Beitragvon BNgK » 18. Februar 2011, 01:50
Heute traf ein Exemplar von "Die Burgen von Burgund" bei mir ein, obwohl ich ja eigentlich keine umfassenden Rezensionen mehr angehe, jedenfalls nicht wie gewohnt auf SpieLama oder dergleichen. Selbstredend kam das Ding direkt auf den Tisch und wurde hinterher noch ein wenig durchdacht. Um Ravensburger beziehungsweise Alea in eigener Sache meinen Dank auszusprechen und eine kleine Gegenleistung für das Exemplar anzubieten, möchte ich an dieser Stelle meine ersten ehrlichen Eindrücke schildern und euch überdies gleichzeitig die Kaufentscheidung ein wenig erleichtern:
Obwohl ich den Titel schon sehnlichst erwartet habe, war ich sehr skeptisch, ob er innovativ und grundsätzlich spielerisch fesselnd genug sein könnte, um in meinem Schrank zu verbleiben. Würfel als Aktionselement in Vielspielerspielen hatten wir ja nun schon. Tatsächlich spielt sich "Die Burgen von Burgund" aber sehr erfrischend, ganz anders als beispielsweise "Macao" vom selben Autor oder "Troyes", die beide aktuell wohl am ehesten einem Vergleich unterzogen werden werden. Durch zufällige Auslagen, Sonderplättchen und austauschbare Spielertableaus ist weiter Abwechslung garantiert und gleiches Spiel unmöglich.
Wege zu Punkten gibt es viele: Ob Verkauf von Waren, Bau prächtiger Gebäude oder effektive Viehzucht; dazu kommt das Fertigstellen zusammenhängender Regionen, was mehr Punkte abschmeißt, je größer das Gebiet ist, aber ebenso weitere, je früher im Verlauf des Spiels Gebiete vollendet werden. Dazu entsteht zusätzlich ein Wettkampf um begehrte Bonusplättchen, die für den jeweils ersten Spieler, der eine Farbe seines Tableaus komplett erschließt, besonders attraktiv sind; wer zu spät kommt, ergattert weniger bis gar nichts. Baut man gelbe Sechsecke in sein Fürstentum, werden zum Spielende bestimmte Strategien belohnt oder gewisse Mechaniken während des Spiels verbessert. Es scheint also wieder so, als wäre alles irgendwo effektiv und oft packen einen derartige Spiele aus diesem Grund nicht so richtig - hier muss man aber versuchen eine Linie durch sein Vorhaben zu ziehen und die wirklichen individuellen Knüller aus dem vielseitigen und starken Angebot erkennen... und auch noch bekommen! Am Ende sieht man sehr deutlich, wer das so richtig raus hat (mehr dazu weiter unten...).
Zwei Würfel geworfen und damit zwei Aktionen sind schnell gemacht. Zu Beginn war ich etwas verwirrt, es ging aber bereits nach den ersten zwei Spielrunden wesentlich schneller. Die versprochenen 30-90 Minuten halte ich aber dennoch für arg unrealistisch, pro Spieler sollte man mit etwa 30 Minuten rechnen - wir haben es also abhängig von der Spieleranzahl eher mit 60-120 Minuten zu tun, schnelle und erfahrene Spieler schaffen es gegebenenfalls ein ganz wenig zügiger. Trotzdem ist das eine überraschend und erfreulich kurze Spieldauer für ein derart komplexes Spiel! Der Bau bestimmter Gebäude oder ab und an getätigte Kauf aus dem Markt erspielt quasi einmalige Zusatzaktionen, so dass man mit wesentlich mehr als zwei Aktionen pro Zug beschäftigt und Gelegenheit zum Grübeln gegeben ist.
Schön, dass es einem das Glücksmoment dabei nicht versaut: Dieses wirkt auf mich noch geringer als bei den oben genannten Vergleichsartikeln. Man kann ausschließlich immer etwas sinnvolles mit den Würfeln anfangen, keine Augenzahl ist grundsätzlich besser oder schlechter. Zur Not wandelt man einen Würfel in zwei Arbeiterchips, die in folgenden Runden die Augenzahlen manipulieren lassen, was den Spielraum immens erweitert. Auch die Auslagen sind nicht dermaßen verschiedenartig, dass man gar nichts mehr richtig vorhersehen kann, wie es mir geelgentlich bei "Macao" vorkam.
Auch wenn es zu Beginn noch nicht so scheint, bietet das Spiel einiges an der für mich persönlich sehr wichtigen Interaktion: Das Bauen von Booten ändert die Spielerreihenfolge und damit das Zuvorkommen bei den wichtigen Plättchen - Fortgeschrittene können dies später im Spiel sehr sehr übel destruktiv nutzen. Wettkampf um Plättchen und das Vollenden von gleichfarbigen Regionen vor den Mitspielern zeigt sich auch erst später aber dann sehr deutlich als spielentscheidend! So baut zwar jeder für sich, aber die Verzahnung der Spielelemente weist mehr Interaktion auf, als manch anderes Handel und Wandel-Spiel.
Die Gestaltung gefällt mir zudem außerordentlich gut, das Spielertableau ist gut strukturiert und bietet eine zugängliche Übersicht über Aktionsmöglichkeiten und Sonderfunktionen wichtiger Plättchen. Oke, die Tableaus sind irgendwie wabbelig, mal schaun, ob ich die laminiere... Das Sortieren der vielen verschiedenfarbigen Plättchen geht übrigens doch schneller als gedacht und stört den Spielfluss überhaupt nicht - vorrausgesetzt, man hat eine Menge zusätzliche Tüten zu Hause herumfliegen. Achja. Es war ja mal von so einer Zusatzvariante für hartgesottene Profis die Rede - keine Ahnung, wo die abgeblieben ist...
Zusammengefasst behaupte ich, finden Anhänger der neuen Würfeltradition in Vielspielerspielen genau das, was sie sich nur wünschen können. Andere Vielspieler erwartet ein interessantes und ausgeklügeltes Strategiespiel mit sehr niedrigem Glücksanteil. Wer von Innovationen nicht genug bekommen kann wird trotzdem gewiss mehrere Partien beschäftigt, so dass man wohl in keinem Fall von einem Fehlkauf sprechen kann. Meiner Meinung nach sollte man sich "Die Burgen von Burgund" daher keinesfalls entgehen lassen!
Am besten wird es wohl zu dritt funktionieren, vermute ich: Zu zweit besteht die Gefahr, dass man etwas aneinander herspielt und die Interaktion zwangsläufig leidet, zu viert könnte es etwas lang werden und der Einfluss nimmt entsprechend ab.
In aller Deutlichkeit: Das sind meine Eindrücke nach nur einer einzigen Partie, immerhin mit dem Anspruch halbwegs durchdacht zu sein! ;)Ich wünsche euch allen ebenso viel Spaß mit "Die Burgen von Burgund", wie ich ihn heute erleben durfte und in vielen weiteren Partien ganz gewiss erleben werde! Ich habe übrigens recht überlegen mit 230 Punkten im Spiel zu dritt gewonnen! Sorry, Peter! :L
Alles Liebe,
Ben :)