Beitragvon Braz » 24. Januar 2011, 01:18
[b]Sid Meier`s Civilization – The Boardgame (von Kevin Wilson)[/b]
Als Fan des Computerspiels “Civilization” war ich natürlich höchstgespannt, wie die Umsetzung des gleichnamigen PC-Spiels gelungen ist…
Gleich vorweg: Die Umsetzung hätte meines Erachtens nicht viel besser ausfallen können. Dem Autor, Kevin Wilson, ist es bestens gelungen, jeden einzelnen Aspekt des PC-Spiels (Kampf, Forschung, Kultur etc.) in ein Brettspiel zu übertragen.
[b]Doch was befindet sich in der Schachtel: [/b]
Die Schachtel ist `proppenvoll` gepackt mit:
[ul]
[*] Karten im gewohnten Fantasy Flight Games Format (sprich: sie sind etwas kleiner als Standardkarten)
[*] Spielplanteile (hierbei handelt es sich um Quadrate mit vielleicht 15cm Kantenlänge) auf denen unterschiedliche geographische Gegebenheiten, wie z.B. Wiese, Berge, Wälder, Meer etc., dargestellt sind.
[*] Plastikfiguren in der Form einer Fahne (=Armee) oder eines Planwagens (=Scout)
[*] viele kleine Marker, wie z.B. Schadensmarker, Kulturmarker, Ressourcenmarker etc.
[*] eine Auslage für jeden Spieler, auf denen jeweils das einzigartige Charakteristikum des betreffenden Volkes aufgeführt ist, sowie 2 bewegliche Drehräder zum Anzeigen der Handelspunkte und Ökonomiepunkte, dargestellt sind.
[/ul]
Alles in allem handelt es sich hierbei –bis auf die etwas dünnen Auslagen der einzelnen Spieler und den Plastikfiguren- um meines Erachtens qualitativ gute Komponenten: Kein Spielplanteil verbiegt sich o.ä.
Nach dem Öffnen der Schachtel war ich erst einmal von der Materialfülle positiv überrascht.
[b]Wie spielt sich das Spiel:[/b]
Jeden Aspekt des Spiels hier zu beschreiben wäre meines Erachtens völlig fehl am Platze: Die Originalregel ist 32 Seiten lang und das benötigt sie auch. Eine so große Regel in einen Einseiter zusammenzudampfen ist schier unmöglich. Aus diesem Grund kann ich nur einen groben Umriss vom Spiel geben und hoffe damit, dass man sich in etwa vorstellen kann, wie sich dieses Spiel spielt.
Generell: Die Spielanleitung ist vorbildlich. Sie ist sehr gut bebildert und inhaltlich gut strukturiert. Hat man im Spiel Fragen, so weiß man fast intuitiv, an welcher Stelle der Anleitung man Nachschlagen muss, um die Regelfrage zu klären.
[b]Doch nun zum Spiel und zum Spielaufbau: :[/b]
Das Spielbrett variiert mit der Anzahl der Spieler. Generell kann man jedoch sagen, dass das Spielfeld aus quadratischen Spielplanteilen besteht, die eine Fläche bilden und an den Ecken dieser Fläche werden die speziellen Spielplanteile der betreffenden Völker gelegt, die an dem Spiel teilnehmen. Es gibt hierbei 6 unterschiedliche Völker (Römer, Deutsche, Russen, Chinesen, Amerikaner und Ägypter). Jedes Spielplanteil –bis auf das Startspielplanquadrat des jeweiligen Volkes- wird zu Spielbeginn verdeckt ausgelegt und so kann man nicht sehen, welche geographischen Gegebenheiten diese Spielplanteile bergen -> sie sind sozusagen noch unerforscht. Zieht man jedoch im Verlauf des Spiels auf ein solches Spielplanteil, so wird dieses umgedreht.
Nun stellt jedes Volk, das am Spiel teilnimmt, noch eine Hauptstadt, eine Armee und einen Scout auf ihr eigenes Startspielplanteil……und schon kann es mit dem Spiel losgehen:
Eine Runde hat mehrere Phasen, die wie folgt aussehen:
1) Start der Runde
2) Handel
3) City Management / Städteverwaltung
4) Bewegung
5) Forschung
Das Spiel schreitet so lange Runde für Runde voran, bis eines der Spielziele erreicht ist. Die Spielziele sind: Militärischer Sieg (Ein Spieler gewinnt, wenn er die Hauptstadt eines Gegners eliminiert bzw. einnimmt), kultureller Sieg (ein Spieler gewinnt, wenn er das letzte Feld der Kulturpunkteleiste erreicht), ökonomischer Sieg (ein Spieler gewinnt, wenn er 15 ökonomische Punkte sammeln kann oder Sieg durch Forschung (ein Spieler ist der erste Spieler der Tech Stufe 5 = Space Flight erreicht).
