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[PEEP]: MODERNE ZEITEN (Jumbo)

Kritiken und Rezensionen: Wie ist Spiel XY?
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Peter Steinert

[PEEP]: MODERNE ZEITEN (Jumbo)

Beitragvon Peter Steinert » 30. September 2002, 23:40

Die goldenen Zwanziger! - Geratet Ihr da auch manchmal ins Schwärmen? Musikalische Knisterklänge von Tanzorchestern und Onkel „Satchmos" Trompete, selbstbewußte Damen mit hipper Bubikopf - Frisur in brandneuen Lichtspielhäusern, über leuchtende Leinwände flimmernde Stummfilmklassiker wie „Faust" und „Nosferatu", rassige Sportwagen von Alfa Romeo oder Bugatti und natürlich Fords berühmte „Tin Lizzy" - seufz...

Das neue Brettspiel aus dem Hause Jumbo versetzt uns in diese Zeit, aber HALT!! (es folgt das irritierende Scratch - Geräusch einer verrutschten Schellak - Plattennadel...).
Nicht „Kultur", nein, „Knete" heißt die Devise! „Moderne Zeiten" eben, so der Titel des neuen Spiels von Dan Glimme und Grzegorz Rejchtman, soeben erschienen im Jumbo - Verlag.
Beim Wettrüsten für 3 - 5 Industriegiganten und Aktienspekulanten ab 10 Jahren regiert vor allem der schnöde Mammon. Es ist die Zeit der Industrialisierung.
Jeder Spieler versucht sich als als erfolgreicher Geschäftsmann und investiert dafür in zukunftsträchtige Branchen: Schifffahrt, Luftfahrt, Hoch - und Tiefbau, Automobile oder Telekommunikation. Wie bitte? Ein Wirtschaftsspiel um Geld und Aktien? Ach! Jetzt beginnt das Thema, zunehmend stereotyp zu wirken, finde ich. - Ah, diesmal also die Zwanziger als Background für Auktionen und Aktienmehrheiten.
Aber wen kümmert’s, die gelungene Pastell - Grafik von Franz Vohwinkel und eine wirklich hübsche Ausstattung mit richtigen Zeppelinen als Spielfiguren (voll geil!!) bringen das richtige Flair sofort zurück und reizen zum Spielen. Und wie spielt es sich?

Vor mir liegt ein quadratischer Plan, unterteilt in eine Wertungsleiste (Börse), einen spiralförmigen Parcours für die farbigen Zeppeline und eine Tabelle in dessen Mitte. Jede Spalte der Tabelle steht für eine der fünf Branchen, jede Zeile definiert eine von sechs Weltstädten von New Orleans bis New York. Die 30 möglichen Schnittkombinationen finde ich in bunter Mischung auf dem Parcours wieder. So gibt es beispielsweise genau ein Feld „Automobilbau/New York" oder etwa ein Feld „Telekommunikation/Berlin" usw.
Ausgestattet mit dem eigenen Zeppelin, 15 Mios Startkapital, ein paar Aktienkarten vom gemischten Stapel sowie einem Haufen quadratischer Pappmarken der eigenen Farbe und in zwei größen geht es an den Start.

Das Spiel verläuft in Runden. Zu Beginn jeder Runde wird im Rahmen einer Auktion ein Aktienpaket versteigert. Wie groß dieses ist, bestimmt der Startspieler und Besitzer einer Startkarte „Business - Initiative" mit dem Wurf eines gewöhnlichen Sechsseiters. Erst dann wird die erforderliche Menge Aktien zufällig Aufgedeckt.
Es folgt eine Reihum - Versteigerung in bekannter Manier um das gesamte Paket. Der Höchstbieter erhält alle Aktien auf die Hand und Zahlt sein Gebot reihum und gleichmäßig (!) an seine Mitspieler. Wer also leer ausgeht, wird reicher, naja, bei entsprechend hohem Gebot jedenfalls. Nett!
Der Höchstbieter erhält auch noch die Business - Initiative und hat den ersten Spielzug. Alle anderen Spieler folgen reihum.

