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[PEEP] Wealth of Nations: Erster Spieleindruck

Kritiken und Rezensionen: Wie ist Spiel XY?
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ravn

[PEEP] Wealth of Nations: Erster Spieleindruck

Beitragvon ravn » 6. Juli 2008, 04:30

Moin,

am Samstag ist endlich eine 4er-Runde "Wealth of Nations" zustande gekommen. Die Regeln sich recht eingänig und einfach, aber die arg abstrakte Optik konnte bei uns keine rechte Spielatmosphäre aufkommen lassen. Ein passendes Thema und damit eine thematische Umsetzung hätte dem Spiel gut getan. So sind es eben fünf verschiedene Warenmärkte und man selbst eine undefinierte Industrie-Nation, die da werkelt, um möglichst effektiv in Produktionsanlagen zu investieren. Ich habe mich eher als Investor-Firmendirektor bei der Arbeit gefühlt.

Grösste Hürde bei uns war, dass man zu Anfang noch recht keinen Plan hat, was man dann jetzt machen soll. Welche Startpakete spielen gut zusammen, welche erste Industrien sollte man bauen? Monopol oder möglichst vielseitig? Wann braucht man Geld produzierende Banken? Wenn und wieviel von welcher Warensorte sollte man selbst produzieren, welche lieber ankaufen oder tauschen? Dazu kommt das Waren-Managment, das man im Kopf durchführen muss. Welche Waren brauche ich in welcher Anzahl, um was zu bauen und produzieren zu lassen?

Erst in der zweiten Spielhälfte machte es "klick" und die Verzahnung und Wertigkeit der Industrien war klar. An der Stelle hätten wir eigentlich abbrechen und neu starten müssen. Allerdings war bis dahin schon etliche Spielzeit vergangen, da sich das Spiel besonders in der Trade-Phase arg ziehen kann, da jeder eben immer nur eine Aktion machen kann. Da muss man den Überblick behalten können, um als Handelspartner ansprechbar zu sein. Zudem entstehen ab der zweiten Spielhälfte Produktionsketten, die man selbst erstmal überblicken muss. Weil was man produziert, kann man als Betriebsmittel für andere Produktionen der selben Produktionsphase einsetzen, braucht die also nicht vorher teuer gekauft oder getauscht zu haben.

Zudem belohnt einen das Spiel nicht gerade in der Anfangsphase. Man sieht kaum, dass sich da etwas aufbaut. Stattdessen macht man notgedrungen immer mehr Schulden und muss teuer Waren dazukaufen. Bis man da in die Gewinnzone kommt, das dauert. Das kann anfangs etwas frustrieren. Fast hätten wir das Spiel deshalb schon abgebrochen.

Phasenweise (wenn es dann lief), hat uns das Spiel aber durchaus Spass gemacht. Allerdings ist es besonders für Anfänger arge Kopfarbeit, für die man sich Zeit und Ruhe fern Hektik nehmen muss. Ein zu wenig eingeplanter Warenstein kann da eine Produktionsphase vernichten und einen als Spieler arg zurückwerfen (sofern die Mitspieler nicht ebenso Fehler machen und nicht optimal spielen). Mit ein mehr nachdenken oder planen kann man das aber vermeiden. Denkt man aber zu lange, dann hält man das Spielgeschehen nur auf. Ein Sichtschirm inklusive bessere Planungstabelle wäre da ideal, da ansonsten die anderen Spieler anhand der Warenvorsortierung erkennen können, was man vorhat.

Erschwerend kam dazu, dass die Spielerflaggen recht bunt sind und man leicht den Überblick auf den farbigen Industrie-Plättchen verlieren kann. Weniger oder anders wäre hier mehr und besser gewesen. Ansonsten ist das Material funktionell, aber eben arg abstrahiert.

