Beitragvon Finlaggan » 11. April 2004, 19:30
Goa
Mein erster PEEP (bin schon ganz aufgeregt :-)) handelt von Goa, der Hans-im-Glück-Neuheit von Rüdiger Dorn. Das liegt nicht nur daran, dass es sich meiner Meinung nach um ein hervorragendes Spiel handelt, sondern auch daran, dass ich einer der Testspieler war und es deshalb schon relativ gut kenne – ich schreibe das nur, damit jeder meine Meinung einordnen kann. Ich bin aber weder mit Autor noch Verlag verwandt, verschwägert oder sonstwie verbandelt und kriege für diese Zeilen auch nichts – höchstens vielleicht ein paar nette Kommentare von anderen Forumslesern...
Goa war eine portugiesische Kolonie in Indien, von wo aus Gewürze gehandelt wurden. In die Rolle dieser Gewürzhändler schlüpfen die 2 bis 4 Spieler. In insgesamt acht Runden versucht jeder, möglichst viele Siegpunkte zu erzielen. Dafür gibt es so viele Möglichkeiten, dass man beim ersten Spiel unweigerlich erschlagen wird. Glücklicherweise kommt man jedoch relativ schnell ins Spiel rein und kann eigentlich auch keine Fehler machen, die die eigene Position unrettbar zerstören.
Im Grund ist Goa ein Versteigerungsspiel mit einem interessanten Mechanismus, was die zu versteigernden Plättchen angeht. Nach der zu Beginn jeder Runde stattfindenden Versteigerung hat jeder Spieler reihum drei Aktionen, ehe die nächste Runde beginnt. Klingt einfach? Ja, das war ja auch nur ein grober Überblick.
Kommen wir nun ins Detail: Auf dem Spielplan, der nur als Ablagefläche verwendet wird, werden in einem 5x5-Raster 25 Plättchen offen ausgelegt. Zur Spielmitte (also nach vier Runden) werden die dann noch übrigen Plättchen abgeräumt und durch neue ersetzt, die größtenteils mehr wert sind, weil sie nur noch kürzere Zeit genutzt werden können. Jeder Mitspieler bekommt eine Startausrüstung, die aus Schiffen, Kolonisten und Dukaten besteht. Außerdem hat jeder Spieler zwei Papptableaus, auf denen er während des Spiels seine Fortschrittsmarker und seine Plantagen ablegt.
Der erste Startspieler wird ausgelost und bekommt 3 Dukaten weniger als die anderen, um seinen Vorteil auszugleichen. Danach beginnt er die erste Runde, indem er die Fahne (= den Startspielermarker) und eine Markierung seiner Farbe an den Rand des Rasters mit den 25 Plättchen legt. Der im Uhrzeigersinn folgende Spieler legt einen Markierungsstein seiner Farbe auf eines der (auch diagonal) angrenzenden Plättchen, dann folgt der nächste usw., bis der Startspieler als Letzter auch noch einen Marker setzt. Man versucht, seine Marker auf möglichst wertvolle Plättchen zu legen – sei es wertvoll für einen selbst (weil man das Plättchen sicher ersteigern kann, wenn man genug Geld hat) oder für die Mitspieler, damit die hoch bieten und man selbst den Erlös einstreichen kann. Bei vier Spielern liegen also fünf Marker, denn der Startspieler versteigert die Fahne für die nächste Runde ebenfalls.
Wie läuft eine Versteigerung ab? Der Auktionator (der, dessen farbige Markierung auf dem zu versteigernden Plättchen liegt), startet grundsätzlich mit einem Gebot von Null. Dann kann jeder Mitspieler reihum ein Gebot abgeben oder passen. Der Auktionator kann aber am Ende entscheiden, ob er sich die Dukaten vom höchstbietenden Mitspieler auszahlen lässt oder ob er das Plättchen selbst behält. Dazu muss er einen Dukaten mehr als das Höchstgebot in die Bank zahlen.