Doch nun kurz (!) zu den Bestandteilen einer jeden Phase:
[b]Phase 1: Start der Runde: [/b]
In dieser Phase wechselt der Startspieler.
Neue Städte (hiervon gibt es insgesamt 2 pro Spieler, neben der Hauptstadt, und die zweite Stadt kann erst durch Forschung freigeschaltet werden) können nach gewissen Regeln gebaut werden.
Zudem kann die Regierungsform in dieser Phase geändert werden.
In der Regel wird diese Phase recht zügig gespielt, da es einfach nicht viele Überlegungen gibt: Bei der Staatsform weiß man meist schon von vornherein, ob man sie ändern möchte und gleiches gilt für den Städtebau.
Generell ist zu sagen: Jedes Volk hat seine individuellen Charakteristika (Deutsche sind recht kriegerisch, hingegen Ägypter wohl eher einen kulturellen Sieg anstreben dürften), aber auch Staatsformen bestimmen das Naturell eines Volkes und so sind Kommunismus und die Republik voneinander grundlegend verschieden und ermöglichen so unterschiedliche Zusatzeigenschaften.
[b]Phase 2: Handel[/b]
Diese Phase dürfte im 2 Personenspiel stellenweise fast vollkommen übersprungen werden und macht meines Erachtens auch erst in einem Spiel mit 3 oder 4 Mitspielern so richtig Sinn.
Allgemein kann man in dieser Phase erst einmal Handelspunkte sammeln. Diese befinden sich als Symbole auf dem Spielplan und jeder bekommt so viele Handelspunkte, wie es Handelspunktesymbole um seine Städte herum gibt. Hierbei zählt die direkte Nachbarschaft einer Stadt. Befindet sich in dieser ein Handelssymbol, so wird dies gezählt und die Gesamtsumme der so erhaltenen Handelssymbole auf das Drehrad seiner eigenen Charaktertafel übertragen. Handelspunkte werden später benötigt, um die Forschung voranzutreiben.
Des Weiteren kann man in der Handelsphase Abkommen mit anderen Spielern treffen. Hierbei kann es sich um den Tausch von Ressourcen oder um einen Nichtangriffspakt handeln etc.
Generell: Diese Runde spielt sich in der Regel auch recht flott.
Die Hauptaktionen und Entscheidungen werden nämlich in der nächsten Phase getroffen, dem City Management.
[b]Phase 3: City Management[/b]
In dieser Phase kann man 1 Aktion pro eigener Stadt machen. Mögliche Aktionen sind: Bau eines Scouts, Bau einer Armee, Anwerben von Soldaten, Bau neuer Gebäude, Bau eines Weltwunders, die Stadt der Kunst widmen, Erwerb einer Ressource.
Obwohl dies das strategische Kernelement des Spiels ist, kann ich hierbei nicht auf jeden Punkt einzeln eingehen, denn dies wäre zu viel des Guten. Es sei jedoch gesagt, dass sich in dieser Phase am meisten abspielt. In dieser Phase plant man den Ausbau seiner Stadt, man plant, ob man kriegerischer sich ausrichten möchte, oder vielleicht plant man auch, dass man ein paar Kulturpunkte erlangen möchte, um dadurch Vorteile zu erlangen.
Generell: Dies ist wohl die längste Phase des Spiels, denn jeder Zug sollte wohl überlegt sein. Man muss seine(n) Gegner sehr genau beobachten, um einem vermeintlichen Angriff genug Gegenwehr entgegen bringen zu können oder plant man vielleicht selbst einen Angriff (?), oder vielleicht baut man auch seine Stadt aus. Mit diesem Ausbau erhält die Stadt neue Optionsmöglichkeiten, die sie im Wettbewerb mit anderen Städten Vorteile verschaffen lässt.
Sollte man den Ausbau einer Stadt durch Gebäude planen so sei jedoch so viel gesagt: Es können nur diejenigen Gebäude (wie z.B. Hafen oder Handelsposten etc.) gebaut werden, die man in der Forschungsrunde (in Phase 5) auch zuvor erforscht hat.
Weiterhin kann man nur die Einheiten, Gebäude etc. bauen, für die man auch genügend Bausymbole in seinem Umfeld der jeweiligen Stadt hat. Hierfür schaut man sich zunächst die an seine Stadt angrenzenden Felder an und zählt Baupunkte in Form von Hammersymbolen. Will man nun einen Hafen bauen, so stellt man fest, dass dieser 7 Bausymbole benötigt. Habe ich nun bereits einen Hafen erforscht und besitze ich zudem mind. 7 Bausymbole im Umfeld meiner Stadt, so kann ich diesen Hafen ins Umfeld meiner Stadt bauen. Hierbei gibt es auch noch spezielle Bauregeln, die ich nicht weiter erläutern möchte. Nur so viel vielleicht: Nicht jedes Gebäude kann auf jedem Terrain gebaut werden.
