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[PEEP] Millionen von Schwalben

Kritiken und Rezensionen: Wie ist Spiel XY?
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Michael Schlepphorst
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[PEEP] Millionen von Schwalben

Beitragvon Michael Schlepphorst » 20. Juni 2006, 20:23

Millionen von Schwalben von Urs Hostettler, 3-6 Spieler ab 10 Jahren, Fata Morgana


Das Spiel:
„WM-Eröffnungsspiel zwischen Brasilien und den USA. Während sich ein Angreifer der Amerikaner vor der Werbebande seines Sponsors pflegen lässt, spielen die Brasilianer mit einem Steilpass an die Strafraumgrenze ihren Stürmer an. Die US-Boys reagieren mit einer Blutgrätsche. Doch was entscheidet der Schiedsrichter? Er verlegt den Ort des Geschehens außerhalb des Strafraums und gibt nur Freistoß. Den anschließenden Freistoss entschärft der US-Keeper zwar nur knapp hinter der Torlinie, aber auch dies wollte der Schiedsrichter nicht erkennen. Doch was ist das? Nach einem harmlosen Mittelfeldgeplänkel pfeift der Referee plötzlich Elfmeter für die USA. Kurzer Anlauf – trockener Schuss – Toooor. 1:0 für die USA, die Sensation scheint greifbar.“ So oder so ähnlich könnte eine Partie „Millionen von Schwalben“ beginnen. Mit diesem eigentlich reinen Kartenspiel hat uns Urs Hostettler ein absolut amüsantes, mit ironischen Sprüchen gespicktes Fußballspiel vorgelegt mit dem man ein Turnier beliebiger Form nachspielen kann.

Das Material:
Ich gebe zu, als ich dieses Spiel ausgepackt habe, war ich doch erst einmal etwas enttäuscht. Alles was sich in dieser doch relativ großen Schachtel (ungefähr Größe von Finstere Flure) befand waren Karten, Karten und nochmals Karten. Dazu noch einen Würfel, DIN-A4 Spielpläne und einen Wettblock. Und dafür 25 EUR bezahlen? Na ja. Demnach also erst mal skeptisch an die Regeln gemacht. Das Hin- und Herspringen zwischen den eigentlichen Regeln und den dazu gehörigen Fußnoten am unteren Ende der Blätter ist erst einmal sehr gewöhnungsbedürftig. Zumal in diesen Fußnoten absolut wichtige Hinweise stehen. Trotzdem ist dies alles relativ schnell zu verinnerlichen.