Die Schuldscheine hatten bei uns eigentlich nur als Notnagel-Geldbeschaffungsquelle gedient, wenn man anders nicht schnell genug Kapitalvermögen zum Einkauf aufbringen konnte. Wurden eher widerwillig genommen, da man die ja spätestens in der letzten Spielrunde sowieso zu erhöhten Kosten zurückzahlen (will man keine Siegpunkt-Abzüge hinnehmen) und bis dahin auch noch ausreichend lequide sein muss. Da nützt das in Produktionsketten angelegte Geld überhaupt nichts. Deshalb sind zu viele Schuldscheine eher schlecht und Augenmass ist gefragt. Wir hatten pro Spieler zwischen einen (später sogar zurückgezahlt) und sechs Schuldscheine.

Das eigentliche Spiel findet aber wirklich auf dem Spielplan statt und weniger in der Trade-Phase. Wer auf dem Spielpan gut und überlegt (!) seine Industriegebiete absteckt und gezielt aggressiv gegen die Mitspieler spielt (sofern es auch zum eigenen Vorteil ist), der hat das Spiel in der Hand - zumindest wenn er den Warenbedarf seiner Industrien richtig vorgeplant hat. Die Trade-Phase hält leider arg auf. Eventuell kann man das mit Spielerfahrung ab der zweiten Partie aber beschleunigen.

Mein erstes Fazit: "Wealth of Nations" will und muss in der ersten Spielpartie entdeckt werden. Dazu muss man die nötige Zeit mitbringen und auch bereit sein. Erst ab der zweiten Partie kann man wirklich "mit einem Plan im Kopf" das Spiel beginnen. Auf diese zweite Partie freue ich mich schon.

Allerdings gibt es massig andere Spiele, die weitaus zugänglicher sind und einen mit mehr Spielspass direkt belohnen, so dass es "Wealth of Nations" eher schwer haben wird, öfters auf den Tisch zu kommen... leider. Meine Kaufempfehlung für alle Freunde von Wirtschaftsspielen, bei denen man mehr denken als spielen muss und die dazu eine passende Spielrunde finden.

Cu/Ralf

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Frank

Re: [PEEP] Wealth of Nations: Erster Spieleindruck

Beitragvon Frank » 6. Juli 2008, 08:43

>>Weil was man produziert, kann man als Betriebsmittel für >>andere Produktionen der selben Produktionsphase >>einsetzen, braucht die also nicht vorher teuer gekauft >>oder getauscht zu haben.

Das ist m.E. falsch. Laut Regel darfst Du genau dies für Nahrung, Energie und Erz NICHT tun.
Zu Arbeit und Kapital schweigt die Regel, was darauf hin deutet, dass es dort möglich ist.

Gruß
Frank

PS: Danke für den ausführlichen PEEP!

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Attila
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Re: [PEEP] Wealth of Nations: Erster Spieleindruck

Beitragvon Attila » 6. Juli 2008, 08:49

Hiho,

Das ist nicht nur nach deiner Ansicht so, das ist definitiv so! - Was man produziert, darf man nicht gleich wieder für eine andere Produktion nutzen.

Atti

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ravn

Re: [RF] Wealth of Nations: Startpakete untereinander

Beitragvon ravn » 6. Juli 2008, 12:35

Attila schrieb:

> Was man produziert, darf man nicht gleich wieder für
> eine andere Produktion nutzen.

Stimmt. Danke für den Hinweis. Steht auch so fett gedruckt in der Spielregel. Wir hatten das "'t" von "can't" überlesen. Dabei hatte ich den Punkt extra nachgeschlagen, weil genau diese Ruckfrage kam.

Heisst dann aber auch, dass die Vorausplanungen einfacher werden, da es keine Produktionsketten gibt. Damit wird die Planungsphase weniger kopflastig, da man immer alles für die Produktion in der Trade-Phase vor einem ausliegen haben muss. Damit wird die Trade-Phase allerdings aktiv ausgespielt länger, da man mehr Fehlwaren einkaufen/eintauschen muss.

[RF]: Müssen die Industrien aus mehreren Startpaketen eines Spieles ein zusammenhängendes Gebiet ergeben? Oder könnte man mit dem zweiten Industrie-Startpaket an anderer Spielplanstelle diese unabhängig (aber in sich für das jeweilige Startpaket zusammenhängend) vom ersten Industriegebiet legen?