Kommen wir nun zur nächsten Phase…
[b]Phase 4: Bewegung[/b]
In dieser Phase kann man jede seiner Einheiten bewegen. Normalerweise bewegen sich Einheiten 2 Felder. Hat man jedoch „Reiten“ bereits erforschst, so kann sich jede eigene Einheit um 3 Felder bewegen. Zieht man in seinem Zug auf eine fremde Stadt oder auf eine fremde Einheit, so kommt es zum Kampf.
Dieser ist meines Erachtens sehr trickreich vom Autor erfunden worden:
Neben der Plastikarmee auf dem Spielplan besitzt man Kampfeinheitskarten (Artillerie, Infanterie, Kavallerie und Flugeinheiten). Diese kann man in der City Management-Phase erwerben. Zieht man nun seine Plastikfahne auf eine gegnerische Plastikfigur oder in die Stadt, so kommen die Karten nun zum Einsatz. Die Fahne repräsentiert sozusagen die Armee an sich und die Karten repräsentieren jede einzelne Einheit bzw. jeder einzelne Einheitentrupp einer Armee. Der Verteidiger spielt hierbei eine Karte zuerst aus. Diese Karte besitzt einen Angriffswert. Der Angreifer kann sich nun entscheiden, ob er ebenfalls eine Karte gegen diese soeben ausgespielte Karte ausspielt und somit ein 1:1 Gefecht eingeht, oder ob er eine neue Front eröffnet, indem er seine Truppenkarte nicht direkt an die soeben ausgespielt Karte anlegt, sondern versetzt von dieser platziert. Spielt man eine Karte direkt gegen eine andere Karte aus, so werden Schadenspunkte verteilt und Einheiten können hierbei vernichtet werden. Hat man alle seine Karten, die man hierbei ausspielen darf, ausgespielt, und wurden alle eliminierten Karten bereits entfernt, so wird die Restgesamtstärke der verbliebenen Einheiten ermittelt. Ist diese beim Angreifer größer, so gewinnt er dieses Gefecht und bekommt ein paar „Goodies“ vom Verlierer, verliert er die Schlacht, so verliert er Einheiten.
Ingesamt kann man sagen, dass dieses Spiel-im-Spiel sehr taktisch gestaltet ist und richtig Spaß macht. Man sollte sich sehr genau überlegen, welche Karte man zuerst ins Rennen schickt und welche Karte man doch lieber erst später im Gefecht spielt.
Ingesamt machen Gefechte auf dieser Kartenausspielbasis wirklich sehr viel Spaß
Zu guter letzt gibt es da noch die Forschung:
[b]Phase 5: Forschung[/b]
In dieser Phase kann man neue Technologien erforschen. Hierbei hat sich der Autor auch einen sehr guten Kniff einfallen lassen: Es gibt unterschiedliche Forschungsstufen (1-5). Will man eine Forschung der Stufe 2 bauen, so muss man diese pyramidenähnlich auf 2 Karten der Forschung 1 anlegen/aufbauen. Will man eine Forschung der Stufe 3 durchführen so braucht man also 2 Karten der Forschungsstufe 2 und 4 Karten der Forschungsstufe 1, die man alle zuvor gebaut haben muss (man kann in einer Runde nur jeweils 1 Forschung betreiben).
Man kann sich also vorstellen, dass ein Sieg durch Forschungsstufe 5 (Space Flight) dementsprechend lange im Spiel dauert.
[b]Fazit: [/b]
Als Fan des PC-Spiels war ich doch recht skeptisch, ob man diese PC-Spiel auf ein Brettspiel so übertragen kann, damit man den gleichen Reiz des PC-Spiels erlebt, ohne dass dabei das Brettspiel überladen wirkt. Dies ist dem Autor bestens gelungen. Bei „Civilization, the Boardgame“ handelt es sich um ein Spiel, das einen enormen Widerspielreiz auf mich ausübt. Der Grund liegt in der immer unterschiedlichen strategischen Ausrichtung des eigenen Volkes: Will man kriegerisch sein oder ist es vielleicht besser diplomatisch sich zu verhalten, um einen kulturellen Sieg anzusteuern, oder will man gar die Forschung vorantreiben, um das Rennen zum ersten Flug ins All zu gewinnen. Die strategischen Möglichkeiten sind hierbei vielfältig. Man versinkt förmlich in das Spiel und nach jedem Spiel weiß man mit Sicherheit, was man das nächste Mal anders machen möchte. Der Widerspielreiz ist auch deswegen so hoch, da man zu Spielbeginn ein spezifisches Volk zugelost bekommt. Hat man also zuvor mit den Deutschen einen militärischen Sieg errungen, so bedeutet dies nicht gleich, dass man die gleiche Strategie bei den Ägyptern spielen kann. Natürlich kann man dies probieren, nur wäre dies ratsam? Andauernd muss man im Spiel beobachten was der Gegner macht. Übersieht man, dass dieser „heimlich“ aufrüstet und rüstet man nicht dagegen, so kann dies fatale Folgen haben. Es sei auch angemerkt, dass es sich hierbei nicht ausschließlich um ein Eroberungsspiel handelt. Der militärische Sieg geht zwar in diese Richtung, aber ich habe schon einige Partien erlebt, bei der ich hoffnungslos militärisch unterlegen war und glaubte, dass ich keine Chance mehr auf den Spielsieg hätte, aber durch ein Umstellen der Strategie (Wechsel zum Ausbau der Forschung) nur eine hauchdünne Niederlage erlitten habe (eine Runde später und ich hätte gewonnen ;-) ).
