Dienstag, 2.6.2015 | Spieleabend #46
Um bei all den konfrontativen Elementen dieses Forums auch mal zumindest ein wenig Eintracht zu stiften, kommt nach der Pfingstpause wie gewohnt der Bericht aus Aachen. Nun ja, nicht ganz wie gewohnt. Schließlich war der Spieleabend heute nicht - wie sonst üblich - an einem Mittwoch, sondern einen Tag früher. Was ganz einfach daran liegt, dass Donnerstag Fronleichnam ist und sich viele ein langes Wochenende gönnen. Da es aber schon reichlich spät ist und ich gedenke, über das ein oder andere Spiel auch noch das ein oder andere Wort zu verlieren, beende ich meine künstliche Einleitung an dieser Stelle und komme gleich zum Aufwärmspiel, das David, Mattes und ich besonders deshalb aussuchten, weil wir schon ahnten, welche Ausmaße das spätere Hauptspiel annehmen würde:
Abluxxen gelang mir heute erstaunlich gut. War es doch sonst eher eines der sonst seltenen Spiel, deren Regeln mir zwar völlig klar sind, die mir aber überhaupt nicht von der Hand gehen wollen. Heute gingen mir die Karten fast ein bisschen zu schnell aus der Hand. In der ersten von drei Runden wurde kaum abgeluxxt; wir mussten uns wohl erstmal wieder daran erinnern, dass das durchaus Vorteile bringt. In der zweiten Runde bekriegten sich Mattes und David dann gegenseitig, was mir wiederum sehr gut in den Kram passte. Und in der dritten Runde machte ich, wie in den ersten beiden auch, als erster aus und sammelte auch die höchste Anzahl an Punkten. Wobei das ja bei Abluxxen nicht zwingend zusammenhängen muss. Der Punktestand nach einer angenehm kurzen Spieldauer betrug 8:35:47. Da ja jetzt für viele der Urlaub nicht mehr allzu lang hin ist, will ich noch eine Empfehlung aussprechen: Manch einer hat ja so ein klassisches Urlaubsspiel, das zu Hause verpönt und im Urlaub heiß geliebt ist. Da wird dann Wizard oder gar Skipbo, Phase 10 und Konsorten rauf und runter gespielt. Wer sich angesprochen fühlt, der möge auch einmal Abluxxen ausprobieren, denn die Regeln sind wirklich einfach und trotz des einfachen Spielmaterials (Im Groben ein Rommé-Blatt) ist es wirklich mal was anderes. Und hat ganz nebenbei auch das Zeug dazu, den ganzen Urlaub rauf und runter gespielt zu werden. Wie The Game. Aber da das kooperativ ist, werdet ihr nach einer tieferen Besprechung in diesem Thread vergeblich suchen. Ob es nicht etwas ignorant ist, sich grundsätzlich gegen kooperative Spiele zu sperren? Doch, bestimmt, aber wir brauchen einfach die Konfrontation. Genau wie mancher in diesem Forum.
Die Neuheit wurde im Voraus von David schon auf zweieinhalb Stunden geschätzt, was ich, zu diesem Zeitpunkt noch mit guter Hoffnung, als unrealistisch abtat. Wie man sich doch täuschen kann. Denn
Orléans beschäftigte uns mindestens zweieinhalb Stunden. Im Nachhinein war das nicht schlimm, denn zumindest in dieser Besetzung gibt man sich einem Spiel auch mal gerne tiefer hin. Aber länger sollte es dann wirklich nicht sein, sonst sprengt es den Rahmen des Spieleabends. Doch zurück zum Spiel selbst: Es handelt sich dabei um einen lupenreinen Vertreter des noch jungen Genres der Bag-Building-Spiele. Oder Beutelbau. Oder Sackbau. Wobei die Gängigkeit dieser ärmlichen Übersetzungsversuche noch sehr zu wünschen übrig lässt. Sofern man sich denn wünscht, dass sie sich verbreiten. Ihr versteht schon. Jedenfalls haben wir zu Beginn nur ein sehr kleines Repertoire von Gefolgsleuten in unserem eigenen Beutel, mit denen wir einige Aktionen ausführen können. Die benötigen jeweils eine feste Kombination von Gefolgsleuten. Und wenn wir alle geforderten Leutchen unter der Aktion platziert haben , können wir sie in der Aktionsphase ausführen. Da gibt es natürlich vor allem solche Aktionen, die neue Plättchen in den eigenen Sack transportieren. Schließlich gibt es einige Berfufsstände, die zu Beginn noch gar nicht im Arbeiter-Repertoire vertreten sind, und das verhindert wiederum das Nutzen einiger wichtiger Aktionen. Also her mit neuem Gefolge! Es gibt aber jeweils nicht nur einen Chip, sondern auch noch einen kleinen Bonus. Der reicht von einer simplen Ware, die am Spielende je nach Warenart mehr oder weniger Punkte wert ist über Geld, das am Ende einen Punkt wert ist, bis hin zu Schritten auf der Entwicklungsleiste, wo wir unseren Multiplikator für Bürger und Kontore hochziehen. Die erkläre ich aber erst später. Zunächst sei noch gesagt, dass ich gerade nur die langweiligen Gefolge-Leisten erwähnt