Beitragvon Erklärbär » 6. Oktober 2009, 23:03
Hallo Roman,
Duchamp hat es exemplarisch auf den Punkt gebracht: Diese "zeitliche Distanz" macht vieles spielbar. Aber lebende Zeitzeugen sind genau das K.O.-Kriterium.
Und entsprechend haben - allein schon rein mengenmäßig - die Deutschen im Vergleich zu den Amis, von denen wiederum die meisten WWII-Cosims stammen, weit mehr lebende Zeitzeugen für den WWII und damit kein Interesse daran, diese Leute am Spieltisch mit ganz realen Traumata zu konfrontieren. Zu den Zeitzeugen kommt dann noch deren Kindergeneration, so dass Mitspieler schon jünger als ca. 50 Jahre sein müssen, um keine negative Lebenserfahrung mit WWII zu verbinden.
Ergo ist es in D ein Unding - Holocaust hin oder her - ein WWII-Spiel unter's Volk zu bringen. Nicht die Spieler sind dabei das "Problem", sondern die Mitmenschen, mit deren Alpträumen man dann spielt. Das ist ganz real, aber in anderen Ländern und anderen Erfahrungen gerade eben kein Problem. "Andere Nationalitäten kennen diese Probleme zum Glück ja nicht" sehe ich dann nicht aus Spielersicht, sondern historisch. Doch, kennen sie auch, nur nicht in dieser Menge.
Alle Spiele, die die Verletzung der Menschenwürde als Thema haben, sind zwar theoretisch spielbar - "Moral" ist ein weiter Begriff. Aber bei den meisten Menschen hört der (Spiel-)Spaß auf, wenn er auf die Realität aufschlägt. Spielen erlaubt doch gerade, sich über moralische Grenzen hinweg zu bewegen. Nur müssen es halt auch spielfremde Personen ertragen. Will "man" dass? Das ist ein persönlicher Standpunkt, und vielen ist dies wohl egal. In 10-20 Jahren ist WWII wahrscheinlich auch bei uns spieltisch-tauglich, wenn da nicht die Friedhöfe wären...
PS: Ich empfehle dazu die WWII-Serie der SZ, die zur Zeit wochenends Zeitzeugen zu Wort kommen lässt.
Servus,
Heinz (spielt keine Spiele, die als Dreistünder+X gelten - warum nur ein Spiel in der Zeit spielen, dass man dann viel zu selten spielen kann?)