Der Startspielermarker wird als erstes versteigert und bringt nicht nur das Recht mit sich, den Startort in der nächsten Runde zu bestimmen, sondern auch noch eine Zusatzaktions-Karte. Nicht unterschätzen sollte man natürlich auch, dass der Startspieler in der folgenden Runde ja selbst wieder die Fahne versteigert und dabei wieder Geld einnehmen kann (Ausnahme: allerletzte Runde).
Welche Plättchen gibt es denn sonst noch zu ersteigern? Es ist nicht möglich, an dieser Stelle eine vollständige Aufzählung zu bringen. Deshalb nur die wichtigsten Plättchen: Da wären zunächst die Plantagen zu nennen, die es für fünf verschiedene Gewürze gibt. Wer eine Plantage ersteigert, darf sich auch gleich die entsprechenden Gewürze nehmen; die Plantage ist gewissermaßen auch eine Art Lagerhaus für Gewürze. Außerdem gibt es Plättchen, durch die man sich sofort Kolonisten, Schiffe, Expeditionskarten oder Zusatzaktionen nehmen darf, sowie einige Plättchen, die den Besitzer jede Runde mit Schiffen, Kolonisten, Dukaten oder Gewürzen versorgen. Da man für die Anwendung dieser Plättchen keine der so furchtbar knappen Aktionen benötigt, sind sie heiß begehrt. In der zweiten Spielhälfte (den Runden 5 bis 8) kommen noch zahlreiche weitere Sonderplättchen ins Spiel, die nicht gerade zur Übersichtlichkeit beitragen. Aber da die Plättchen ja sowieso offen liegen, genügt es bei den ersten paar Spielen, wenn zum entsprechenden Zeitpunkt einer der Mitspieler kurz die Wirkungsweise erklärt oder aus der Regel vorliest. Die aufgedruckten Symbole sind außerdem häufig auch ohne Erläuterung verständlich.
Wenn nun alle Plättchen versteigert sind, hat jeder Mitspieler drei Aktionen. Diese werden im Kreis abgehandelt, was dazu führt, dass man sich schon immer Gedanken über die nächste Aktion machen kann, während die anderen dran sind. In dieser Phase gibt es ohnehin nur sehr wenig Interaktion zwischen den Spielern. Hin und wieder ist die Reihenfolge aber schon entscheidend.
Zu den Aktionen: Es gibt sechs verschiedene Aktionen. Ein Spieler kann Schiffe bauen, Gewürze ernten, Dukaten nehmen, Expeditionskarten ziehen, eine neue Kolonie gründen oder sich auf dem Entwicklungstableau fortentwickeln.
Für die fünf erstgenannten Aktionen ist das Entwicklungstableau wichtig, das aus fünf Spalten besteht und die Frage nach dem „Wie viel“ darauf beantwortet wird. Zu Beginn des Spiels kann man mit einer Aktion „Schiffe bauen“ eben nur ein einziges Schiff nehmen. Hat man sich z.B. schon zweimal in der Schiffbau-Spalte fortentwickelt, kriegt man mit einer Aktion gleich drei Schiffe. Ähnlich funktioniert es bei den Gewürzen: Ernten heißt, dass man zu Spielbeginn nur einen freien Platz in einem Gewürzlager auffüllen darf. Nach zwei Fortschritten in der entsprechenden Rubrik kriegt man schon vier Gewürze mit einmal Ernten. Analog funktioniert es bei den Dukaten, die man nehmen kann, um in den nächsten Versteigerungsrunde mehr Geld zu haben. Expeditionskarten sind Zusatzkarten, die man während des Spiels einsetzen kann oder bis zum Spielende aufheben kann, wo sie dann Siegpunkte zählen. Der Fortschritt in dieser Rubrik bestimmt nicht nur, wie viele neue Karten man mit einer Aktion nehmen darf, sondern auch das Handlimit. Zu Beginn ist das 1/1, d.h. man darf nur eine Karte pro Aktion ziehen und überhaupt nur eine in der Hand halten. Auch da ist Fortschritt also sinnvoll. Die fünfte Aktion, die Koloniegründung, läuft so ab, dass man zunächst mal ansagen muss, welchen Schwierigkeitsgrad man probieren möchte (es gibt vier verschieden schwere Kolonien). Dann deckt man zwei Karten auf, auf denen jeweils 1 bis 3 Kolonisten abgebildet sind. Dazu addiert man seine Basis-Kolonisten aus der letzten Fortschrittsspalte (zu Spielbeginn sind das 0, nach Fortschritten bis zu 6). Reicht es noch nicht für den angestrebten Wert, kann man noch Kolonistenkarten abgeben (die man z.B. auf Plättchen ersteigern kann). Bei Erfolg darf man sich eine Kolonie nehmen – das ist genau genommen nichts anderes als eine Plantage, aber mit der Sondereigenschaft, dass in ihr zwei oder sogar alle fünf Gewürze wachsen (je nach Schwierigkeitsgrad). Bei Misslingen kriegt man als Trostpreis einen Kolonisten, hat aber seine Aktion ansonsten wirkungslos vergeigt.
