Beitragvon Braz » 6. Juli 2009, 12:11
Nachdem Martin Wallace von seinem neusten Spiel „Automobile“ behauptet, es sei wahrscheinlich sein bestes Spiel, und diese Aussage vom Autor von u.a. „Age of Steam“ und „Brass“ stammt, bin ich doch ein wenig hellhörig geworden, wenngleich es wahrscheinlich einige Autoren gibt, welche ihre neuen Spiele auf diese Art pushen wollen……dennoch, ich muss sagen: „Automobile“ ist für mich ein geniales Spiel, bei dem der Autor nicht zu viel versprochen hat.
Automobile ist nun, neben Tinners Trail, Steel Driver, After the Flood und Waterloo das fünfte Spiel der Treefrog-Spielreihe, welche jeweils aus einer Stückzahl von 1500 Stück besteht und bei der jedes Spielstück aus Holz hergestellt wurde (Ausnahme bilden hierbei Geldscheine). Es gibt keine Karten, Pappcounter oder Plastikteile in der Treefrog Brettspielreihe, woraus sich der Name „Tree“-Frog ableiten lässt.
[b]Material[/b]
Auch bei „Automobile“ gibt es die holztypischen Spielteile. Einzige Ausnahme bilden hierbei die dünnen Geldscheine. Die Holzteile sind: Autos, Personen, Rechtecke und Chips in der jeweiligen Spielerfarbe. Der Spielplan ist zwar vom Design her kein optischer Hochgenuss, ist aber überaus zweckdienlich, übersichtlich und bietet zudem sehr schöne Oldtimermodelle. Kurzum: Das Material kann im Großen und Ganzen als gelungen bezeichnet werden. Aber seien wir doch mal ehrlich: Welches Wallace Spiel besticht schon durch sein überdurchschnittlich schönes Spieldesign?!
[b]Das Spiel:[/b]
Die Spielregeln sind im Grunde eigentlich gar nicht mal so schwer. Der Teufel steckt aber hier im Detail, denn so kann beim ersten Spiel einiges übersehen, vergessen oder falsch gemacht werden. Auch besitzt die Anleitung einen Fehler bei einem Beispiel und ist an der ein oder anderen Stelle durchaus ungeschickt formuliert. Dennoch: Hat man sich erstmal durch die Regel durchgerungen, so kann das Spiel losgehen.
Das Spiel gliedert sich in 4 Runden. Jede Runde besteht aus folgenden Phasen:
[ul]
[*] Ziehen von Nachfrage-Steinen
[*] Charakterwahl
[*] 3 Aktionsphasen bei denen folgende Optionen gewählt werden können: Produktion von Autos, Bau von Fabriken, Platzieren der Distributoren, 2 Forschungswürfel nehmen, Schließen einer Fabrik
[*] Die Howard-Aktion
[*] Verkauf von Autos via Distributoren
[*] Entscheidungen des Vorstandes
[*] Fabrikverkauf von Autos
[*] Bestimmung und Bezahlung von Negativgeschäften
[*] Ende der Runde
[/ul]
Ich möchte gar nicht zu genau auf die einzelnen Phasen einer Runde eingehen, denn diese können in der Regel bei Warfrog Games heruntergeladen werden (http://www.warfroggames.com/images/auto_rules_vis7.pdf )
Im Großen und Ganzen dreht sich im Spiel aber alles um die Produktion und den Verkauf von Autos sowie dem Erstellen von neuen Fabriken.
Wer am Ende der Runde 4 das meiste Geld hat, gewinnt das Spiel.
Klingt einfach? Ist es aber nicht!
