Beitragvon Roman Pelek » 13. Januar 2005, 20:16
Hi plizer,
plizer schrieb:
>
> Also es geht um die Produktion eines eigenen Spieles. Das
> Spiel befindet sich in der Testphase und die Kostenrechnung
> für die Produktion ist so gut wie abgeschlossen. Nun ist die
> Frage, ob das Risiko um das alles produzieren zu lassen sich
> lohnen wird und wie der Preis anzusetzen ist.
>
> Der Vertrieb würde fast ausschließlich über das Internet
> abgewickelt werden:
> - Eigene HP für das Spiel mit Direktbestellung
> - ebay
Hm, das is m. E. eine recht dünne Basis, auch wenn es heutzutage sicherlich einfach ist, die Aufmerksamkeit über das Internet auf sich zu ziehen. Ich würde, falls Du es auf diesem Wege machst, auf jeden Fall die Kooperation mit Internetversendern anstreben. Bei einer eigenen HP und eBay werden nämlich nur die Leute Dein Spiel finden, die gezielt danach suchen, aber kein potenzieller Käufer darauf aufmerksam werden, der noch nix davon gehört hat.
> Um auf das Spiel aufmerksam zu werden, wären natürlich Tests
> auf Internetseiten und Zeitschriften sehr vorteilhaft. Evtl.
> auch Forumbeiträge, weiss aber nicht wie das so ankommen würde.
Dazu musst Du ein gewisses Kontingent an Rezensionsexemplaren vorhalten. Selbst wenn Du sie als Kleinverleger nicht kostenfrei, sondern zum eigenen EK weitergibst (wobei ich bei untenstehenden VKs überlegen würde, sie evtl. kostenfrei zu vergeben), bringen sie Dir keinen Gewinn, der Investitionen an anderer Stelle abfedern kann, zudem hast Du Versandkosten dafür. Der Nutzen sollte die Kosten zwar deutlich überwiegen, aber ich glaube, dass das noch in Deiner Rechnung fehlt. Der Break-Even dürfte also realiter etwas höher liegen.
> Nun frage ich euch, ob sich das ganze Risiko überhaupt lohnt,
> da ich um den Breakeven-Point zu erreichen ca. 800 Exemplare
> verkaufen muss, da die Porduktion natürlich nicht so billig
> ablaufen kann, wie bei großen Verlägen. Wie realistisch ist
> dies?
S.o., wenn Du vermutlich >=1000 Exemplare absetzen musst, ist das schon kein Pappenstiel, gerade wenn Du vertriebsmäßig so eng begrenzt vorgehen willst. So wie von Dir angedacht würde ich davon abraten, aber wenn Du die Vertriebswege erweiterst und entsprechend auch Werbung in Form von Rezensionsexemplaren betreibst, kann es aufgehen - sofern das Spiel es hergibt. Ich würde an Deiner Stelle das Terrain sorgfältig sondieren, bevor Du investierst (was Du ja gerade ganz gelungen angefangen hast ;-) ), damit Du's nachher nicht bereust. Denn diesen Frust kann man sich bei bedachter Vorgehensweise ersparen, und es gibt mit Sicherheit genug Leute hier, die Dir gerne helfen.
> Weitere Frage: Wäre ein Preis von 16,99€ (2 Spieler) und
> 24,99 (4 Spieler) für ein Spiel mit:
> - 156 Karten (3 verschiedene Größen) (312 bei 4 Spieler)
> - 60 Spielsteinen (120 bei 4 Spieler)
> - Anleitung
> - Holzverpackung für das gesamte Spiel
Aus der Ferne rein mengenmäßig betrachtet klingt das realistisch. Wobei mir auffällt, dass Du eine sehr große Kartenmenge verwendest und Du das Spiel in zwei Versionen anbieten möchtest.
Da ich Dein Spiel leider nicht kenne, kann ich nur sehr Allgemeines (insofern vielleicht auch in Deinem Fall Falsches) dazu sagen, dennoch soviel: Überlege Dir, ob Du die Kartenmenge reduzieren kannst und dafür das Spiel um einen weiteren (auch optischen) Aspekt (z. B. Spielplan) bereichern. Auch erscheint mir eine Kartenmenge von 312 handlingtechnisch problematisch zu werden. Zudem: Braucht das Spiel wirklich 3 verschiedene Kartengrößen oder lässt sich das vereinheitlichen oder alternativ (evtl. auch kostensparend) über Stanzpappe regeln? Tut eine Holzverpackung, die viel kostet und evtl. mehr Wertigkeit widerspiegelt, als es das Material hergibt, wirklich Not oder tut es eine einfache Stülpschachtel aus Pappe (wobei man diese natürlich mit Illustrationen versehen muss, was auch wieder kostet)? Auch würde mir sehr genau überlegen, ob das Spiel wirklich zwei Versionen braucht. So wie es für mich klingt, könnte das Spiel zu viert auch mit zwei 2er-Versionen spielbar sein. Dann würde ich, um den Verwaltungs-/Konfektionierungsaufwand zu reduzieren und um vom Absatz her nicht gesplittet kalkulieren zu müssen, ein 2er-Spiel auf den Markt bringen, dessen Regel auch die 4er-Version beinhaltet, die aber zum Spielen den Kauf eines 2. Exemplars bedingt.
