiger Würfel gewürfel, Infantrie trifft ab 5, Kavalerie ab 4, Artillerie verbessert alle Einheiten um 1. Bei einer gewürfelten 1 ist die Einheit selbst zerstört.
Reihum kann nun jeder Spieler solche Kampagnen durchführen, bis er keine Adeligen mehr dafür aufwenden möchte oder kann. Anschließend findet der Angriff der Feinde statt: Nachdem nochmal ein Stärkewurf für die Feinde durchgeführt wurde, wird in jeder Box geschaut, ob die Stärke des Feindes größer ist, als die dort befindliche Stärke Polens (= alle 3 Spielefarben + König). In diesem Fall fällt der Feind in das Land ein, wo verteidigende Armeen nun nochmal aktiv werden können. Die darauf folgende Phase bietet die Möglichkeit, eingefallene Feinde mit der königlichen Armee anzugreifen, der Startspieler, der ja den größten Einfluss auf den König hat, kann dies einmal kostenlos durchführen, jede weitere Aktion dieser Art kostet die Spieler einen Sitz in der Regierung.
Feinde, die sich nach dieser Phase noch im Land befinden breiten sich nun ggfs. auf die Nachbarprovinzen aus (in Abhängigkeit ihrer Anzahl im Verhältnis zu den Adeligen), wo Armeen nochmal die Möglichkeit bekommen, sich zu verteidigen.
Schließlich neigt sich die Runde ihrem Ende entgegen. zunächst wird für jede Provinz geschaut, ob der Anwesen-Wert-Marker steigt oder fällt, je nachdem ob Feinde die Provinz betreten haben oder nicht, noch anwesend sind oder nicht. Sollten noch Feinde anwesend sein, werden auch Anwesen in der Differenz Feindstärke minus Adelige vernichtet, mindestens eins. Die Reihenfolge, in der die Anwesen vernichtet werden ist natürlich klar vorgegeben, zuerst werden die als letzte gesetzten Anwesen entfernt, die auch mehr Siegpunkte am Ende des Spiels einbringen.
Am Ende einer Runde werden noch Siegpunkte vergeben: Wer die Mehrheit in den Feindboxen hat bekommt die dort angedruckten Siegpunkte, jede jetzt noch vorhandene Scheibe in der Regierung bringt 2 Siegpunkte und jeweils 5 Geld müssen in 1 Siegpunkt umgewandelt werden. Man geht also mit maximal 4 Geld in die nächste Runde.
So werden 4 Runden gespielt, am Ende erhält jeder noch Siegpunkte für die ihm am Ende gehörenden Anwesen, die beiden Städte werden (sofern noch auf dem Plan) in der Wertigkeit verdreifacht.
Soweit der Rundenablauf. Auf viele Details bin ich nicht eingegangen und bin mir inzwischen auch unsicher, ob ich nicht schon bis jetzt etwas zu sehr ins Detail gegangen bin. Aber wie soll man diese komplexen Zusammenhänge sonst vermitteln?
Fazit: Für mich persönlich ein geniales Spiel, wobei ich auch großer Martin Wallace-Fan bin. Die Komplexität ergibt sich hier in erster Linie aus der Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten, die Regeln sind (für erfahrene Spieler) nicht wirklich schwer, es sind einfach nur viele. Die Entscheidungen, die man jede Runde zu treffen hat sind zahlreich: Wo möchte ich besonders viel Einfluss nehmen? Kann ich es mir erlauben, die hauptsächlich von den anderen beiden Spielern bewohnte Nachbarprovinz außer acht zu lassen oder strömen die Feinde dann zu mir herüber? Wie lange spiele ich kooperativ, ab wann denke ich an meinen persönlichen Vorteil? Wer hat etwas davon, wenn die Regierung aufgelöst wird? Schaden nehmen alle, aber wer am wenigsten? Wie setze ich die ohnehin immer zu wenigen Adeligen bei dieser Vielzahl an Optionen richtig ein?
Fragen über Fragen, auf die ich in den 2 Partien auch nur ganz selten die richtige Antwort gefunden habe. Was mir aber sehr viel Spaß gemacht hat ist das Verständnis, dass jede Regel einen geschichtlichen Sinn hat UND auch spieltechnisch gut funktioniert. Hier erzählt ein Spiel, hier erzählen die Spieler die Geschichte Polens neu, in vielen kleinen Details und mit schönen Mechanismen. Wer komplexe Spiele dieser Stilrichtung mag, dem kann ich dieses Spiel sehr empfehlen!
Viele Grüße
David