Deutschland hat mit der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) eines der strengsten Jugendschutzsysteme der Welt. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit herrscht jedoch eine große Diskrepanz. Wer seine Kinder effektiv vor gefährlichen Inhalten schützen will, muss selbst aktiv werden.
Wer vor 20, 30 Jahren als Teenager rebellieren wollte, hörte Deathmetal oder Punkrock und labte sich an blutigen Horrorfilmen. Nur wenige wussten, dass sie auch vom Zuschauer zur Hauptfigur werden konnten. Denn Computerspiele steckten noch in den Kinderschuhen, und selbst wenn neue Games auf den Markt kamen, fanden sie bei weitem keine so große Verbreitung wie heute. Der Vertrieb lief nur über Fachgeschäfte, Raubkopien waren aufgrund mangelnder Möglichkeiten eine Randerscheinung.
USK vergibt Kennzeichen für den Jugendschutz
Heute bildet die Gamesbranche die umsatzstärkste Medienbranche der Welt – vor Film, Musik und Büchern. Allein in Deutschland setzte die Spieleindustrie 1,99 Milliarden Euro im Jahr 2011 um. Mit der zunehmenden Bekannt- und Beliebtheit von Videospielen stiegen aber auch die Anforderungen an die Gesellschaft. Denn zu den erfolgreichsten Spielen gehören immer wieder Actionspiele und Egoshooter – Titel, die für Minderjährige ungeeignet sind.
Um Kinder und Jugendliche vor gefährlichen Inhalten in Computerspielen zu schützen, gibt es die USK. Sie funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK). Beide Behörden vergeben Alterskennzeichnungen von „Ab 0 Jahren“ bis hin zu „Ab 18 Jahren“. Spiele und Filme, die keine Alterskennzeichnung erhalten, können von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert werden. Der Handel in Deutschland bietet fast nur von der USK gekennzeichnete Spiele an.
Entwickler kritisieren deutsches Prüfsystem
„Das deutsche System des Jugendmedienschutzes gewährleistet einen umfangreichen und sehr guten Schutz“, sagt der Jugendschutzbeauftragte vom Spielhersteller Electronic Arts (EA), Martin Lorber, gegenüber dem Gamesblog Spielbar.de. Es handle sich um eines der strengsten Systeme weltweit, aber gleichzeitig sei es „unangemessen komplex und kompliziert„.
Mit der USK hat Deutschland als einziges Land in Europa einen eigenen Prüfdienst eingerichtet. In den meisten anderen Ländern Europas werden Spiele mit den unverbindlichen Empfehlungen der PEGI gekennzeichnet. Das führt dazu, dass Entwickler von Spielen für Erwachsene ihre Produkte extra für den deutschen Markt anpassen müssen. Sie entfernen beispielsweise jegliche Darstellung von Blut, beschneiden Zwischensequenzen und verändern in manchen Fällen sogar die Hintergrundgeschichte ihrer Spiele. Deshalb hagelt es auch immer wieder Kritik am Freigabesystem. „Die absurde Doppelmoral, Tatsachen des Lebens, wie sie die Gewalt nun einmal darstellt, zu kaschieren und damit zu verharmlosen, existiert andernorts nicht“, schreibt das IT-Portal Heise. In einem anderen Artikel bezeichnet das Fachmagazin die Einschnitte der USK als „Zensur“. Den deutschen Spielern werde bedeutet, sie seien nicht in der Lage, sich selbst ein Bild von Wert und Unwert eines „Killerspiels“ oder auch eines „Gewaltvideos“ zu machen, was eine „beleidigende Unterstellung“ sei.
Eltern müssen sich aktiv mit dem Hobby ihrer Kinder auseinandersetzen
Was sich für besorgte Eltern im ersten Moment wie eine gute Nachricht anhören mag, ist in der Realität nur wenig effektiv. Denn eines merken Jugendliche schnell: Wenn sie ein Spiel haben wollen, bekommen sie es auch irgendwie. Es ist wie mit dem Alkohol. Im Notfall besorgt ihn der große Bruder. Nur dass es bei Videospielen noch mehr Wege gibt. Es ist kein großes Geheimnis, dass sich die ungeschnittenen Spielversionen zumeist problemlos aus Österreich oder Holland importieren lassen. Über das Internet ist es zudem sehr einfach, Games illegal herunterzuladen. Dabei handelt es sich dann ebenfalls um die internationalen, ungeschnittenen Versionen. Die USK ist also wie ein Oger, der seine Zensurkeule wild schwingt, aber nur wenige Treffer landet.
Für Eltern bedeutet das, dass sie die USK-Angaben zwar als Anhaltspunkt beim Spielekauf für ihre Kinder nutzen können. Dennoch sollten sie sich aktiv mit dem Medium Videospiel auseinandersetzen und am besten selbst praktische Erfahrungen sammeln. Nur so können sie beurteilen, welchen Einfluss ein Spiel auf ein Kind hat. „Die neuen Medien sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Von daher sollten Kinder schon früh Kontakt mit altersgerechten Inhalten haben, um dann auch früh den Umgang mit ihnen zu lernen“, sagt EAs Jugendschutzbeauftragter Martin Lorber. Das Unternehmen hat einen Elternratgeber ins Leben gerufen, um Erwachsenen Tipps zu geben und mögliche Berührungsängste vor Videospielen zu nehmen. Außerdem veranstaltet die Bundeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit der Computerspiel-Liga ESL regelmäßig sogenannte Eltern-Lans, wo die Teilnehmenden eine medienpädagogische Einführung zu Computerspielen erhalten.
Auch wir von spielen.de wollen uns hier im Blog künftig weiter mit dem Thema Jugendschutz auseinandersetzen. Um euch als Ratgeber zur Seite zu stehen, findet ihr schon jetzt zu vielen Spielen auf unserer Seite Altersempfehlungen unserer Redaktion. So seht ihr auf den ersten Blick, ob es zu eurem Kind passt. Bei einer Auswahl von rund 15.000 Spielen ist für jede Altersgruppe etwas dabei!