habe, da die anderen die Satzkonstruktion gesprengt hätten. Für die Leisten bzw. Vorteile der Handwerker und Ritter genehmige ich mir jeweils einen eigenständigen Satz, wenn ihr erlaubt: Fügt man seinem Beutel einen Handwerker hinzu, darf man auch ein Technik-Plättchen legen, dass über das gesamte Spiel hinweg eine Aktion günstiger macht, indem man einen benötigten Arbeiter abdeckt. Das wirkt stark und erlaubt die Fokussierung auf bestimmte Aktionen, die man womöglich immer wieder ausführen möchte. Rekrutiert man einen neuen Ritter, so darf man von da an jede Runde einen Arbeiter mehr aus dem eigenen Beutel ziehen, sodass aus den anfangs vier Leuten am Ende bis zu acht werden können. Und wer einen Händler anheuert, darf ein zusätzliches Gebäude errichten, das einer weiteren Aktionsmöglichkeit entspricht. Auch hiermit kann man seine eigene Spielweise ziemlich individuell gestalten, denn niemand sonst kann diese Aktion nutzen. Auf manchen Leisten liegen außerdem noch die besagten Bürger rum, die am Ende Punkte bringen.
Es gibt aber nicht nur das eigene Aktionstableau und die Leisten, sondern auch noch eine Landkarte, die zumindest alibi-mäßig den Namen des Spiels begründet: Ausgehend von Orléans können wir in andere Städte reisen und dort Gildenhäuser errichten. Diese bringen, wie die Bürger, am Ende Punkte entsprechend des erreichten Multiplikators. Auf dem Weg sammeln wir außerdem Waren ein. Und wir können als letzte Aktion unsere Leute loswerden, indem wir sie für Geld zu den
segensreichen Werken schicken. Wer eines davon fertigstellt, erhält außerdem einen Bürger, und der ist soviel wert wie der... Kleines Rätsel. Tipp: Ihr kennt die Antwort schon. Man merkt schnell, dass es anfangs nötig ist, den eigenen Beutel mit Gefolge zu füllen. Viel anderes kann man ohnehin nicht tun, sind doch für die interessanteren Aktionen höhere Berufsstände nötig. Also arbeitet man sich von den anfänglichen Bauern, Händlern, Schiffern und Handwerkern zu Gelehrten und Rittern und letztlich zu Mönchen hoch. Letztere können alles, zumindest wird das allgemein angenommen, denn wir dürfen sie an Stelle von jeder anderen Berufgruppe einsetzen.
Alle Berufe sind interessant und deshalb sind am Ende des Spiels auch nicht mehr allzu viele Personenplättchen im Vorrat. Wir wollten alles mal ausprobieren, aber insbesondere die Handwerker waren dermaßen schnell weg, dass ich sicher war, iwo in der Schachtel einen ganzen Haufen vergessen zu haben. Ich habe nach Abreise der beiden Gäste nochmal nachgezählt: Das Spiel ist vollständig. Es ist ja auch nicht allzu verwunderlich, dass die Handwerker besonders beliebt waren. Schließlich wirkt die Technik als Dauervergünstigung attraktiver als ein paar Moneten beim Schiffer. Und auch Ritter standen bei uns hoch im Kurs, schließlich erlauben nur sie es, mehr Plättchen pro Zug zu nutzen. Die Sondergebäude waren aber letztlich spielentscheidend. David hatte das Badehaus, das von allen Seiten in Presse und Netz als zu stark eingestuft wurde, und wurde trotzdem Letzter. Die dadurch entstehende Verzögerung ging uns allerdings etwas auf die Nerven, weshalb wir am Ende des Spieleabends schonmal überlegt haben, es auszusortieren. Mit Sicherheit werden wir aber eine der vom Autor vorgeschlagenen Abschwächungen verwenden. Mattes hingegen hatte ein Gebäude, mit dem er manuell die höchste verfügbare Warensorte herstellen könnte, und dazu benötigte er nur zwei mittelgute Personen. Da er jede Runde fleißig schneiderte, war der Brokat-Vorrat am Ende leer und ungefähr alle edlen Gardinen in seinem Vorrat. Ich war auf der Entwicklungsleiste sehr weit fortgeschritten und hatte auch einige Kontore und Bürger gesammelt. Aber gegen Mattes Warendepot konnte all das nicht an. David hingegen hatte sich in einer für Deckbau-Spiele typischen Falle verfangen. Und da Beutelbau ganz nahe am Deckbau liegt, gibt es diese Falle auch hier. Man kann sich nämlich wunderbar auf die Veredlung seines Motors konzentrieren und Mönche noch und nöcher in den eigenen Beutel bugsieren; wenn man am Ende nicht beim Reisen massig Waren holt oder einen hohen Multiplikator mit vielen Kontoren und Bürgern kombiniert, nützt das alles nichts. David war zwar auf der Karte unterwegs, dank einem Sondergebäude sogar mehrmals pro Zug, aber er bekam nicht die wertvollsten Waren ab und verzichtete fast gänzlich aufs Bauen der Kontore. Deshalb war der Endstand 99:122:103 gerechtfertigt.