Zwei Alternativen habe ich. Entweder ich verzichte auf das Ausspielen von Aktien, dann erhalte ich zwei Karten vom verdeckten Aktienstapel auf die Hand. Manchmal ein Notbehelf, der sich aber auszahlen kann, wenn ich beispielsweise bei Versteigerungen zu oft leer ausgegangen bin.
Die häufiger genutzte Aktion ist aber sicher das Ausspielen beliebig vieler Aktien von beliebig vielen Branchen. Zentrales Ziel des Ausspielens ist es, Aktienmehrheiten der einzelnen Branchen zu bilden, denn nur dann Winken Siegpunkte, und es geht mit dem Zeppelin voran. Wenn ich also etwa eine Mehrheit bei Schifffahrt bilde, was zu Beginn mit einer einzigen passenden Aktie möglich ist, darf ich meinen Zeppelin bis zur nächsten unbesetzten Stadt mit dem Symbol Schifffahrt vorwärts ziehen.
Dort angekommen, belege ich das Stadtfeld sofort mit einem großen Plättchen der eigenen Farbe. Damit ist es für später folgende Zeppeline tabu. Dieser Mechanismus ermöglicht im weiteren Verlauf zuweilen recht große Sprünge und erinnert an den Bewegungsmodus von „Cartagena".
Anschließend plaziere ich jedoch noch ein zweites, kleines Plättchen, und zwar auf dem Tabellenfeld, das meinem neuen Standort entspricht, also beispielsweise „Flugzeigbau/Paris". Dies ist wichtig, um am Spielende satte Punkte zu kassieren, doch dazu später mehr.
Gelingt es mir, durch die Aktienkarten mehrere Mehrheiten zu bilden, habe ich die Wahl, welche davon ich für meine Bewegung nutze, ein entscheidendes taktisches Element.
Zuletzt wird ein neutraler Zeppelin auf der Wertungsleiste des Spielplans um so viele Felder weiter bewegt, wie soeben Aktienkarten ausgespielt wurden. Damit ist immer klar, wie viele Aktien insgesamt auf dem Tisch ausliegen.
Eigentlicher Kniff des Spiels ist der sogenannte „Börsen - Crash", der immer dann eintritt, wenn ein bestimmtes Limit an ausliegenden Aktien überschritten wird. Dann trifft es alle Aktionäre der am häufigsten ausliegenden Aktiensorte hart, denn sie müssen alle betroffenen Aktien abgeben, was Mehrheiten kostet und die Menge der offenen Karten permanent reguliert.
Sobald jeder Spieler am Zug war, folgt die nächste Runde nach gleichem Schema mit einer weiteren Versteigerung.
Das Spiel endet sofort, wenn ein Spieler mit seinem Zeppelin das Zielfeld des Parcours erreicht, und das passiert manchmal schneller, als einem lieb ist!
Dieser Spieler wird in der nun folgenden Wertung bereits mit 1 Punkt belohnt. Der jetzt reichste Spieler erhält satte 3 Punkte, jede Aktienmehrheit schlägt mit je 1 Punkt zu Buche. Entscheidend für die Ermittlung des Siegers dürfte aber meist die Auswertung der Spielplättchen auf der Tabelle sein. Wer hier in einer Horizontalen oder Vertikalen eine alleinige Mehrheit vorweisen kann, erhält bis zu 6 Siegpunkte. Die Menge der Punkte ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Während sich in New Orleans mit 1 Punkt kaum ein Blumentopf gewinnen läßt, winken in New York fette 6 Punkte. Jede Mehrheit in einer Branche bringt immerhin 3 Punkte. Haarig wird es bei einem Patt mehrerer Spieler in einer Zeile oder Spalte. Dann erhalten alle Beteiligten nur je 1 Punkt, was besonders in den Metropolen New York und London einen bitteren Rückschlag bedeutet.
Die erzielten Punkte werden mit den Zeppelinen auf der Wertungsleiste markiert, danach ist klar, wer als bester Geschäftsmann die größte Nervenstärke bewiesen hat...

