Beitragvon Roman Pelek » 16. Mai 2000, 23:51
Hallo,
>Ein Thema passt dann zum Spiel, wenn im Spiel ...
>
> ... eine Situation aus Wirklichkeit oder Fantasie >simuliert wird. Der Spieler versetzt sich in eine Rolle >hinein und das Thema ist der
> Spielmechanik um so näher, je mehr die Überlegungen >des Spielers die Überlegungen, die er in der simulierten >Situation
> tatsächlich anstellen würde, sind.
Gut, fassen wir mal zusammen: die einzigen Spiele, die der Thematik gerecht werden, sind Simulationen? Mir fällt momentan kaum ein Gesellschaftsspiel, das familientauglich sein sollte, ein, das dieser Maxime gerecht wird. Dafür geht die Simulation nicht weit genug. Die meisten Gesellschaftsspiele haben einen bestimmten Mechanismus, der mit einem Thema garniert wird, und selten anders. Der Rest sind CoSims oder andere Arten von Simulationen. Schon allein, weil der Mechanismus abstrakt und simpel bleiben muss, und nicht zuviele Ausnahmen beinhalten darf. Und das ist bei weitem nicht das Problem von Reiner Knizia:
El Grande - Mehrheitenverteilen geht auch mit Aliens, Pizzabäckern oder ganz ohne Thema
Torres - bauen wir Burgen, bauen wir Hochhäuser, Kräne?
Tikal - suchen wir nach Schätzen, suchen wir Edelsteine im Abwasserkanal oder erkunden wir den Mond?
Union Pacific - Airlines ;-)
Giganten - wir könnten auch Wüstenspringmäuse ausbuddeln oder Pyramiden entdecken und ausrauben
Wongar - Sind wir in Australien, verteilen wir Klosterreliquien in Timbuktu oder legen wir gentische Codes?
Carolus Magnus - auch der Fleckenzwerg könnte Runden drehen und Belohnungen für mehrheitliche Farbgebung austeilen...
Ich finde irgendwie die ganze Diskussion müssig. Die Hardcore-Thematiker werden eh nur mit Simulationen glücklich. Fast allem anderen steht reine Mathematik, gewürzt mit mehr oder weniger Glück dahinter, garniert, serviert mit einer schönen Aufmachung und einem sich anbietenden Thema.
Und, wenn's Spass macht, was wollen wir mehr? Ich jedenfalls habe es langsam satt, dass nur auf Knizia-Spielen rumgeritten wird deswegen. Meines Erachtens betrifft das fast alle Gesellschaftsspiele. Bei Knizia schimmert nur des öfteren mal die Abstraktheit der Abrechnung mehr durch als bei anderen, das ist das einzige. Aber, ehrlich gesagt: sind 10 Bewegunspunkte bei Tikal oder 5 bei Torres weniger mathematisch abstrakt?
> "Civilization" simuliert recht gut die Überlegungen, >die ein antiker Führer eines Nomadenstammes, der sesshaft >werden will,
> anstellen muss. Lebensraum, die Grenzen des Wachstums, >Chancen und Risiken des Fernhandels, Vorbereitung auf
> Katastrophen werden in Spielmechanik umgesetzt. Hier >sieht man klar, dass das Thema an erster Stelle kam und die >Mechanik
> sich dem anpasste.
Wie bei allen Sims. Ist z.B. bei einem meiner Lieblingsspiele, Hannibal, nicht anders. Ist trotzdem kaum als "Gesellschaftsspiel" zu bezeichnen. Eher was für die Hardcorefreaks...
> "Euphrat und Tigris" mit seinen Anführern, die >gleichzeitig in einem Gebiet sitzen und erst zu einem >Konflikt führen, wenn gleiche
> Anführer zusammenkommen, weicht weit von der >Wirklichkeit ab. Welcher König würde es untätig hinnehmen, >wenn Prister eines
> benachbarten Gottes Einfluss aufs eigene Volk >gewinnen? Die Entwicklung von Religion oder Ackerbau ist >nur bei einer
> Punktezählung am Schluss entscheidend, die zudem >ingnoriert, dass es in der Realität mehr Erfolg verspricht, >sich auf seine
> Stärken zu konzentrieren, als auf alle Gebieten >herumzuhampeln. Hier gab es zuerst eine Spielmechanik, dann >wurde ein
> beliebiges Thema darüber gestülpt.
Absolut richtig. Dennoch finde ich das Thema sehr angenehm und passend. Eben weil es keine Simulation ist, sondern ein relativ abstraktes und komplexes Spiel, das einem aber mit der Thematik einen zusätzlichen Anreiz verleiht.
> Man verstehe mich richtig: Das alles hat nichts mit >"gut" oder "schlecht" zu tun, nur mit "thematisch" und >"abstrakt".
Klar.
> Ich persönlich mag historische Simulationen - aber >eben nur dann, wenn sie tatsächlich simulieren. Wenn jemand >Knizias
> abstrakte Spiele lieber mag, so ist daran nichts >auszusetzen.
Ich mag beides, und verstehe die, übertrieben formuliert, "Fehde" zwischen den Fraktionen nicht. Und vor allem nicht, warum allein Knizia bei den Gesellschaftsspielen immer angeblich so aufgesetzte Themen hat. Ich empfinde das bei vielen anderen Autoren auch so: Teuber, Kramer, Ulrich, Kiesling etc. Und es ist seltenst für mich ein Manko.
Ach so, ja, das einzige "Mainstream"-Spiel dieses Jahr (von den Spielen die ein Thema haben ;-), bei dem ich das Thema nicht irgendwie aufgesetzt finde, ist "La Citta". Aber das wird auch schon teilweise sehr komplex und langwierig, zumindest bei 4 oder mehr Spielern. Ist so ein Zwitter aus Sim- und Gesellschaftsspiel. Aber ein ziemlich guter, man darf nur den Gelegenheitsspielern vorher nicht sagen, was sie bei dem harmlos aussehenden, noch vergleichsweise einfach zu erklärenden Spiel an Komplexität und Spieldauer erwartet ;-)
> Nur wäre es schön, wenn man einem Spiel gleich >ansieht, ob man damit in den nächsten Stunden ein antiker >Stammesfürst oder
> eher ein Mathematikstudent sein wird.
Nuja, ich finde das recht offensichtlich meistens... Ausserdem halte ich "Mathestudent" bei den meisten Spielen für übertrieben...
> Denn recht enttäuscht ist schon, wenn aus einer >Schachtel mit der Aufschrift "Simulation" ein Teufelchen >mit Namen "Mathematik"
> hopst ...
...vielleicht bin ich aber auch einfach nur so unkritisch und habe so viel Spass an abstrakten Mechanismen mit aufgesetzten Themen, weil ich Mathe/Informatik studiere... ;-)
> ... Gustav der Bär
Ciao,
Roman