Noch ein Absatz?! Ja, ich will ja noch kurz meine Meinung loswerden, die interessiert euch doch sicher auch
Orléans macht definitiv Spaß. Der Spielreiz ist hoch, weil der Beutelbau reizvoll ist und man viele Möglichkeiten hat, die eigene Strategie auszuarbeiten. Dabei kann man trotzdem nicht alles durchplanen, weil man davon abhängig ist, welche Plättchen man letztlich aus dem Beutel zieht. Die vielen Gebäude bieten sicherlich noch Neuland für viele weitere Partien; und eine Erweiterung ist ja auch schon angekündigt. Obwohl das Spiel für normale Maßstäbe ewig gedauert hat, hat es uns unterhalten. Wir werden Orléans auf jeden Fall noch das ein oder andere Mal spielen. Nur Kennerspiel des Jahres wird es nicht werden, da bin ich mir recht sicher. Denn der Einstieg ist nicht allzu leicht (was man ja schon an meiner kompakten Regelerläuterung sieht) und die Spieldauer ufert meines Erachtens nach aus. Kein Wunder, geht ein Spiel auch über 18(sic!) Runden. Aber Spaß macht es trotzdem. Ich würde am Liebsten gleich nochmal versuchen, mit einem hohen Entwicklungsstand zu gewinnen, aber natürlich würde ich an diesem und jenem Rad noch eiin bisschen schrauben - Wer kennt das Gefühl nicht?
Ich war überrascht, dass sich David und Mattes überhaupt noch auf ein Spiel eingelassen haben, nachdem Orléans unsere Hirne in Beutelbrei verwandelt hatte, aber wahrscheinlich auch nur, weil bei
Einfach Genial - Wer zu viel riskiert, verliert! ebendieser Beutelbrei gefordert ist. Und wir spielen dieses Spiel auch nur, weil sich am Ende zu dritt spannende Rechnereien ergeben, wer wann wie in eine Situation kommt, von der aus er nicht mehr gewinnen kann. Das ist ziemlich mathematisch, man möchte sagen kniziaesk, aber durchaus interessant. Und diese krude Dimension dieses kleinen, harmlosen Mitbringspiels zeigt sich auch erst nach vielen, vielen Partien und auch nur zu dritt. Aber jetzt, wo wir an diesem seltsamen Punkt sind, für den das Spiel sicher nicht designt wurde, kann man es gut als Absacker spielen, der irgendwo zwischen dem, was der Titel verspricht und absurden Kalkulationen liegt. Genau das richtige nach stundenlangem Plättchen in einen Beutel schmeißen und wieder rausziehen: Plättchen in einen Beutel schmeißen und wieder rausziehen. Nur etwas kürzer. Und mit nur einem Sack für alle statt einem pro Spieler. 4:7:6 geben indes nicht wieder, dass ich nicht mehr hätte gewinnen können. Zweiter bin ich trotzdem geworden.
Erkläre Chimäre bekam von uns gemischte Gefühle. Wobei wir uns darauf geeinigt haben, dass es viel schlechtere Tatorte gibt und wir die Absurdität des Falls, die in Münster fast standardmäßig vorausgesetzt werden kann, einfach als gegeben hinnehmen. Das Drumherum stimmt dann doch einfach und bietet eine geschickt entwickelte Krimikomödie, die Fall und Privatleben auf immer wieder neue Arten und Weisen zusammenbringt und in wechselseitige Abhängigkeiten setzt. Nur eins bleibt: Vadderns Taxi. Hand aufs Erz,
Der Siedler