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Spielentwicklung hinkt

Tipps und Tricks für Autoren und Illustratoren
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Bernd Eisen
Kennerspieler
Beiträge: 311

Spielentwicklung hinkt

Beitragvon Bernd Eisen » 4. Dezember 2005, 17:42

Hallo!

Ich wollte mal fragen wie ihr vorgeht wenn eine Spielidee sich nicht zu eurer Zufriedenheit entwickelt.

Es gibt mehrere Fälle in denen das auftreten kann:
- ihr habt eine Idee, die sich im Kopf schonmal wunderbar vorformen lässt, ein erster Test mit euch selbst stellt sich aber als "unspielbar" heraus.
- Tests mit euch selbst verliefen sehr gut, eine erste richtige Testrunde allerdings war ein Fiasko.
- es fehlt noch der gewisse Kick, damit ihr mit euerm Spiel zufrieden seid.

Das Problem ist: nach einem negativen Test fehlt doch sicher die Motivation überhaupt an der Idee weiter zu feilen.

Hilfreich kann sein: das Spiel "reifen" lassen, sprich ab in die Schublade und nach Jahren wieder mal dran setzen, aber man entwickelt lieber etwas ganz frisches, als einen "alten Schinken" hervor zu holen oder?

Möglicherweise holt man sich auch den Rat eines anderen Autoren - man setzt sich zusammen, testet und spricht darüber.

Was fällt euch dazu ein?

Grüße
Bernd

www.irongames.de

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Tobias / Glomeor

Re: Spielentwicklung hinkt

Beitragvon Tobias / Glomeor » 5. Dezember 2005, 00:01

Hi Bernd,

> - ihr habt eine Idee, die sich im Kopf schonmal wunderbar
> vorformen lässt, ein erster Test mit euch selbst stellt sich
> aber als "unspielbar" heraus.

Ich versuche in dieser Situation genau zu ergründen, was da in meinem Kopf genau so wunderbar ist. Manchmal ist's nur ein Spielgefühl und das passt überhaupt nicht zum Material des Tests. Ich versuche mich dann so frei wie möglich von irgendwelchen konkreten Ideen zu machen und fühle nur diesem Spielgefühl nach. (ui, das klingt aber esotherisch, trifft aber in etwa zu)


> - Tests mit euch selbst verliefen sehr gut, eine erste
> richtige Testrunde allerdings war ein Fiasko.

In dieser Phase gibt es für mich zwei mögliche Fälle. Entweder mir wird bewußt, dass das Spielprinzip aus einem bestimmten Grund nicht zieht (schlecht :-( ) oder dass das Spiel zu diesem Zeitpunkt nur starke technische Mängel hat (gut :-) , denn die lassen sich eher beheben). Der zweite Fall übt meist eine hohe Motivation auf mich aus.


> - es fehlt noch der gewisse Kick, damit ihr mit euerm Spiel
> zufrieden seid.

Wieder zwei Fälle. Entweder laufen "nur" die Mechanismen noch nicht ganz rund (gut :-) ) oder das Spiel ist ohne meine rosa Autorenbrille ziemlich öde und ich will's mir nicht eingestehen (schlecht :-( ). In diesem zweiten Fall zwinge ich mich nach erfolgreicher Erkenntnis das Spiel komplett neu zu denken und möglichst alles Halbgute in die Tonne zu treten und viel früher neu anzusetzen oder ggf. das Spiel ganz zu verwerfen. (Tut weh, aber meistens gut ;-) )


> Das Problem ist: nach einem negativen Test fehlt doch sicher
> die Motivation überhaupt an der Idee weiter zu feilen.

Wie bereits beschrieben, kommt das ganz darauf an. Vielleicht scheitert mal eine Testrunde total, aber das eigentliche Spielreizziel konnte deutlich hervortreten und das motiviert mich zum Weiterschrauben.


> Hilfreich kann sein: das Spiel "reifen" lassen, sprich ab in
> die Schublade und nach Jahren wieder mal dran setzen, aber
> man entwickelt lieber etwas ganz frisches, als einen "alten
> Schinken" hervor zu holen oder?

