Computerspiele als Kulturgut

Computerspiele als Kulturgut – Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück

Längst sind Computerspiele kein Nischenphänomen mehr. Einer Studie des Branchenverbands Bitkom aus dem vergangenen Jahr zufolge spielen 8 von 10 der bis 30-jährigen Deutschen regelmäßig – sei es auf dem Smartphone, der Konsole oder klassisch am PC. Bei den bis 49-jährigen Bundesbürgern ist es immerhin fast jeder zweite. Es ist also kein vermessener Wunsch der Branche, Computerspiele endlich als Kulturgut anerkannt zu sehen – aber die Politik sträubt sich. Ein bezeichnendes Exempel dafür hat erst wieder in der vorigen Woche die Verleihung des Deutschen Computerspielpreises statuiert.

Die Mehrheit der jungen Deutschen spielt, doch die Politik hat weiter Berührungsängste

Spiele sind schon seit Langem in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Kaum jemand, der nicht zumindest schon einmal auf dem Smartphone eine Runde gedaddelt hat. Das Klischee vom kreidebleichen Gamer, der bei zugezogenen Vorhängen die meiste Zeit in virtuellen Welten verlebt und rechts und links von sich – abgesehen von der bestellten Salami-Pizza – nichts mehr wahrnimmt, gehört in die Mottenkiste auf dem Dachboden. Statistiken belegen, dass Computerspiele zum Alltag gehören. Zumindest bei den jungen Leuten spielt fast jeder – und junge Leute werden auch mal älter, sprich: Wenn noch ein paar Jahre ins Land gehen, nimmt die Nutzung neuer Spiele-Plattformen auch in anderen Altersgruppen zu. Warum also haben vor allem Politiker nach wie vor solche Berührungsängste mit dem Medium „Spiele“? Das kann doch nicht einzig an dieser unsäglichen Killerspiele-Debatte liegen, die hin und wieder wie von branchenfernen Medien aufgegriffen wird, wenn’s gerade mal an aktuellen Themen mangelt? Spiele machen aus Leuten keine Amokläufer, genauso wenig wie brutale Filme oder gewalttätige Songtexte das tun. Also was ist das Problem?

Dass es ganz offensichtlich ein Problem gibt, wird an verschiedenen Stellen deutlich. Beispiel: die „MediaNight“ 2014 der CDU, die vor wenigen Tagen Politiker, Branchenvertreter und Presse im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin versammelte. Hier sprach unter anderem die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters über ihre Vision, wie in Zeiten der allgegenwärtigen Digitalisierung aller Lebensbereiche mit der Förderung von Kultur und Medien umzugehen sei. Von Wettbewerbsgleichheit, Netzneutralität (!) und Schutz geistigen Eigentums war die Rede und – sehr ausschweifend – von der Förderung des deutschen Films durch die Politik. Das Thema Games kam überhaupt nicht auf – dabei sollen Computerspiele doch angeblich Kulturgut sein, oder nicht? Offenbar nicht, wenn’s nach Grütters geht, sonst hätte sie den Deutschen Computerspielpreis wohl kaum gänzlich aus ihrem Aufgabenbereich verbannt. Im Frühjahr wurde bekannt, dass der von Politik und Wirtschaft geförderte Preis für die besten deutschen Games ab sofort im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur liegt. Das „Digital“ im Namen scheint auszureichen, um die Brücke zu Computerspielen zu schlagen. Ein bisschen Fantasie braucht’s schon, um dieser Entscheidung folgen zu können. Viel deutlicher kann die Politik kaum aufzeigen, was sie vom „Kulturgut Spiele“ hält.

Computerspiele im Ministerium für Verkehr

Schienennetz, Straßen, Schifffahrt – und Computerspiele. Alles in einem Ministerium. (Bild: bmvi.de)

Die Grünen-Politikerin Tabea Rößner konstatierte in einer an Grütters gerichteten Rede im Bundestag treffend: „Eines der wenigen schönen medienpolitischen Projekte, den Computerspielpreis, ließen Sie gleich ganz zu Ihrem Kollegen, Herrn Dobrindt wandern. Warum, ist mir wirklich schleierhaft. Ich dachte immer, es handelt sich um ein Kulturgut! Wenn jetzt beim Auto-Rennspiel ‚Need for Speed‘ eine PKW-Maut kommt, dann wissen wir ja, wer das war.“