Wie spielt man eine WM bzw. ein Match?:
Da es die Regel meines Wissens noch nicht zum Download gibt, gehe ich hier etwas näher darauf ein. Wen dies nicht interessiert kann zum nächsten Abschnitt springen.
Vor Beginn eines Turniers müssen die Teams ausgewählt und den Gruppen zugelost werden. Dabei suchen sich die Spieler reihum Ihre Wunschteams aus und ermitteln einen Spielplan. Die Teams werden durch größere Karten dargestellt auf denen verschiedene Daten zu ersehen sind. Neben Flagge und Namen stehen oben rechts eine Zahl (steht gleichzeitig für Wetteinsatz u. Anzahl der Karten die das Team zu Beginn bekommt). Unten links ist angegeben mit welchen Karten ein Team in ein Turnier startet. Es gibt genau drei verschiedene Sorten von Karten. Offensivkarten (grün), Defensivkarten (blau) und Spezialkarten (rot). Während Brasilien mit insgesamt 18 Karten (12 x grün, 3 x blau und 3 x rot) startet, haben es Fußballzwerge da schon schwerer (z.B. Togo 5 x grün, 1 x blau). Mit diesen Karten muss man nun versuchen ein Spiel zu gewinnen, wenn man will.
Denn nicht unbedingt immer ist es sinnvoll dass ein eigenes Team gewinnt. Denn vor dem ersten Anpfiff darf jeder Spieler auf alle Teams Wetten abschließen. Genau gehe ich hier jetzt nicht darauf ein, aber dadurch wird schon deutlich, dass es auch schon mal sinnvoll sein kann eine Mannschaft absichtlich verlieren zu lassen wenn es mir gut tut bzw. jemand anderes schadet ;-)
Wenn es nun aber losgehen kann muss die Gastmannschaft das Spiel mit einer Offensivkarte eröffnen. Diese Offensivkarten haben, neben einem zumeist sehr humorvollen Text, auch noch einen Offensivwert (zwischen 0-6) abgedruckt. Dieser gibt an wie erfolgsversprechend der Angriff ist. Das andere Team kann nun auf verschiedene Arten reagieren. Entweder gar nicht (er lässt den Angreifer zum Schuss kommen) oder er spielt auf Abseits. Dazu muss er eine blaue Offsidekarte spielen. Auch diese hat einen Offsidewert (zwischen 0-6). Nun entscheidet der Würfel ob dieses Abseits auch erkannt wird. Ergeben Offsidewert und Würfelergebnis eine 7 oder höher, war es ein Abseits und der Angriff war erfolglos. Bleibt der Wert unter 7 kommt der Angriff durch und es kommt nun zum Torschuß. Nun wird wieder gewürfelt und Würfelwert + Offensivwert der zuerst ausgespielten Offensiv-Karte müssen mindestens 7 ergeben um den Schuss auf das Tor zu bringen. Nun kann der Verteidiger als letzte Rettung noch eine Torhüterkarte spielen die den Angriffswert um bis zu 4 Punkte verringern können. Liegt der Wert nun unter 7 wurde der Ball gehalten.
Anstatt auf Abseits zu spielen kann der Verteidiger auch Foulkarten mit entsprechenden Werten spielen. Hier sind natürlich niedrige Karten günstig. Denn wenn Würfel + Foulkarte 7 oder mehr ergeben, wird auf Foul erkannt und es gibt je nach Tatort einen Elfer oder Freistoß.
Dieser wiederum hängt davon ab was auf der grünen Karte zu Beginn stand. Dort sind im Text nämlich auch Angaben versteckt die darauf hinweisen wo die Aktion gerade stattfindet (im Strafraum, außerhalb oder an der Grenze). Im Strafraum gibt es einen Elfer, außerhalb einen Freistoß.
Auf diese Weise muss jeder Spieler mindestens einen Angriff durchführen. Danach kann man weitere Angriffe spielen oder verzichten. Solange aber noch ein Spieler angreifen möchte geht das Spiel weiter. Nach dem Ende einer Partie werden alle eingesetzten Karten abgeworfen und das Ergebnis in den Spielplan eingetragen. Nun erhalten die Teams neue Karten. Bei einem Remis bekommt jeder 2 Karten, bei einem Sieg mit einem Tor Differenz der Sieger 3 Karten und der Verlierer 1 Karte. Bei einem höheren Sieg erhält nur der Sieger 4 Karten. Diese neuen Karten werden von einem großen Nachziehstapel gezogen in dem sich Karten jeder Art befinden (grün, blau und rot).

Eine besondere Form der Offensivkarten sei auch noch erwähnt. Die Schwalben-Karten. Diese können auch für einen Angriff gespielt werden und auch hier ergibt wieder der Schwalben-Wert + Würfelwurf ob die Schwalbe als Foul gepfiffen wird oder nicht. Warum aber gerade die Deutschen hier mit einer Spezialkarte ausgestattet werden, lasse ich mal dahingestellt sein. Ach ja, die Spezialkarten. Einige Teams haben nur zu Ihnen gehörige Spezialkarten die einmal pro Partie eingesetzt werden können und danach nicht abgegeben werden müssen. Man kann sie also in jeder Partie wieder benutzen..

Nun gibt es aber noch ein kleines Zünglein an der Waage. Nämlich den Mann in schwarz. Der wird nämlich durch einen Mitspieler gesteuert der bei strittigen Situationen entscheiden darf. So kann er bei Fouls die an der Strafraumgrenze stattfinden nach eigener Wahl auf Freistoß oder Penalty entscheiden. Ganz wie es für ihn bzw. seine Wetteinsätze am günstigsten ist ;-)
Zudem hat er den Spielraum einen Wert seiner Wahl um +/- 1 zu verändern. Wenn also eine Foulkarte mit Wert 4 + eine gewürfelte 3 ein Foul ergeben würden, kann er diesen Wert auf eine 6 absenken. Somit bliebe das Foul ungeahndet. Der Schiedsrichter kann also eine Partie in Grenzfällen schon zu seinen Interessen entscheiden. Nur beim Torschuß kann er nicht mehr eingreifen. Doch einmal pro Turnier darf jeder Spieler wenn er als Schiri agiert völlig unbegründet einen Elfer für das Team seiner Wahl pfeifen. Dies kann auch in der 91. Minute geschehen wenn sich beide Teams eigentlich schon auf ein 0:0 geeinigt haben.
Dafür darf jeder Spieler auch einmal pro Turnier einen angesetzten Schiedsrichter ablehnen.

