Beitragvon Günter Cornett » 5. März 2006, 01:09
Thomas O schrieb:
>
> Günter Cornett schrieb:
> >
> > Selbstverständlich sind Spieleautoren Künstler.
> >
> > Natürlich gibt es unter den Spielen gute und weniger
> > Kunstwerke, auch Machwerke, die diesen Namen eher nicht
> > verdienen. Es gibt schon Spiele, die einfach nur Ware sind,
> > ebenso aber Werke, die wirklich bewundernswert sind: 1830,
> > Civilisation - wie kommt ein Mensch darauf, zu der damailgen
> > Zeit, und kriegt das so hin, das alles so schön
> zusammenpasst?
> > oder weniger monumental: Carcassonne - ein feines Kunstwerk
> > zum Spielen.
>
> > Wenn das keine Kunst ist, kann man jederzeit ganz locker
> > Spiele ähnlicher Qualität schaffen, wenn man einfach nur das
> > Handwerkszeug gelernt hat. Es brauchte keine Inspiration,
> > nichts persönliches vom Autor ...
>
> Hallo Günter,
>
> ich reagiere generell bei dem Begriff "Künstler" leicht
> zurückhaltend - die Diskussion, was Kunst ausmacht, kann in
> jeder Runde abendfüllend sein, und man kommt doch nie zu
> einem Ergebnis. Für mich hängt die Messlatte für den Begriff
> "Künstler" halt sehr hoch. Auch ein begnadeter Fußballer, der
> mit viel Inspiration, Talent und persönliches Note das Spiel
> gestalten kann, ist für mich kein Künstler.
Hi,
ein Fussballer beherrscht seine Kunst im Sinne von Kunstfertigkeit. Das hat mit Künstler sein nichts zu tun, mehr mit Fähigkeit. Er folgt einem Ziel, Tore zu schiessen, das Spiel zu gewinnen. Schöne Spielzüge ergeben sich dabei zufällig. Sie gibt es nicht um ihrer Schönheit willen, sondern weil es darum geht, Tore zu schiessen.
> Ich bin nicht davon überzeugt, dass man, um Spieleautor zu
> werden, ein musisches Talent besitzen muss - das ist aber
> nach meiner Auffassung bei Künstlern zwingend der Fall. Was
Man kann natürlich auch seelenlose Mehrheitenspiele machen, weil es ein bewährtes Mittel ist. Was anfangs mal Kunst war, ein Ergebnis von Kreativität und Inspiration wird mit der Zeit zu einem Standard. Das ist dann soviel Kunst wie die Massenproduktion eines Tontopfes. Als Einzelstück mal etwas Neues, Individuelles, ein beeindruckendes Werk, wird - tausendfach nachgemacht - zu einem belanglosen Produkt. Für denjenigen, der aber heute noch einen Tontopf individuell herstellt, ist es immernoch ein Produkt seines künstlerischen Schaffens, auch wenn der Wert fürdrDitte gering ist.
> ein guter Spieleautor aus meiner Sicht braucht: Die Kenntnis
> vieler Spiele und Spielmechanismen, großes Interesse und Spaß
> an Spielen, eine gute Portion Kreativität und Inspiration,
> Fleiß, ein wenig mathematisches Verständnis und ein paar gute
> Testspieler.
Da ist schon was dran. Aber Kreativität und Inspiration machen aus dem Autor IMHO einen Künstler. Der Rest ist Handwerkszeug, das man natürlich auch beherschen sollte, will man ein guter Künstler sein.
> Kunstwerke sind nach allgemeiner Auffassung in Mussen und
> Galerien zu besichtigen - doch eine Knizia-Ausstellung in der
> Josef-Haubrich-Kunsthalle in Köln kann ich mir irgendwie
> schlecht vorstellen.
Wenn Kunst nur etwas für Galerien ist, möchte ich kein Künstler sein.
> > Als was siehst du dich?
>
> Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich denke,
> Erfinder ist ein guter Begriff, auch wenn in der "Szene"
> lieber von Autor die Rede ist. Erweitert man den Begriff
> "Spiel" neben dem rein mechanischen Aspekt um den
> gestalterischen Aspekt, wäre ein Spieleautor eine Kombination
> aus Erfinder und Designer - ja, das trifft es. Die
> Eigenschaften, die du oben aufzählst, treffen doch auch auf
> die "klassischen" Erfinder der Weltgeschichte zu, doch einen
> James Watt hat man meines Wissens nie als Künstler bezeichnet
> (Inspiration und Kraetivität hats aber bestimmt auch
> gebraucht).
Erfindungen sind technischer Art. Die Erfindungen dienen einem Zweck.
Deswegen ist der Begriff Autor passender. Ein Geschichtenschreiber 'erfindet' ja auch Geschichten. Dennoch geht es nicht um die Erfindung sondern um die Gestaltung einer Geschichte. Der Erfinder reduziert sein Werk, das einem konkreten Zweck dienen soll (Dampfmaschine). Der Autor, Künstler gestaltet es in allen Einzelheiten, stimmt diese Einzelheiten aufeinander ab. Den Autor, ob Buch oder Spieleautor, unterscheidet von einem Maler oder Bildhauer, dass er mehr virtuell gestaltet. Man kann das eigentliche Werk nicht anfassen. Die Schachtel, das Buch sind als Material weitgehend unerheblich. Es geht um das Nichtstoffliche. Beim Buch um das, was im Kopf des Lesers ausgelöst wird, beim Spiel, um die Wechselbeziehungen zwischen den Spielern und zwischen Spielern und Spiel.
Da lässt sich zwar manches seelenlos konstruieren, Bekanntes zusammenmanschen. Diese Auffassung mag auch der Grund sein, weshalb sich ernsthafte Autoren als Profis und nicht als Künstler oder gar Hobby-Autoren sehen und etwas abfällig auf Leute schauen, denen ihre Beschäftigung mit dem Werk wichtiger ist, als Publikumsgeschmack, kommerzieller Erfolg und Spielemarkt. Insofern ist es richtig, dass ein Spieleautor nicht zwangsläufig Künstler sein muss. Aber es ist seine eigene Entscheidung, ob er sich als Künstler sieht oder als Businessman der ein Produkt verkauft. Beides ist nicht unvereinbar. Ich denke, es setzt jeder andere Schwerpunkte und nur selten ist man ganz das eine oder andere. Aber ob jemand Künstler ist oder nicht, entscheidet jeder für sich selbst. Ob andere mit seiner Kunst was anfangen können, entscheiden andere.
Gruß, Günter