Der Deutsche Computerspielpreis: Unsinnige Regeln und der Exit zweier Spielejournalisten

Computerspiele Preisverleihung

Der Deutsche Computerspielpreis hat ein massives Imageproblem. (Bild: DCP-Facebookseite)

Generell ist die derzeitige Situation des Deutschen Computerspielpreises symptomatisch für die Wahrnehmung des Mediums bei den Volksvertretern. Eigentlich sollte allein die Tatsache, dass es einen Förderpreis der Öffentlichkeit für Computerspiele gibt, zum Ausdruck bringen, dass Games ein Teil von Kultur sind. Nur passt das eben nicht zusammen mit der Verlagerung in Herrn Dobrindts Straßenbau-Ministerium – und mit der Art und Weise, wie der Preis Jahr um Jahr an Anerkennung und Wertigkeit in der Branche verliert. Kein Mensch interessiert sich für die Auszeichnung – die Preisgelder hingegen sind natürlich gern gesehen und gerade für Indie-Entwickler und Nachwuchsprojekte auch sinnvoll und hilfreich. Mit ihrem öffentlichkeitswirksam inszenierten Austritt aus der Jury des Deutschen Computerspielpreises sorgten die beiden bekannten Spielejournalisten Andre Peschke (ehemals Krawall, jetzt Gamestar) und Heiko Klinge (Making Games, Gamepro) kurz vor der Verleihung für hitzige Diskussionen.

Anlass für ihren Ausstieg war eine neue Regelung bei der Preisvergabe. Die besagt, dass es einen neuen Sonderpreis speziell für diejenigen USK18-Spiele gibt, die zwar die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit in der Jury in einer der Kategorien haben, allerdings von mindestens drei Mitgliedern blockiert werden. Sprich: Drei Leute können ihr Veto gegen die Mehrheit einlegen, aber NUR bei Games mit 18+-Altersfreigabe. Und der Sonderpreis wird nicht von der Politik getragen; die Branchenverbände BIU und G.A.M.E. zahlen das Preisgeld, die Verleihung des Preises auf der Bühne erfolgt durch Vertreter der Spielewirtschaft. „Dieser Passus sagt ja eigentlich, woher der Wind weht“, so Andre Peschke. „Die Politik muss nicht auf die Bühne, um diesen Preis zu verleihen und sie beteiligt sich finanziell nicht daran.“ Heiko Klinge ergänzt: „Sie macht sich quasi ihre Hände nicht schmutzig.“

 

Fähnchen im Wind: Der Versuch es allen recht zu machen scheitert grandios

Die neue Regelung ist offenbar eine (unnötige) Reaktion auf eine immer liberalere Jury, bestehend aus Vertretern der Branche, der Politik und der Wirtschaft. Vor zwei Jahren gewann der Shooter Crysis 2 den Preis als „Bestes Deutsches Spiel“, was für ein paar kritische Stimmen in Politik und Medien sorgte – aber auch nur ein paar. Von einem Eklat weit und breit keine Spur. Wieso auch? Wenn Filme wie Inglourious Basterds mit mehreren Millionen Euro Steuergeldern gefördert werden, warum kann dann nicht ein Spiel mit „erwachsenen Inhalten“ eine Auszeichnung und ein paar Tausend Euro Preisgeld kassieren?

The Day the Laughter stopped

Hypnotic Owl gewann den Sonderpreis für The Day the Laughter Stopped.

Und diese Regel ist nur eines von vielen Problemen, die dazu führen, dass der Award vor allem in der Branche und bei den Spielern nicht (mehr) ernstgenommen wird. Beispielsweise hatte Kalypso  eine Nominierung in der Sparte „Bestes Serious Game“ abgelehnt, weil vorab bekannt wurde, dass sich die Jury auf keinen der nominierten Titel einigen konnte. Dafür erhielt das ebenfalls in dem Bereich nominierte Spiel The Day the Laughter Stopped von Hypnotic Owl den neuen Sonderpreis. Eine Überarbeitung der Kategorien wäre ebenso nötig wie ein klares Bekenntnis zu Games als Kulturgut. Aber deshalb ist der Deutsche Computerspielpreis eben auch nur ein Symptom, das die Diskrepanz zwischen der Relevanz des Mediums „Computerspiel“ in der Gesellschaft und der Akzeptanz im parteipolitischen Kontext offenlegt.