Beitragvon achim » 26. Dezember 2009, 00:43
Hallo Helmut,
es ist immer schade, wenn spielen als eine negatives Ereignis empfunden wird. Besonders schlimm wird es, wenn ein Spiel ein "Blender" ist, d.h. wenn es sich einer Zielgruppe anbietet, für die es eigentlich nicht taugt. Das macht Le Havre aber ganz und gar nicht. Le Havre will kein Spielchen für Zwischendurch für die ganze Familie sein. Le Havre ist ein tolles Spiel für die Zielgruppe, für die es entwickelt wurde. Wer sich bei diesem Spiel langweilt oder das gesamte Spiel nicht richtig versteht, sollte im eigenen Interesse das Spiel abrechen und etwas anderes spielen. Ich empfinde Le Havre als ein sehr gutes Spiel für Spieler die gerne etwas länger dauernde komplexe Spiele mögen. Wer komplexe Spiele bereits beim ersten Mal spielen gut beherrscht ist entweder ein Genie ein Selbsttäuscher oder das Spiel ist vielleicht doch nicht so komplex, wie es zunächst erscheinen mag. Warum wollen Spieler nach einigen Runden immer alles verstehen? Um Schach, Go, Shogi und viele andere Spiele voll zu begreifen, reicht häufig ein Menschenleben nicht aus. Was sind denn das für Spiele, die man nach ein, zwei Mal voll beherrscht? Mau Mau und Schwarzer Peter vielleicht? Welchen Anspruch an ein gutes Spiel hast Du denn? Dass es all seine Gewinnstrategien nach 60 Minuten Spiel gezeigt hat und nach weiteren 30 langweilig wird, oder dass es sich wie eine verführerische Rosenknospe langsam öffnet um nach einiger Zeit ihre volle Blüte zu entfalten. Ich glaube, ihr habt definitiv entsprechend euerer Erwartungshaltung das falsche Spiel ausgesucht. Es gibt doch auch so viele interessante Spiele, die eine kurze Spieldauer haben und sehr einfach zu verstehen und damit zu spielen sind, d.h. die Komplexität, also die Abhängigkeit der einzelnen Parameter zueinander ist viel geringer als bei Le Havre. Ich denke, "Die Tore der Welt" sind bestimmt geigneter für ein Spielchen an Weihnachten zwischen Kaffee und Kuchen und quengelnden Ehefrauen. "1829" wäre eher weniger geeignet und würde sich wahrscheinlich in solchen Spielerrunden bis Silvester hinziehen.
Was mir außerdem immer mehr auffällt, ist der Umstand, dass durch den sehr hohen Output an Novitäten und dem Drang möglichst viele davon jedes Jahr spielen zu wollen, die meisten hier (ich zähle mich durchaus auch mit dazu) verlernt haben, sich intensiv mit einigen wenigen Spielen längere Zeit zu beschäftigen. Nach zwei, drei Partien kommt schon wieder das nächste Spiel auf den Tisch, nach einiger Zeit weiß man schon die Regeln nicht mehr oder kann sich nicht mehr daran erinnern, welche Spiele man den nun schon gespielt hat und welche nicht.
Mein Schlußwort:
Jeder sollte das spielen, was ihm am meisten Freude bereitet; hat man einmal keinen Spaß mit einem Spiel muß nicht immer das Spiel daran Schuld sein, sondern kann durchaus auch daran liegen, einfach eine falsche Wahl getroffen zu haben. (Was aber auch nicht bedeuten soll, dass jedes Spiel jetzt gut ist.)
Gruß
achim