Beitragvon Günter Cornett » 18. Februar 2004, 14:29
Guido schrieb:
>
> Hallo,
>
> ich muss mich hier der Meinung von Thomas und Guenter
> bedingungslos anschliessen.
> Das Thema ist sensibel und muss entsprechen behandelt werden.
> Und die Meinungen anderer zu solch heiklen Themen,
> insbesondere mit dem Hintergrund des Zeitungsartikels und der
> schwachen Stellungnahme des Autors, sind da zumindest zu
> tollerieren. Das Herumgewitzle, das hier von einigen zum
> Ausdruck gebracht wird, kann bei anderen,deren Wurzeln stark
> von diesen Ereignissen gepraegt ist, sehr schnell auf mehr
> als nur Kopfschuetteln stossen und ist insofern
> unverantwortlich.
Hallo Guido,
das Herumgewitzle kommt von Leuten, die ihren Denkapparat öffentlich abgeschaltet haben. Das ist nicht veboten und auch nicht besonders verwerflich. Wer denkt, denkt sich seinen Teil...
Immerhin wurde eine doch recht interessante Diskussion durch einen solchen unbedachten Beitrag ausgelöst.
> Wie die Recherche einiger Forumsteilnehmer zeigt, ist die
> Problematik eng mit dem Thema des Spiels verbunden.
> War der Verlag nun historisch einfach nur ungenau? Sicherlich
> nicht. Fuer das
> Spiel selber und auch fuer dessen Ablauf ist es auch meiner
> Meinung anch wirklich besser, nicht von Sklaven zu reden.
> Ersten soll es keine Simulation sein, und zweitens waere der
> Beigeschmack mehr als bitter, wenn man heutzutage, auch
> gerade in Deutschland, bei einem historisch angesiedelten
> Aufbau und Wirtschaftsspiel u.a. Sieger wird, in dem der
> Spieler moeglichst gut mit seiner "Ressource Sklaven"
> wirtschaftet.
Ich erwarte vom Verlag und Autor auch keine historische Genauigkeit. Es ist grundsätzlich deren Sache, welches Thema sie wie umsetzen. Kein Spiel kann oder soll alle Aspekte wiedergeben. Es gibt die Freiheit der Kunst und vor allem sollte man nicht einem Künstler vorschreiben, wie er zu arbeiten hat. Bei Widersprüchen sollte dieser allerdings mit Kritik leben können und nicht historische Fakten hinzubiegen versuchen. Andreas Stellungnahme finde ich da auch ganz ok, ich freue mich auf sein neues projekt; Stefans Reaktions ist jedoch wenig souverän.
> Ich muss zugeben, das ich auch aus Unkenntnis das Thema
> Sklaverei nicht mit dem Spiel in verbindung gebracht habe.
Ich auch nicht. Stefan hat mich provoziert, mich näher damit auseinanderzusetzen...
> Aber in jetztiger Kenntnis der Sachlage, die dem Verlag
> sicherlich unterstellt werden kann, ist es schon befremdlich,
> wenn dennoch "braune" Spielsteinchen als "Kolonisten"
> verwendet werden. Das mag nun vielleicht auch wieder
> kleinlich sein. Díe brauen Steinchen sehen ganz objektiv
> gesehen einfach gut aus und sind gut zu erkennen. Worauf es
> aber hinauslaeuft, ist, dass der Verlag ein ernstes Thema nur
> halb unter den Tisch gekehrt hat und nun auch der Autor den
> Vorwurf der "historischen Ungenauigkeit" und darueber auch
> den Verdacht des Rassismusses nicht wirklich hat entkraeften
Ich finde es keinesfalls schlimm, zu sagen: ja auf den Plantagen haben Sklaven gearbeitet. So war es damals, es ist nicht Thema dieses Spiels und muß es auch nicht sein. Das Spiel teilt dieses Schicksal z.B. mit Tal der Könige ('Arbeiter' und Aufseher).
Und auch Petersburg (das Spiel hat wirklich KUK-Qualität) wurde nicht nur von Zar und Zimmermann erbaut:
1703 wurde die Stadt von Peter dem Großen auf der "Haseninsel", zwei Kilometer westlich der im Nordischen Krieg eben den Schweden entrissenen Festungen Nyenschantz und Landskrona gegründet. Sie sollte als Bollwerk gegen schwedische Truppen dienen, aber auch dem fortschrittsfeindlichen Moskau eine moderne, westlich orientierte Stadt entgegen stellen.
Die Stadt wurde auf dem Reißbrett geplant und in den Sümpfen der Newa-Mündung innerhalb kürzester Zeit aus dem Boden gestampft. Schon während der Errichtung der Stadt kamen vermutlich Zehntausende Zwangsarbeiter und Leibeigene ums Leben. Später sollte es aufgrund der ungünstigen Lage immer wieder zu Überschwemmungen kommen, bei denen unzählige Bewohner ihr Leben ließen.
Zitat>
Man bekommt ne Menge Platz in den Regalen, wollte man alle Spiele verbannen, die nicht politisch oder historisch korrekt sind.
> koennen. Wie Thomas auch schon gesagt hat, waere da ein ein
> Anhang im Spiel, dass dieses Thema fuer alle Interessierten
> aufarbietet mehr als dienlich und wuerde solch unangenehmen
> Diskussionen vermeiden.
Einen Anhang und einer (noch) besseren Bearbeitung des Themas (Puerto Rico ist im gegensatz zu z.B. Wongar ein Beispiel für eine gelungene thematische Umsetzung) fände ich zwar schön, kann man aber nicht von einem Verlag einfordern. Sie gäben dem Verlag jedoch die Möglichkeit die Auseinandersetzung mit dem Thema in eine andere Richtung zu lenken. Diskusionen muss man ja nicht immer vermeiden wollen.
> Das redaktionelle Schweigen, das
> angesichts dieser Diskussion aber geuebt wird, und auch schon
> von Guenter bemaengelt wurde, finde ich peinlich und
> kontraproduktiv.
Nicht das Schweigen sondern die ausweichende Antwort kritisiere ich.
> Die Aussage des Autors, es sei alles ein
> Missverstaendnis, koenne aber nicht genau erklaert werden, da
> es hier um "Verlagsgeheimnisse" gehe, wirkt einfach
> widerspruechlich. Ich hoffe, das Versteckspielen wird hier
> endlich aufgegeben und eine klare Stellungnahme bezogen.
> Sklaverei ist nun mal kein Spiel.
Soll Spiel weltfremd sein? Soll man sie sauber halten von halten Einflüssen aus der Wirklichkeit? Man darf aber man muss nicht.
Ich sehe es wie mit Filmen. Da gibt es sehr viele unterschiedliche Genres, gute und schlechte Filme, nahe an oder fern von der Realität, Fiktion und gut Recherchiertes. Wenn man einen Film über Plantagenbesitzer macht, muß man nicht das Leid der Sklaven in den Vordergrund stellen. Nur wenn man behauptet, die Arbeiter auf eben dieser Plantagen seien dort gern gewesen, nur um die Plantagenbesitzer besser aussehen zu lassen, sollte man das als Kinobesucher kritisieren dürfen, ohne sich mangelnde historische Kenntnisse vorwerfen zu lassen. Es gibt viele gute Filme, teilweise auch von kolonialer Sichtweise geprägt, bei denen im Hintergrund Sklaven vorkommen. Spiel darf das auch. Natürlich.
Gruß, Günter