Das Problem bei dem Spiel ist es, jeden Zug möglichst optimal zu nutzen. Fehler werden sofort bestraft. So wird man z.B. für eine Überproduktion an Autos bestraft, welche man nicht an den Mann oder die Frau losbekommt. Jedes Auto, welches in der Phase der Bestimmung von Negativgeschäften, noch auf dem eigenen Werksgelände steht und somit nicht verkauft wurde, wird mit einem sog. Verlustwürfel bestraft, der am Ende jeder Runde bezahlt werden muss. Das Problem des Ganzen: Schwarze Würfel (=Verlustwürfel) wird man nach dem Bezahlen nicht einfach so los. Es gibt zwar einige Aktionen, welche die Anzahl an schwarzen Würfeln minimieren, aber diese Aktionen sind vielleicht oft nicht im Einklang mit der eigenen Taktik. So kann man die Anzahl seiner schwarzen Würfel z.B. um die Hälfte reduzieren, indem man ein Werk schließt. Ebenso erlaubt es die Wahl von bestimmten Charakteren die Anzahl der schwarzen Würfel um ein gewisses Maß zu reduzieren, dennoch möchte man vielleicht gerade jetzt nicht sein Werk schließen, oder gerade in dieser Runde einen anderen Charakter wählen, der einem aus strategischen Gründen vielleicht besser passt….. Kurzum: Die Planung der Produktion und des Verkaufs von Autos ist hierbei das A und O des Spiels.
Was man neben der Produktion du dem Verkauf von Autos ansonsten noch beachten sollte, ist die Weiterentwicklung von neuen Autos und das Kaufen von neuen Werken. Um den Spielplan herum ist nämlich eine Reihe von Oldtimern dargestellt, wobei der älteste ganz oben (sozusagen auf Feld 0) der Oldtimer-Skala steht. Möchte man nun, beginnend auf Feld 0, eine Fabrik erstellen, so muss man Forschungswürfel zahlen, da man ja auch gerade ein neues Modell sozusagen entwickelt hat. Der Bau einer Fabrik kostet hierbei aber nicht nur Forschungswürfel, sondern wie sollte es auch anders sein, natürlich auch Geld. Nun könnte man aber denken: Was juckt mich die Forschung? Ich habe meine Fabriken bereits gebaut, will auch keine abreißen, also produziere ich einfach bei meinen bestehenden Fabriken weiter…sollen die anderen doch forschen….. Ganz so einfach ist dies aber nicht, denn am Ende der Runde werden bekanntlich die Negativwürfel verteilt und hierbei erhalten „ältere“ Fabriken, quasi Fabriken, welche ältere Autos produzieren, mehr schwarze Würfel, als dies bei neueren Fabriken der Fall ist. Somit ist jeder darauf erpicht, möglichst neue Fabriken zu bauen, denn für dies bekommt man keine schwarzen Würfel und der Fabrikverkauf von Autos beginnt zudem mit den neuesten Fabriken. Somit habe ich einfach bessere Chancen meine produzierten Autos zu verkaufen, je weiter vorne ich mit meiner Fabrik auf dieser Skala stehe.
[b]Fazit:[/b]
„Automobile“ ist sicherlich nicht das kommunikativste Spiel und so kann locker eine Partie zu Ende gehen, ohne dass überhaupt jnd. etwas während des Spiels gesagt hat. Es wird gerechnet, geplant, ein bisschen gezockt…..kurzum: Es wird versucht sein Zug zu optimieren auf Teufel komm raus, schließlich sind 4 Runden (subjektiv gefühlt) schnell vorbei und man hat nicht so viele Aktionsphasen, um seine Werke/Fabriken zu modernisieren, seine Autos zu bauen und diese dann auch noch möglichst gewinnbringend an den Mann zu bringen. Obwohl man versucht bei seinen eigenen Werken seine eigenen Autos zu verkaufen, hängt die Strategie stark von der Strategie der Mitspieler ab.
Für mich spielt „Automobile“ in einer Liga mit „Age of Steam“ und „Brass“ und gehört somit nicht nur zu einer der besten Neuerscheinungen in 2009, sondern hat auch den Sprung in meine ganz persönlich Top10 Spiele-Hitliste gefunden. Selten habe ich nach einer Partie am Tag danach noch so an ein Spiel nachgedacht, als dies bei diesem Spiel nun der Fall ist. Das Spiel ist sicherlich kein Spiel für Wenigspieler, da sich der Reiz des Spiels und das Verständnis für die Aktionen erst nach mehreren Partien erschließen. Die Spieldauer mit 90 Minuten bis 120 Minuten stimmt mE mit der Beschreibung auf dem Schachteltext überein. Das Spiel ist zwar meines Wissens bei einer Auflage von 1500 Stück bereits ausverkauft, es soll jedoch zur Spiel`09 von Phalanx eine Neuerscheinung auf den Markt kommen. Also ein Tipp für alle Grübler und Strategen: Einfach mal das Spiel zur Spiel`09 antesten….es lohnt sich!