Moin,
am Samstag ist endlich eine 4er-Runde "Wealth of Nations" zustande gekommen. Die Regeln sich recht eingänig und einfach, aber die arg abstrakte Optik konnte bei uns keine rechte Spielatmosphäre aufkommen lassen. Ein passendes Thema und damit eine thematische Umsetzung hätte dem Spiel gut getan. So sind es eben fünf verschiedene Warenmärkte und man selbst eine undefinierte Industrie-Nation, die da werkelt, um möglichst effektiv in Produktionsanlagen zu investieren. Ich habe mich eher als Investor-Firmendirektor bei der Arbeit gefühlt.
Grösste Hürde bei uns war, dass man zu Anfang noch recht keinen Plan hat, was man dann jetzt machen soll. Welche Startpakete spielen gut zusammen, welche erste Industrien sollte man bauen? Monopol oder möglichst vielseitig? Wann braucht man Geld produzierende Banken? Wenn und wieviel von welcher Warensorte sollte man selbst produzieren, welche lieber ankaufen oder tauschen? Dazu kommt das Waren-Managment, das man im Kopf durchführen muss. Welche Waren brauche ich in welcher Anzahl, um was zu bauen und produzieren zu lassen?
Erst in der zweiten Spielhälfte machte es "klick" und die Verzahnung und Wertigkeit der Industrien war klar. An der Stelle hätten wir eigentlich abbrechen und neu starten müssen. Allerdings war bis dahin schon etliche Spielzeit vergangen, da sich das Spiel besonders in der Trade-Phase arg ziehen kann, da jeder eben immer nur eine Aktion machen kann. Da muss man den Überblick behalten können, um als Handelspartner ansprechbar zu sein. Zudem entstehen ab der zweiten Spielhälfte Produktionsketten, die man selbst erstmal überblicken muss. Weil was man produziert, kann man als Betriebsmittel für andere Produktionen der selben Produktionsphase einsetzen, braucht die also nicht vorher teuer gekauft oder getauscht zu haben.
Zudem belohnt einen das Spiel nicht gerade in der Anfangsphase. Man sieht kaum, dass sich da etwas aufbaut. Stattdessen macht man notgedrungen immer mehr Schulden und muss teuer Waren dazukaufen. Bis man da in die Gewinnzone kommt, das dauert. Das kann anfangs etwas frustrieren. Fast hätten wir das Spiel deshalb schon abgebrochen.
Phasenweise (wenn es dann lief), hat uns das Spiel aber durchaus Spass gemacht. Allerdings ist es besonders für Anfänger arge Kopfarbeit, für die man sich Zeit und Ruhe fern Hektik nehmen muss. Ein zu wenig eingeplanter Warenstein kann da eine Produktionsphase vernichten und einen als Spieler arg zurückwerfen (sofern die Mitspieler nicht ebenso Fehler machen und nicht optimal spielen). Mit ein mehr nachdenken oder planen kann man das aber vermeiden. Denkt man aber zu lange, dann hält man das Spielgeschehen nur auf. Ein Sichtschirm inklusive bessere Planungstabelle wäre da ideal, da ansonsten die anderen Spieler anhand der Warenvorsortierung erkennen können, was man vorhat.
Erschwerend kam dazu, dass die Spielerflaggen recht bunt sind und man leicht den Überblick auf den farbigen Industrie-Plättchen verlieren kann. Weniger oder anders wäre hier mehr und besser gewesen. Ansonsten ist das Material funktionell, aber eben arg abstrahiert.
Die Schuldscheine hatten bei uns eigentlich nur als Notnagel-Geldbeschaffungsquelle gedient, wenn man anders nicht schnell genug Kapitalvermögen zum Einkauf aufbringen konnte. Wurden eher widerwillig genommen, da man die ja spätestens in der letzten Spielrunde sowieso zu erhöhten Kosten zurückzahlen (will man keine Siegpunkt-Abzüge hinnehmen) und bis dahin auch noch ausreichend lequide sein muss. Da nützt das in Produktionsketten angelegte Geld überhaupt nichts. Deshalb sind zu viele Schuldscheine eher schlecht und Augenmass ist gefragt. Wir hatten pro Spieler zwischen einen (später sogar zurückgezahlt) und sechs Schuldscheine.
Das eigentliche Spiel findet aber wirklich auf dem Spielplan statt und weniger in der Trade-Phase. Wer auf dem Spielpan gut und überlegt (!) seine Industriegebiete absteckt und gezielt aggressiv gegen die Mitspieler spielt (sofern es auch zum eigenen Vorteil ist), der hat das Spiel in der Hand - zumindest wenn er den Warenbedarf seiner Industrien richtig vorgeplant hat. Die Trade-Phase hält leider arg auf. Eventuell kann man das mit Spielerfahrung ab der zweiten Partie aber beschleunigen.
Mein erstes Fazit: "Wealth of Nations" will und muss in der ersten Spielpartie entdeckt werden. Dazu muss man die nötige Zeit mitbringen und auch bereit sein. Erst ab der zweiten Partie kann man wirklich "mit einem Plan im Kopf" das Spiel beginnen. Auf diese zweite Partie freue ich mich schon.
Allerdings gibt es massig andere Spiele, die weitaus zugänglicher sind und einen mit mehr Spielspass direkt belohnen, so dass es "Wealth of Nations" eher schwer haben wird, öfters auf den Tisch zu kommen... leider. Meine Kaufempfehlung für alle Freunde von Wirtschaftsspielen, bei denen man mehr denken als spielen muss und die dazu eine passende Spielrunde finden.
Cu/Ralf