Die letzte mögliche Aktion ist der Fortschritt. Auf dem Entwicklungstableau sind (für alle Spieler gleich) die Kosten abgedruckt, um in einer Spalte (Schiffe, Ernte, Dukaten, Expeditionskarten, Kolonisten) eine Stufe besser zu werden. Bei den Kosten handelt es sich um 1 bis 4 Gewürze in bestimmten Kombinationen. Zusätzlich zu diesen Gewürzen aus den eigenen Plantagen und/oder Kolonien muss man aber auch noch die gleiche Zahl an Schiffen abgeben. Sind die Gewürze und Schiffe dann verbraucht, muss man entweder neu ernten (kostet Aktion) oder neue Plantagen ersteigern (kostet Geld) und außerdem Schiffe bauen (Aktion) oder ersteigern (Geld).
Eigentlich gibt es also gar nicht so viele Möglichkeiten, aber die Zahl von drei Aktionen ist so gering, dass man sich wirklich genau überlegen muss, was man machen will und in welcher Reihenfolge man vorgeht – erst neue Schiffe bauen und die vorhandenen Gewürze verschiffen oder vielleicht doch erst verschiffen, sich im Schiffbau verbessern und dann mehr Schiffe nehmen? Oder doch eine Expeditionskarte? Und braucht man noch mehr Geld für die nächste Runde? Ach ja, so eine Kolonie wäre natürlich auch sehr praktisch... Ich denke, daraus kann man ersehen, wie komplex das Ganze schnell wird. Und dabei sehe ich eine gewisse Gefahr, denn ich kann mir schon vorstellen, dass es bei Spielern, die nicht nur die eigenen Möglichkeiten abwägen, sondern auch noch die der Mitspieler, etwas länger dauern kann. Aber wie gesagt, so furchtbar viel Interaktion gibt es nicht, deshalb kann man sich die Beobachtung der Gegner meistens sparen. Am ehesten sollte man noch darauf achten, wie schnell sich die Mitspieler fortentwickeln, weil es in den Fortschrittsleisten kleine Wettrennen gibt: Wer sich als Erster in einer beliebigen Spalte zum dritten bzw. zum vierten Mal entwickelt, kriegt jeweils eine Expeditonskarte (und darf dabei das Handlimit ignorieren). Ansonsten kann es nicht schaden, den Kontostand der Mitspieler überschlägig im Auge zu behalten.
Nach acht Runden (und etwa zwei Stunden bei vier Spielern) wird abgerechnet. Die meisten Siegpunkte gibt es für die Fortschritte auf dem Entwicklungstableau, wobei die höheren (schwierigeren) Fortschritte mehr Punkte zählen. Das würde also bedeuten, dass man sich eher auf wenige Spalten konzentrieren sollte. Aber leider braucht man eigentlich während des Spiels alle Spalten! Sonder-Siegpunkte sind zum Teil schon mit den Plättchen versteigert worden; außerdem zählt jede Expeditionskarte noch mindestens einen Punkt (mehr als einen, wenn man gleiche Symbole gesammelt hat). Der Spieler mit den meisten Dukaten kriegt am Spielende auch noch drei Siegpunkte extra.
