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[Angespielt] Betrayal at House on the Hill: Leider unperfekt

Kritiken und Rezensionen: Wie ist Spiel XY?
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Lorion42
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[Angespielt] Betrayal at House on the Hill: Leider unperfekt

Beitragvon Lorion42 » 4. August 2011, 08:54

Nach dem letzten Spieleabend möcht ich einmal über dieses schöne, aber leider unperfekte Spiel berichten

Worum geht's?
Man spielt eine Gruppe von Leuten, die in einem mysteriösen Haus gefangen sind. Die Tür fällt zu und es gibt kein Entkommen... also macht man sich auf das Haus zu erkunden. Dabei entdeckt man mit der Zeit immer mehr Omen. Zum Beispiel eine Kristallkugel, ein kleines verängstigtes Mädchen oder seltsamen Schleim. Viele der Omen bringen dem Spieler, der sie gefunden hat Vorteile. Doch irgendwann dreht sich das Spiel und eines der Omen übernimmt die Macht und nun gibt es einen Verräter unter den Spielern...

Wie funktioniert es?
Jeder Spieler hat wie bei einem Rollenspiel 4 Werte, die sich verändern können. Die Geschwindigkeit gibt vor, wieviele Schritte man sich pro Zug bewegen darf. Stärke ist wichtig bei Kämpfen. Intelligenz wird manchmal abgefragt, wenn ein Raum ein Rätsel beinhaltet und Verstand ist wichtig, da man ihn nicht verlieren sollte.

Sobald man einen neuen Raum betritt, schaut man auf den Boden und guckt, ob man eine Karte nachziehen muss. Es gibt hier 3 Typen. Die schon erwähnten Omen, Gegenstände und Ereignisse. Bei den meisten Karten (vor allem Ereignissen) muss man auf eine seiner Eigenschaften würfeln. Es ist dabei ein klassischer Würfelpoolmechanismus der gut funktioniert. Wenn man eine Karte nachziehen musste, ist der eigene Zug beendet.

Wenn die gezogene Karte ein Omen war, muss man würfeln. Unterwürfelt man die Anzahl der bisher ausliegenden Omen, beginnt der Spuk. Das ist der zentrale Mechanismus des Spiels. Man überprüft in welchem Raum man welches Omen gezogen hat und schaut in einer großen Tabelle nach, welche der 50 verschiedenen Geschichten erzählt wird. Je nach Geschichte ist einer der Mitspieler plötzlich ein Verräter (in der Regel derjenige der den Spuk ausgelöst hat). Der Verräter muss nun seine Anweisungen im Buch nachlesen. Die Anderen schauen im Buch des Überlebens, wie sie gewinnen können. Verräter und Andere sollten sich keinenfalls erzählen, was ihre Aufgabe ist, da sonst einiges der Spannung verloren geht.

Wie ist es?
Ich hab es bisher nur einmal gespielt und zufälligerweise haben wir eines der Szenarien erwischt, in dem es keinen Verräter gibt. Es gab von jedem Mitspieler einen bösen Zwilling mit den selben Werten. Nur der Spieler mit der Kristallkugel kann seinen Zwilling töten, alle anderen können die Zwillinge nur bewusstlos schlagen. Im Gegensatz zu den Zwillingen - die sind wirklich fies und sehr tödlich. Bei jedem Kampf mit dem eigenen Zwilling verliert man instant einen Wert in allen Eigenschaften. Diese Regel hat sich als extrem nervig herausgestellt. Die erste Mitspielerin war sehr schnell tod und konnte jetzt nur noch ihren bösen Zwilling steuern. Das ist zwar auch ganz nett, vor allem da man nun auf der anderen Seite steht, aber ich fand die Regeln ungünstig. Sie führte dazu, dass man Kämpfen mit den Zwillingen lieber aus dem Weg gegangen ist. Sie zu töten ist aber die einzige Möglichkeit zu gewinnen. Wir sind also durchs Haus gerannt in der Hoffnung irgendwas zu finden, das uns gegen die Zwillinge hilft.

Da es unglaublich viele Items gibt und jedes hat seine eigenen Regeln, besteht natürlich die Hoffnung, genau den passenden Gegenstand irgendwo aufzugabeln (hier also etwas, dass die Stärke erhöht, so dass die Chance den Zwilling zu besiegen höher ist als 50:50). Sobald ein neuer Gegenstand und ein neues Ereignis aufgedeckt wird, beginnt das blättern. Die Karten und Regeln sind alle auf englisch. Teilweise sind sie gut verständlich, teilweise braucht man die Hilfe einer deutschen Übersetzung, die ausgedruckt daneben liegen sollte. Zum Glück gibt es eine große Community, sonst wär es leider unspielbar.