Weil letzteres gebe den in Spielreihenfolge hinteren Spielern einen Vorteil, da sie die Chance haben, zwei Industrie-Startpakete zu legen (wovon es ja nur sechs für alle Spieler gibt).

Bin gespannt, wie sich "Wealth of Nations" richig spielt. Hoffe, wir haben nicht noch andere Detailfehler gemacht. Wie sind Eure Spielerfahrungen bisher?

Cu/Ralf

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ravn

Re: [RF] Wealth of Nations: Antworten

Beitragvon ravn » 7. Juli 2008, 01:06

ravn schrieb:

> [RF]: Müssen die Industrien aus mehreren Startpaketen eines
> Spieles ein zusammenhängendes Gebiet ergeben? Oder könnte man
> mit dem zweiten Industrie-Startpaket an anderer
> Spielplanstelle diese unabhängig (aber in sich für das
> jeweilige Startpaket zusammenhängend) vom ersten
> Industriegebiet legen?

Ich antworte mir mal selbst. Eventuell kann noch jemand anders davon profitieren...

In der Regel steht es nicht expliziert drin, aber wohl auch, da die Autoren von fünf Spielern als Optimum ausgehen und man dann sowieso nur ein Industrie-Startpaket erhählt. Auf BGG habe ich die Antwort gefunden (keine Ahnung, ob offiziell), dass eigene Startpakete ein Gebiet ergeben sollen, sofern möglich. Alles andere wäre auch nur ein (unfairer) Vorteil für die Spieler, die überhaupt im 3- oder 4-Personenspiel die Chance haben, ein zweites Industrie-Startpaket zu wählen. Neue Industrien anbauen ist ja im Spiel auch nur angrenzend möglich, sofern man nicht für den Regelbruch extra zahlt.

Andere, bestätigende oder gegenteilige Meinungen?

Cu/Ralf

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ravn

Re: [PEEP] Wealth of Nations: Zweiter Spieleindruck

Beitragvon ravn » 7. Juli 2008, 01:46

Gestern am Sonntag die zweite Partie. Diesmal in Dreierrunde mit neuen Mitspielern. Allerdings konnten die von meiner ersten Partie zu Viert profitieren, da ich sie mit Taktiktipps für den Start versorgt habe und Einschätzungen, was wichtig und was eher unbedeutend im Spielverlauf sein kann.

Mit Beachtung der Regel "keine produzierten Waren in der selben Produktionsphase als Betriebsstoffe einsetzen" war die Planung in der Trade-Phase wesentlich einfacher und entspannter zu spieler. Wir haben immer kleine Holzklotz-Grüppchen gebildet, was jeder für sich so für den Bau neuer Industrien und die Versorgung der vorhandenen brauchen wird. Damit wird es auf einem Blick klar, was man noch braucht und was man loswerdne darf. Flüchtigkeitsfehler gab es damit auch nicht mehr.

Zu Dritt spielt sich die Trade-Phase auch wesentlich straffer. Schlicht weil der aktive Spieler nur zwei potentielle Handelspartner hat. Nach meinen Tipps hatte auch nicht direkt jeder versucht, alle Industriezweige selbst zu bauen. Stattdessen sich lieber erstmal auf ein bis zwei Industrien konzentrieren, die ausbauen und damit effektiver in der Produktion machen. Somit war die Trade-Phase auch recht klar.

Der eine Spieler hat Energie und Erz produziert, was die anderen beiden Spieler brauchten. Der eine hat ein Kapital-Monopol und dazu Arbeiter. Der letzte Spieler konnte vom Startpaket zweimal Nahrungs-Industrie wählen und hatte schnell 19 Nahrung für den Einsatz von 1 Energie. Das war schon heftig. Er konnte auch als Erster eine 3fach-Bank bauen, was 90 Dollar pro Runde brachte. Die anderen Spieler waren von ihm in Sachen Nahrung abhängig, was einen steten Geldfluss brachte oder Tauschwunsch erzeugte. Automatisierung schien zu dem Zeitpunkt noch zu teuer.