Ich habe schon manches Mal Spielideen in viele Teile zerlegt und in anderen Spielen untergebracht. Viele uralte, nie bis zum Ende gedachte Mechanismen sind in einer neuen Spielidee manchmal hervorragend aufgehoben. Ich habe z.B. einen ungeheuren Mechanismenvorrat für ein Brettrollenspiel entwickelt, das selbst vollkommen unspielbar ist, aber schon so manch anderem Spiel sehr auf die Sprünge helfen konnte.


> Möglicherweise holt man sich auch den Rat eines anderen
> Autoren - man setzt sich zusammen, testet und spricht darüber.

Das Gespräch mit anderen Autoren hilft mir am meisten in der Phase, in der ein Prototyp in "normalen" Spielrunden schon etwas ausgefeilt wurde. Der Blick von anderen Autoren auf das Spiel offenbart häufig die subtileren Probleme wie "sichere Siegstrategien", "aufgewärmter Mechanismus, weil schon aus Spiel X, Y und Z bekannt", "Machbarkeit, bzgl. Material, Handhabung, Übersichtlichkeit", etc.. Ein anderer Grund für eine Autorenmeinung wäre für mich, wenn dieser mir die rosa Brille absetzt und mir klipp und klar macht, dass das Spiel aus diesen und jenen Gründen ziemlicher Mist ist. Nichts ist schlimmer als ein Spiel, das nur sein Autor supertoll findet, weil er es erfunden hat.

Viele Grüße
Tobias (würde zur Zeit gern viel entwickeln, aber schlägt sich gerade durch's Referendariat ... noch 5 Monate to go)

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Johnny Ebsen
Brettspieler
Beiträge: 55

Re: Spielentwicklung hinkt

Beitragvon Johnny Ebsen » 5. Dezember 2005, 09:38

Hallo

Ich bin frueher sehr oft in situationen wie du es beschreibt geraten und es hat mich zunemmend frustriert. Ich habe mir dann die zeit genommen um professionelle spiel autoren zu zuhoeren und habe auch viel gelesen. Nun gibt es von der brettspiel welt ausser der spielautor leidfaden sehr wenig litteratur und Ich habe mich bei der PC spiel entwicklern erkundigt. Es gibt da viele und vor allem guten litteratur das mir weitergeholfen haben.

Exempel:
http://www.vancouver.wsu.edu/fac/peabody/game-book/Coverpage.html

Ich habe mir jetzt zur regel gemacht vorher eine entwicklungs dokument zu machen, das genau beschreibt welche spiel gefuel ich haben will. Wenn ich spaeter probleme habe (pasiert jetzt nicht mehr so oft) neme ich das dokument und vergleiche mein vorhaben mit das aktuelle. Alles was nicht in richtung spielgefuel arbeitet fliegt raus. Damit erreiche ich ein besseren struktur und weniger ueberfluessige regeln und vorallem habe Ich am ende eine interessantere spiel.

Das war meine vorgehens weise, Ih bin aber auch interessiert zu lesen wie andere mit dieser thema umgeht.

Gruss

Johnny

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Siegfried Kurz

Re: Spielentwicklung hinkt

Beitragvon Siegfried Kurz » 5. Dezember 2005, 14:53

> Es gibt mehrere Fälle in denen das auftreten kann:
> - ihr habt eine Idee, die sich im Kopf schonmal wunderbar
> vorformen lässt, ein erster Test mit euch selbst stellt sich
> aber als "unspielbar" heraus.
> - Tests mit euch selbst verliefen sehr gut, eine erste
> richtige Testrunde allerdings war ein Fiasko.
> - es fehlt noch der gewisse Kick, damit ihr mit euerm Spiel
> zufrieden seid.

Das ist ungefähr der Ablauf...

Und dann beginnt das Aussortieren: Alle Spielelemente werden auf ihre Tauglichkeit untersucht und was nicht besteht fliegt raus. Für den Rest muß man sich halt was Neues ausdenken. Wenn denn gar nichts übrig bliebt, hat sich das Problem vollständig erledigt und auch dieser Fall kommt in freier Wildbahn vor. Bleibt zuwenig übrig und ist es nicht selbständig lebensfähig, kann man es immer noch für spätere Spiele verwenden, denn es aus zwei halbwegs schlechten Spielen läßt sich immer noch ein wirklich übles Spiel zusammenbauen.
Ansonsten gilt: Geduld und Ausdauer. Ein gutes Spiel reift einige Jahre im Keller des Schreibtisches.