Man taucht förmlich in das Spiel hinein, ist emotional mitgenommen, wenn eine Strategie fehl schlägt oder fühlt sich bestätigt, wenn eine Strategie Erfolg hat.
Eines sei jedoch erwähnt: Das Spiel ist ein aggressives Spiel. Personen, die bevorzugt eher Spiele spielen, bei denen man nicht direkt mit dem Gegner konfrontiert wird (wie z.B. Agricola, Puerto Rico etc.), sei davon abgeraten. Mir machen Agricola, Puerto Rico etc. riesen Spaß und es handelt sich hierbei um top Spiele, mir machen aber auch auf der anderen Seite Eroberungsspiele Spaß. Hierbei kann man den Zug des Gegners u.U. nur bedingt verstehen oder beeinflussen. Personen, die also der Meinung sind, dass alle immer nur gegen sie selbst spielen, sei demnach von diesem Spiel abgeraten, denn es kann im Spiel generell „ungemütlich“ werden ;-)
Die Spieldauer ist zu Beginn noch etwas lange. Das Regelerklären dürfte so 45 Minuten in Anspruch nehmen und eine Partie 3-5 Stunden dauern. Handelt es sich hierbei um Spieler, die das Spiel bereits kennen, so kann das Spiel deutlich zügiger gespielt werden.
Was mich an dem Spiel reizt ist, dass man nie auslernt. Nach jeder Partie habe ich bereits im Kopf, was ich es das nächste Mal „besser“ machen möchte. Ob dies dann wirklich eine Verbesserung ist, oder ob man dies dann wirklich so umsetzen kann, wie man sich zuvor gedacht hat, ist natürlich eine andere Sache…. ;-)
Alles in allem handelt es sich bei „Civilization, the Boardgame“ von Kevin Wilson nicht um eine Neuauflage der bereits vorhandenen Civilization Brettspiele, sondern um ein völlig neu gestaltetes Spiel.
[b]Die Umsetzung ist genial gelungen und so handelt es sich bei dem Brettspiel um eines der besten Brettspiele, das ich in den letzten Jahren gespielt habe, und so gebe ich die volle Punktzahl für dieses Brettspiel. [/b]
Momentan ist es nur auf Englisch verfügbar, aber der Heidelberger Spielverlag wird wohl dieses Spiel in 2011 in Deutsch auf den Markt bringen. Bei der derzeit verfügbaren englischen Version sind doch einige Kartentexte in Englisch vorhanden. Diese sind zwar leicht verständlich und dürften mit „Basiswissen“ Englisch rel. leicht zu verstehen sein, dennoch sind die Texte auf Englisch. Hat jemand da Probleme mit, dann sollte man einfach auf die deutsche Version warten.
Bei dem Spiel handelt es sich meines Erachten nicht um ein einfaches Familienspiel, denn dafür ist die Anleitung schon viel zu lange (32 Seiten), die Spieldauer beträgt mehr als 90 Minuten und viele Zusammenhänge im Spiel greifen erste nach mehrmaligem Spielen.
Für ambitionierte Spieler dürfte das Spiel aber keine größere Herausforderung darstellen.
Alles in allem kann ich diese Spiel jedem nur wärmstens empfehlen, der:
[ol]
[*] das PC-Spiel bereits kennt und mag
[*] „Through the Ages“ / “Im Wandel der Zeit“ nicht zu langweilig findet
[*] sich vor konfliktreichen Spielen nicht scheut
[*] Aufbaustrategie- und Eroberungsspiele mag
[/ol]
Eine Vorstellung des Spiels per Video findet man z.B. hier:
http://www.youtube.com/watch?v=OrBauG5FhZA
Die englische Spielregel kann auf FFG heruntergeladen werden:
http://www.fantasyflightgames.com/ffg_content/civilization/support/civilization-rules.pdf