Ich kann mir vorstellen, dass dieser PEEP einigermaßen verwirrend ist. Dabei ist nicht auszuschließen, dass ich einen verworrenen Schreibstil habe, aber ich denke, dass es zumindest zum Teil auch an der Komplexität des Spiels liegt. Es ist eben ein Versteigerungsspiel, bei dem der Wert des versteigerten Plättchens für einen selbst und für die anderen Mitspieler nicht leicht zu bestimmen ist. Aber man fährt auch als Neuling in den ersten Partien recht gut, wenn man bei jeder Versteigerung eine Art „Sperrgebot“ abgibt, um das Plättchen keinem Mitspieler zu billig zu überlassen. Es gibt keine schwachen Plättchen und man kann aus jedem ersteigerten Plättchen irgend etwas machen.
Zum Material: Die gesamte Grafik ist sehr stimmungsvoll gemacht und gefällt mir gut. Das schreiende Orange der Packung ist gewöhnungsbedürftig. Die Gewürze sind kleine Säcke aus Holz. Die Plättchen aus dicker Pappe sind (zumindest in meinem Exemplar) leider wieder nicht ganz mittig geschnitten; im Gegensatz zu „Attika“ macht das aber vom Spielwert keinen Unterschied, sondern schmälert höchstens den ästhetischen Eindruck. Im Tiefzieheinsatz findet alles seinen Platz; nur der Spielplan liegt komischerweise schräg in der Packung. Ist aber nicht wirklich ein Problem.
Mein Fazit: Goa ist für mich eine der ansprechendsten Neuheiten der letzten Jahre. Wenn man es ein paar Mal gespielt hat und die Übersicht gewonnen hat, macht es ähnlich viel Spaß wie ein Puerto Rico, das von der Komplexität ähnlich hoch angesiedelt ist. Ein Vergleich zwischen den beiden Spielen ist aber kaum möglich, da bei Puerto Rico jede Aktion (und sogar jede Nicht-Aktion: Was lasse ich dem Nachfolger liegen?) automatisch zu Interaktionen führt und damit falsche Entscheidungen das Spiel wesentlich mehr beeinflussen. Goa verzeiht kleinere Fehler meiner Meinung nach eher, d.h. man muss auch als Neuling mit erfahrenen Mitspielern nicht die Sorge haben, gesteinigt zu werden, weil man z.B. nicht gesehen hat, was passiert, wenn der nächste Spieler den Aufseher und der übernächste den Kapitän nimmt usw.).
Besonders gut gefallen mir bei Goa der Mechanismus, mit dem bestimmt wird, welche Plättchen versteigert werden. Da hat vor allem der Startspieler in späteren Runden durchaus die Möglichkeit, etwas gemein zu sein. Wir hatten in einer Partie zwei isolierte Pfeffer-Plantagen in einer Ecke, wo ich dann auch genüsslich die Fahne ablegte und die beiden folgenden Spieler im wahrsten Sinn des Wortes dorthin schickte, wo der Pfeffer wächst. :-) Die Glückskomponente ist bei Goa erfreulich gering. Nur bei der Koloniegründung hängt man ein bisschen von den gezogenen Karten ab. Ein Würfel wird aber nicht benötigt. Einen Königsmacher-Effekt gibt es wegen der ohnehin geringen Interaktion nicht. Für Strategiefreunde, die es hassen, wenn sie trotz bester Planung von einem Mitspieler überrundet werden, der einen Pakt mit Fortuna geschlossen hat oder den ein abgeschlagener Dritter nach vorne pusht, ist Goa sicher mindestens eine oder zwei Testpartien wert.
Als Nachteil wäre höchstens die schon erwähnte Unübersichtlichkeit zu nennen. Dabei muss man den Verlag allerdings für eine gelungene Regel loben, in der auf 12 Seiten mit vielen Beispielen und Abbildungen alle Unklarheiten schnell beseitigt werden und alle Symbole kurz und verständlich erklärt werden. Für Extremdenker (Leute, die bei Puerto Rico mehr als zwei ganze Runden vorausdenken oder Turnier-Schachspieler :-)) ist es vielleicht nicht tiefgängig genug, weil es eben wenig Interaktion gibt.
Alles in allem also ein äußerst positives Fazit. Ich kann kaum darauf warten, wieder eine Partie anzufangen...