Wie spielt es sich?
Das Spiel hat mir nach einer ersten Partie sehr gut gefallen. Allein durch die teilweise sehr witzigen Kartentexte entsteht eine lockere, heitere Atmosphäre. Durch das Vorlesen der ausgespielten Karten entstehen manchmal sogar richtige Spielreportagen wie bei der echten Fußball-WM. Sorry, Herr Blatter. Ich meinte natürlich FIFA-Fußball WM. Auch taktisch ist einiges geboten. Wenn man sich durch ein langes Turnier mit maximal sechs Spielen kämpfen muss, sollte man seine wenigen Karten nur sehr dosiert einsetzen. Pech auch dann wenn man partout die falschen Karten nachzieht. Denn dadurch, dass alle Karten zusammengemischt werden, kann es schon mal sein, dass man nur mit Abwehrkarten in eine Partie gehen muss. In diesem Fall zumindest denke ich über eine Hausregel nach die dieses verhindern soll. Auch wenn man fast nur Offensivkarte mit dem Wert 0 hat, kann man nur versuchen den Gegenspieler zu bluffen und eine mächtige Angriffshand vorzutäuschen.
Die eigentliche Würze kommt aber durch den Schiedsrichter in das Spiel. Da dieser immer durch einen Mitspieler verkörpert wird, stehen dessen Interesse natürlich immer im Vordergrund seines Handelns. Wenn ich z.B. die Partie Brasilien – Schweiz leite und ich Brasilien nicht als Weltmeister getippt habe, würde ich natürlich alles versuchen um diese Mannschaft möglichst zu schwächen und Punkte abzunehmen. Zudem sind auch Bestechungen jederzeit erlaubt und man kann durchaus mal ein kleines Sümmchen eines Mitspielers annehmen um ein Spiel in die richtigen Bahnen zu lenken.
So sind also zumindest immer drei der maximal sechs Spieler direkt in das Geschehen eingebunden. Aber auch die anderen Spieler haben sicherlich Spaß an den humoristischen Kartentexten. Man fühlt sich praktisch wie vor dem Fernseher bei einer richtigen W.., ähm FIFA-WM.
Lediglich die Länge eines ganzen Turniers könnte schon mal jemanden abschrecken. Denn ein komplettes Turnier mit 16 Mannschaften (Modus von früher) kann schon mal bis zu 2 Stunden dauern. Aber auch ein Modus mit 32 Teams ist möglich. Man kann praktisch jede Art von Turnier spielen wie man möchte. Zudem sind die Teamkarten relativ leicht selbst zu modifizieren wenn man es möchte und einem ein Team zu stark oder schwach erscheint.
Alles in allem kann man glaube ich erkennen, dass ich doch sehr angetan von diesem Spiel bin. Ich habe meine erste Schwalben-WM jedenfalls sehr genossen. Und auch wenn die Seitenhiebe auf die Deutschen manchmal schon etwas nervig sind (Ein Schiedsrichter der absichtlich gegen Deutschland pfeift, darf bei dieser WM nicht mehr pfeifen), kann man ja immer noch dagegenhalten das die Schweiz ihren FIFA-Sepp Blatter hat ;-)


Michael Schlepphorst

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Hartmut

RE: [PEEP] Millionen von Schwalben

Beitragvon Hartmut » 20. Juni 2006, 21:01

Hallo Michael,

Danke für das PEEP :-)

Hartmut (das Finale bei der Hiesfelder Brettfußball-Liga vor Augen...)
- www.hiespielchen.de -

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Chregi Hansen

Re: [PEEP] Millionen von Schwalben

Beitragvon Chregi Hansen » 20. Juni 2006, 21:11

Hallo Michael

Danke für den PEEP. Hab das Spiel schon im Schrank, komme aber erst nächste Woche zum Testen. Und dazu:


> Und auch wenn die Seitenhiebe auf die Deutschen manchmal schon etwas nervig
> sind (Ein Schiedsrichter der absichtlich gegen Deutschland
> pfeift, darf bei dieser WM nicht mehr pfeifen),


empfehle ich einen Blick auf die Seite des Autors, der die Entstehung des Spiels beschreibt und feststellt: "Der ursprüngliche Titel war 'Schwalben in Bismarck'.
Wir stellten uns vor, wie die Deutschen in vier Jahren in den USA vom Spielplan wieder bevorteilt würden, bis zum Halbfinale all ihre Spiele vor frenetischem deutschstämmigem Publikum in Bismarck, North Dakota, austragen könnten, während ihre Gegner zum anderen Gruppenspielort in Honolulu, Anchorage oder El Paso pendeln würden. Wie willfährige Schiris jeden Salto eines Stuttgarter Bäckersohns prompt belohnen würden.
Uns war klar, dass sich ein derartiges Simulationsspiel in unserem nördlichen Nachbarland schlecht verkaufen liesse. Wir versuchten es gar nicht erst. Spielten es aber gerne. "

Wer den ganzen Text lesen will, der wird hier: http://homepage.sunrise.ch/mysunrise/uhostettler/spiele.html

fündig.

Gruss aus der Schweiz
Chregi (der auch lieber Schweizer Siege als deutsche Schwalben sieht ;-) )

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Benjamin Spicher

Re: [PEEP] Millionen von Schwalben

Beitragvon Benjamin Spicher » 21. Juni 2006, 08:28

Meine Frau (!) und ich kommentieren mittlerweile jede Aktion der "echten" WM in der Art:

- "Schwaches Schüsschen - eine Vier"
- "Wow - das war eine 10. Zum Glück hatten die noch eine Goaliekarte."
- "So langsam wär's Zeit für eine Spezialkarte..."

Das Tor von Cole gestern war z.B. ein klarer Fall einer Schusskarte mit Grundwert 2, dann eine 6 gewürfelt, und die Schweden hatten nur noch "-1" Goaliekarten...

:)

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Ralf Arnemann
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Beiträge: 2447

Re: [PEEP] Millionen von Schwalben

Beitragvon Ralf Arnemann » 21. Juni 2006, 10:26

> Warum aber gerade die Deutschen hier mit einer
> Spezialkarte ausgestattet werden ...
Das ist wohl eine Anspielung auf Jürgen "the diver" Klinsmann, dem in seiner Anfangszeit in England eine Neigung zu Schwalben nachgesagt wurde (m. E. unberechtigt - die Engländer haben halt eine andere Einstellung zu Härte, und wenns nicht stark blutet, ist es für die halt kein Foul).

Siehe auch Chregis Zitat mit dem "schwäbischen Bäckerssohn".

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Michael Schlepphorst
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Beiträge: 793

[OT] Schwalben-Nationen

Beitragvon Michael Schlepphorst » 21. Juni 2006, 10:51

Ralf Arnemann schrieb:
>
> > Warum aber gerade die Deutschen hier mit einer
> > Spezialkarte ausgestattet werden ...
> Das ist wohl eine Anspielung auf Jürgen "the diver"
> Klinsmann, dem in seiner Anfangszeit in England eine Neigung
> zu Schwalben nachgesagt wurde (m. E. unberechtigt - die

Das ist mir auch klar. Ich wollte nur damit zum Ausdruck bringen, dass ich die Ansichten des Autors zu diesem Thema nicht teile ;-)
Denn irgendwo stand ja auch das ihm die Idee zu dem Spiel kam bei der WM 90, als im Viertelfinale gegen die Tschechen ein Elfmeter für uns wegen einer angeblichen Schwalbe gepfiffen wurde.
Bei diversen Rückblenden in den letzten Tagen wurde auch diese Szene neulich im Fernsehen gezeigt. Ein glasklarer Elfer, Herr Hostettler!
Und mit Ausnahme von dem Elfmeter im WM-Finale 74 ist doch Deutschland eigentlich nicht für seine Schwalben bekannt, oder? Solche Schauspiel-Leistungen schreibe ich eher Teams wie Italien oder Türkei (vor allem Inzaghi) zu :-)
Das wollte ich damit nur mal sagen ...

Grüße

Michael, der Pauschalisierungen wie diese nicht mag ... ;-) ;-) ;-)


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