Zu dem Zeitpunkt meinte der Kapital-Arbeiter-Spieler leider, dass er keine Chance mehr hatte und wollte das Spiel mit massig Flaggeneinsatz schnell beenden, um zumindest Zweiter zu werden. Eine Fehleinschätzung, wie sich später zeigte. Er hätte lieber seine Kapital-Industrie weiter ausbauen sollen und dann mit einer 3fach-Bank ebenso kontern sollen. Zeitgleich keine Nahrung mehr vom Mitspieler kaufen, sondern übergangsweise vom Markt und dann automatisieren.

Für den Erz-Energie-Spieler blieb da leider keine Zeit mehr, um seine Produktion komplett zu automatisieren und die neugebaute 3fach-Bank brachte nur für eine Runde Geld ein. Danach war das Spielende erreicht. Viel zu früh.

In der Endabrechung hat der Nahrungs-Monopolist knapp mit 8 Siegpunkten mehr gewonnen. (Waren das die zwei Hexteile mehr aus den Startpaketen Nahrung?) Danach folgte der Kapital-Arbeiter-Spieler, der das Spielende herbeigeführt hatte. Diese 8 Siegpunkte hätte er aber locker in den kommenden Runden aufholen können, wenn er nicht 7 Flaggen auf einem Schlag gebaut hätte. Kapital-Klötzchen sind eben schlicht teurer und selbst wenn der Kapital-Markt am Boden ist, bekommt man immer noch mehr als für einen Nahrungs-Markt, der wegen dauernder Überproduktion überfüllt ist. Erinnerte 5 Siegpunkte dahinter war der Erz-Energie-Spieler (ich).

Im gesammten Spielverlauf brauchten wir keinen einzigen Schuldschein aufnehmen. Jeder konnte jede Runde mindestens eine neue Industrie bauen, teilweise sogar zwei und teilweise direkt in einer Runde mehrere Bauplätze durch Flaggen sichern.

Insgesamt haben wir gut zwei Stunden gespielt. Mir hat es Spass gemacht (obwohl ich Letzter wurde). Weitaus mehr als in der ersten Partie. Der Sieger war ebenso zufrieden. Dem Kapital-Arbeiter-Spieler hat es allerdings nicht gefallen, wohl auch ein Grund, warum er das Spiel beendet hat. Sehr schade, so eine Spielweise.

Zweites Fazit: Mit Neulingen würde ich eine 3er-Partie vorziehen. Eine 5er-Partie könnte auch interessant sein, aber nur, wenn jeder das Spiel kennt. Schlicht weil sich die Handelsphase sonst zu lange hinzieht wegen zu vieler potentieller Handelspartner. Das Spiel entscheidet sich nur bedingt auf den Märkten. Gezielte Manipulation von Märkten, Boykott von Monopol-Erzeugern und/oder führenden Spielern ist schnell gemacht und gespielt. Es ist der Handel unter Mitspielern dauert und Mitspieler, die erst anfangen zu denken, wenn sie am Zug sind. Entscheidender ist das Spielbrett, wer wie und wo wen im Industrie-Wachstum begrenzt. Weil das schafft erst die Voraussetzung für die Marktentwicklungen.

Es scheint viele Strategien zu geben, um Siegpunkte zu erzeugen. Die Startpakete geben aber schon die Richtung vor. Welche Kombinationen da sinnvoller als andere sind, kann man nur durch Spielpraxis einschätzen. Ebenso, welche Kombinationen man nicht unbedingt seinen Mitspielern überlassen sollte (Nahrungsmonopol?) und wenn doch, wie man dann gezielt dagegen spielt und trotzdem seinen vollen Vorteil hat. Gerne immer wieder. Für mich inzwischen ein wirklich gutes Wirtschaftsspiel mit einer aber nötigen Aha-Partie für den Einstieg.

Eure Spielerfahrungen?

Cu/Ralf


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