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peer

Re: Spielentwicklung hinkt

Beitragvon peer » 5. Dezember 2005, 16:30

Hi,
Bernd Eisen schrieb:
> Das Problem ist: nach einem negativen Test fehlt doch sicher
> die Motivation überhaupt an der Idee weiter zu feilen.

Kommt drauf an. Wenn es eine Spielidee oder ein Spielmechanismus ist, der mich fasziniert, dann bin ich auch i.A. daran interessiert, mich weiter damit zu befassen. Meistens hat man ja auch konkrete Kritikpunkte an denen man arbeiten kann. So oder so lass ich das Spiel aber im jeden Fall ein paar Tage liegen, um Abstand zu haben. Dann guck ich mir mal an, was man ändern kann. Fällt mir partou nichts ein, lass ichs weiter liegen.
Will ich nicht warten, weil es einfach die super-Idee ist, dann muss jeder einzelne Schritt überprüft werden: Welche Regel macht was? Was kann man wie ändern und welches Ergebnis kommt dann raus?

Beispiel: Bei meinem "Das Rennen zum Südpol" war ein Problem die Zufälligkeit des Wetters. Also hab ich rumgespielt: Würfel raus - und stattdessen? Nur Kontrolle des Spielers oder automatisch oder beides? Kurze Testrunden (ohne eigentliches Spiel, nur Temperaturentwicklung) undklar war, dass es ohne Zufallsfaktor nicht geht, weils zu berechenbar ist und sich sonst der hintenliegende immer opfern muss, auch noch die Temperatur einzustellen. Herausgekommen ist eine Mischform, mit der ich sehr zufrieden bin.

> Hilfreich kann sein: das Spiel "reifen" lassen, sprich ab in
> die Schublade und nach Jahren wieder mal dran setzen, aber
> man entwickelt lieber etwas ganz frisches, als einen "alten
> Schinken" hervor zu holen oder?

Auch hier: Kommt drauf. Wenn die Grundidee oder der Mechanismus fasziniert... :-) Ich guck mir regelmässig meine "alten kamellen" an und manchmal kommt auch was konnstruktives bei raus. Hab jetzt nach Monaten der Nichtbeachtung einige gute Ideen für mein Stichspiel, die ich nachher mal ausprobieren muss.
Gerade wenn einem mal nichts konkret frisches einfällt, ist die Beschäftigung mit dem alten nicht verkehrt...
Manche Spiele sperren sich aber einfach gegen das "Erfunden werden"...

ciao
peer

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Andreas Last

Re: Spielentwicklung hinkt

Beitragvon Andreas Last » 8. Dezember 2005, 11:50

Also ich muss sagen, ich bin da Saisonarbeiter. Ich arbeite immer nach Lust und Laune. Wenn ich gerade mal wieder Lust hab, kann ich tagelang in Gedanken an einer Idee sitzen und dran schrauben. Und dann plötzlich kann ich wieder mehr Spaß an etwas anderem haben. Das kann eine andere Spielidee sein, oder etwas Brettspielfremdes. So habe ich viele viele Spielideen, die ich mir alle immer erstmal kurz in den Grundzügen, die ich vor Augen habe, notiere und dann vielleicht erstmal wieder liegen lasse, bis mich vielleicht ein Geistesblitz zu diesem Spiel durchfährt oder ich einfach mal wieder an diesem Thema, das ich damit verbinde, interessiert bin.

Wenns dann mal hängt, lass ich alles erstmal sacken und sehe dann, was ich anders machen könnte, damit es besser läuft. Währenddessen kann ich mich z.B. wieder mit was anderem beschäftigen. Wenn mir dann Änderungsmöglichkeiten in den Sinn kommen und dir mir auch zusagen, probier ich sie aus. Und auch wenn die vorgenommenen Änderungen dann nicht zum gewünschten Erfolg führen, kann ich wertvolle Erkenntnisse aus den Ergebnissen ziehen, die mich dem Optimum näher bringen können.

Allerdings hat Peer schon recht. Manches will einfach nicht funktionieren. Das muss man dann erkennen und rechtzeitig verwerfen, bevor man sich daran festbeißt. Aber die Ideen sollte man ruhig festhalten. Wie Tobias sagte, sie können noch wertvoll sein ;-)


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