Da dadurch aber wie z.B. bei Munchkin kombinierte Situationen eintreten können, die nicht eindeutig aus den Beschreibungen hervorgehen (wie z.B. muss ein böser Zwilling auch eine Verstandsprobe schaffen um durch das Labyrinth zu kommen oder kann man mit Revolver und Kristallkugel auch auf Distanz töten), wird das Spiel zwischenzeitig sehr diskussionslastig. Meiner Meinung nach ein Indiz für ein nicht wirklich glatt geschliffenes Spiel. Die meisten Sachen lassen sich durch einen Blick in die Regel klären, aber hier muss man erstmal die richtige Stelle finden. Übersichtlich find ich die Regel leider nicht (auch wenn sie nicht wirklich schlecht ist).

Der Mechanismus, wie die Geschichten ausgewählt werden find ich super. Es entstehen wirklich kleine Geschichten und man stellt sich vor, wie z.B. der Quarterback einen Fitnissraum findet und da dann eine seltsame Kristallkugel findet. Die Texte sind sehr atmosphärisch und wenn man richtig schöne Horrorstimmung erzeugt, wird der Abend unvergesslich.

Die Regeln sind sehr gradlinig, aber der Zufallsfaktor ist entscheidener, als persönliche Entscheidungen. Im Prinzip wird man gespielt. Man entdeckt einen zufälligen Raum, zieht eine zufällige Karte und muss dann das Ergebnis von einem zufälligen Würfelwurf auswerten. Erst sobald der Spuk beginnt, kommt es zu den Entscheidungen: weiter erkunden oder Kämpfen, obwohl die Chancen schlecht stehen.

Ich hab irgendwo gelesen, dass die Szenarien obwohl es 50 sind alle ähnlich aufgebaut sind. Entweder man muss kämpfen und überleben, oder man muss einen bestimmten Raum finden und da eine bestimmte Probe ablegen. Da ich erst ein Szenario gespielt hab und es natürlich sein kann, dass einfach nur dieses Szenario relativ eintönig ist, da man anfangs eine 50:50 Chance zu gewinnen hat und diese im Verlauf des Spiels immer weiter abnimmt. Auch wird das Spiel während des Monsterzugs, relativ langweilig. Es gibt hier eine recht hohe Downtime und teilweise auch Verwirrung, da man plötzlich handeln möchte, obwohl man gar nicht dran ist, sondern nur der Spieler zur rechten angegriffen wurde.

Was ich auch etwas schade finde, ist dass es nur ein paar generische Pappmarker gibt, die man dann je nach Situation für irgendwas einsetzen kann. Ob ein Marker nun ein Hund, ein Zombie oder ein Außerirdischer ist, entscheidet sich nach Szenario und spielt sich im Kopf ab. Die Spielfiguren sehen super aus, aber ich glaub das Spiel wäre noch besser (und noch viel teurer), wenn es auch für alle Nichtspielercharaktere Miniaturen geben würde oder wenigstens Marker, die irgendwie nach diesen Figuren aussehen.

Aber meine Mitspieler hatten viel Spaß. Und ich muss zugeben, dass die Stimmung wirklich super ist. Ich hätte aber gern ein klein wenig mehr Einfluss auf das Spiel, auch wenn dann eventuell der Wiederspielreiz sinkt. Wenn man z.B. schon kleine Heftchen hat, könnten dort ja auch Entscheidungsbäume vorkommen, wie in den alten Abenteuerheften:
Willst du den Knopf drücken, lese Nr 47...
Aber das gibt es leider nicht. Ich geh davon aus, dass einige Szenarien nur noch halb so spannend sind, sobald einige Spieler es schon gespielt haben und wissen, was die Ziele des Verräters sind.

Ich denke das Spiel ist super, wenn man Spaß an einem atmosphärischen Spiel hat, das relativ gradlinig verläuft und man kein Problem hat einen ganzen Abend zu spielen ohne wirklich viel entscheiden zu können. Es sind interaktive Geschichten in die man eintachen kann. Ich spiele in so einer Situation lieber ein wirkliches Rollenspiel, aber da braucht man auch einen Spielleiter und benötigt vermutlich mehr Zeit als dieses ca. 3 Stunden dauernde Spiel.

Es gibt also eine Empfehlung unter Bedingung... ich geb ihm mal 3/6 Sternen.
Zuletzt geändert von SpieLama am 29. April 2014, 16:27, insgesamt 1-mal geändert.

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