Soviel zum Spielablauf.
„Moderne Zeiten" ist ein Wirtschaftsspiel mit sehr einfachen Mechanismen, das jedoch trotzdem Raum für Entscheidungen läßt: Wie hoch biete ich? Brauche ich die angebotenen Aktien oder treibe ich nur den Preis in die Höhe, um vom Höchstbieter zu profitieren? Welche Aktionsmöglichkeit wähle ich? Wie viele Aktien lege ich aus? Und welche? Wie kann ich einen Börsen - Crash zu meinem eigenen Vorteil nutzen?
Neben aller taktischen Überlegung bestimmt aber auch eine große Portion Glück über Wohl und Weh der Spekulanten. Die vollkommen zufällige Bestimmung des Aktienpaketes sowie das blinde Nachziehen von Aktien als Defensiv - Aktion können die beste Strategie ruinieren. Bei den Tests tauchten deshalb auch genau an diesen Stellen schnell erste Varianten auf:
Über mehrere offene Aktienpakete als Wahlmöglichkeit wurde sinniert und über einen Würfel mit den Werten 2 bis 5.
Trotz allem: Die geschickte Nutzung des Börsen - Crashs zur rechten Zeit, der kluge Verzicht des Kartenausspielens oder ein sparsamer Einsatz der Aktien wirkt dem Glücksanteil entgegen. Wer früh mit zu vielen Karten nach vorne prescht, wird sein blaues Wunder erleben. Ein Effekt, der mir zuletzt bei Knizias „Tadsch Mahal" begegnet ist. Ressourcenmanagement ist angesagt! Klar, wer nur Mist auf die Hand bekommt, hat keine Chance.
Hier ergibt sich für mich eine Spielgefühl, das mich in seiner Lockerheit auch ein wenig an „San Marco"/Ravensburger erinnert.
Als zu hart empfinde ich das Spielende, das nachfolgenden Spielern der laufenden Runde einen letzten Zug verbietet. Dies halte ich für verbesserungswürdig, denn jeder Spieler sollte wenigstens gleich oft am Zug gewesen sein. Überhaupt das Spielende: Wenn es einem Spieler gelingt, die Aktienmehrheit einer bestimmten Branche über mehrere Runden zu halten, kommt dies manchmal rasend schnell! Hier sollten die anderen Spieler auf der Hut sein, um nicht den Anschluß zu verlieren.
Zuletzt noch ein Wort zur Spielregel. Diese ist kurz, dafür aber auch nicht ganz vollständig. Zwar läßt sich nach mehrmaligem Lesen einiger etwas holprig verfaßter Passagen fast alles klären, jedoch vermeidet sie konsequent so prägnante Schlagworte wie beispielsweise„Startspieler". In zwei Fällen war jedoch eine telefonische Rückfrage nötig. So legt etwa der Schlußspieler kein Plättchen auf das Zielfeld und erhält damit auch kein Tabellenfeld mehr, und bei einem Aktienpatt zum Zeitpunkt eines Börsencrashs verschwinden alle betroffenen Aktien vom Tisch. Auch sind die Bildbeispiele nicht immer glücklich gewählt und in einem Fall sogar schlichtweg falsch. Aber auch hier gab es schon Schlimmeres, Die Struktur des Spiels ist so logisch und einleuchtend, daß ich darüber hinwegsehen kann.

Mein Fazit: Ich finde das Spiel recht ordentlich. Grafik, Material, Mechanismen - das alles ist hübsch und übersichtlich, unkompliziert doch nicht ohne Anspruch, familientauglich. Ob es dominante Strategien gibt oder der Glücksanteil tatsächlich zu hoch ist, werden weitere Testpartien zeigen. Bisher habe ich insgesamt drei Partien mit jeweils 3 oder 4 Spielern absolviert.

Viele Grüße an alle und danke, daß Ihr Euch die Zeit genommen habt, mein erstes PEEP zu lesen. Ich hoffe, Ihr hattet etwas Spaß dabei.

Peter

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peer

Danke [ohne text]

Beitragvon peer » 1. Oktober 2002, 11:56

...

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Niccolo
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^^^^^^^^Re: Danke [ohne text] <= da ist echt kein Text drin!

Beitragvon Niccolo » 1. Oktober 2002, 23:59

"Text" hier schon :o)


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