> Das Spiel ist ein Strategiespiel vom Mittelaltar bis vor
> wenigen Jahrhunderten. Nicht ganz so simpel wie Siedler oder
> San Juan o.ä. aber dafür meiner Meinung nach tiefere
> Strategien und Abwechslung.
Nichtsdestotrotz musst Du Dich immer fragen: geht's nicht noch einfacher, noch eleganter? Nicht alles, was komplizierter ist, ist auch wirklich tiefgründiger oder komplexer - die Kunst beim Spieleerfinden ist ja gerade, mit wenigen Voraussetzungen, wenig Drumherum, ein Füllhorn an Möglichkeiten auszuschütten. Und mit jeder weiteren Zeile Regel, mit jedem neuen Material, jeder weiteren (Sonder-)Karte schränkst Du Deinen Interessentenkreis von vorne herein ein - denn ein auch ein kompliziertes Spiel zu spielen mag letztlich ein Vergnügen sein, es kennen zu lernen kann hingegen abschreckende Arbeit darstellen, die von den Verkaufszahlen her nur zu wenige auf sich nehmen wollen.
Wie Michael schon warnte: überschätze nicht die Geduld der Freaks, auch bei Spielern gibt's viele "Hopp oder Topp"-Entscheidungen aus dem Bauch heraus, da auch der engagierteste Spieler einer Fülle von >300 Neuerscheinungen pro Jahr nie und nimmer Herr werden kann und rigoros vorselektiert. Da fällt notgedrungenerweise einiges auch zu Unrecht hinten runter, weil manche ad hoc nicht ins Spiel reinfanden und sich das dann weiterverbreitet, woraufhin andere dann gleich die Finger davon lassen.
Zu guter Letzt, gerade da Du weiter unten schriebst, dass zwei Hauptgründe gegen einen renommierten Verlag waren, dass es zu lange dauert und sie stark verändert werden, noch zwei Tipps dazu:
Viel Geduld und einen langen Atem musst Du auch bei Eigenregie aufbringen, Voreiligkeit wirst Du so oder so bereuen, denn ein eventuell nicht ganz ausgereiftes Spiel wird sich auch im Eigenverlag nicht gut verkaufen - dazu ist mittlerweile die Konkurrenz zu groß und dementsprechend sind die Qualitätsstandards in der Szene auch für freakorientierte Kleinserien sehr hoch. Bleibst Du da drunter, werden Dir zwar sicherlich Leute helfen, Deine Fehler nachträglich zu analysieren und zu korrigieren, damit's beim nächsten Mal nicht so wird - aber auf den unverkauften Exemplaren des ersten Versuchs sitzt Du selber.
Zu der Angst vor zu starken Veränderungen des eigenen Spiels - es gibt zwei Hauptursachen für solche Extreme, wenn sie passieren: entweder Dein Spiel war in vorliegenden Form bei weitem nicht optimal, auch wenn die Idee stimmte, oder Du hast das falsche Spiel dem falschen Verlag angeboten. Beides kannst Du vorab selbst vermeiden, wenn Du Dein Spiel möglichst breit testen lässt und Dir gewiss bist, was Du möchtest und wer für Dich der richtige Ansprechpartner ist. Und, wie ebenfalls bereits von anderen gesagt, gilt: jedes Spiel kann man verbessern, und da hilft Input von Außen sehr viel, weil es neue Ideen aufzeigt an Stellen, an denen man selbst nicht weitergekommen ist oder an die man gar nicht gedacht hat. Ich würde somit positiv an die Sache herangehen, denn schließlich gibt’s für jeden wirklich positiven Aspekt im Spiel genügend sachliche Argumente, mit denen man ihn verteidigen kann, wenn ihn jemand „zu Unrecht“ in Frage stellt. Ich persönlich zumindest hätte keine allzu großen Befürchtungen, dass mir jemand eine wirklich gute Idee ad absurdum führt, wenn ich als Autor ein sauber getestetes Spiel präsentieren kann - aber das ist sehr viel Arbeit, die vom Aufwand her gerne unterschätzt wird, womit wir wieder bei der Geduld wären ;-)
Nun denn, sorry, dass es etwas länger und damit unleserlicher wurde. Da's leider nicht immer mit Ja/Nein oder Schwarz/Weiß geht, wurd's etwas ausführlicher, ich hoffe, es hilft Dir bei Deinen Überlegungen...
Ciao,
Roman