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Spannung, Glueck und Planung im Spiel

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Wolfgang Werner

Spannung, Glueck und Planung im Spiel

Beitragvon Wolfgang Werner » 21. Mai 1999, 13:57

Oft sehe ich auf der Rueckseite von Spieleschachteln oder in Rezensionen Bewertungen des Spiels nach obigen Punkten.
Dabei stellen sich mehrer Fragen:
(1) Sind Glueck und Planung nicht komplementaer zueinander? D.h. Was bedeutet z.B. Glueck 5 und Planung 7 auf einer Bewertungsskala von je 1-10? Impliziert nicht Planung 7 auch Glueck 3 oder Glueck 5 auch Planung 5?
(2) Kann ein stark gluecksabhaengiges (bzw. planerisches) Spiel spannend sein? Heisst das nicht, dass ein stark taktisches (planbares) Spiel automatisch nicht spannend (=langweilig) ist? Andersherum, Spiele mit hohem Zufallsfaktor sind "besser", weil sie spannender sind? Oder macht es einfach die richtige Mischung?
Mich wuerden Eure Meinungen dazu interessieren.

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Volker

Re: Spannung, Glueck und Planung im Spiel

Beitragvon Volker » 21. Mai 1999, 16:23

Eigentlich ja. Ein (in beliebig viele Zwischenstufen
unterteilter) Balken mit "Planung" an einem und "Glueck"
am anderen Ende waere sicher realistischer.
Man muss allerdings beachten, dass es noch einen dritten
Faktor gibt, naemlich die Interaktion zwischen den Spielern,
wodurch quasi die Summe von Planung und Glueck auf einen
Wert <100% reduziert werden kann.
Die Mischung macht's, wobei es keinen objektiv gesehen
optimalen Wert gibt. Je nach den sonstigen Spielmechanismen
sind m.E. 5-20% Glueck und demzufolge 80-95% Planung
gut, aber das kommt auch auf Charakter, Interesse und
Faehigkeiten der Mitspieler an.
Keinesfalls! Ich schliesse mich da ganz der Meinung an,
die Tom Werneck in seinem Buch ueber das Erfinden von
Spielen vertritt: "Das langweiligste Spiel der Welt: ein
Wuerfellaufspiel mit eingebauten Ereignissen".
Sobald der Gluecksfaktor auch nur in die Naehe von 50%
kommt, wird es eher langweilig.
Umgekehrt muss natuerlich ein gewisser Rest an Glueck
uebrigbleiben, sonst ist es strenggenommen gar kein Spiel
mehr, sondern (Denk-)Sport wie z.B. Schach, Go etc.
Nur bei Spielen fuer mehrere Spieler kann man auf ein
Glueckselement verzichten, weil eben durch die Interaktion
etwas Unberechenbarkeit einfliesst. Ein gelungenes
Beispiel dafuer waere "Conquest" von Hexagames
(die 4-Personen-Ausgabe), ein sehr schoenes Spiel, aber auch
das einzige mir bekannte, das ohne Zufallselement auskommt.

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Christian Egg

Re: Spannung, Glueck und Planung im Spiel

Beitragvon Christian Egg » 26. Mai 1999, 00:03

So pauschal kann ich das nicht stehen lassen! "Talisman" ist m.E. z.B. etwa 80% Glück, und trotzdem kann das Spiel enorm Spass machen.
Du vergisst "Diplomacy", wenn man von der ursprünglichen Verteilung der Positionen absieht.
Chris

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Gerald Rüscher

Re: Wie definiert man Glück? ;-)

Beitragvon Gerald Rüscher » 26. Mai 1999, 09:11

Das ist korrekt.
Wenn ich mal den Informatiker raushängen darf, dann bedeutet Planung Determinismus, d.h. Bestimmtheit, d.h. das Vorgehen nach festgelegten Verfahren ohne Zufallskomponente.
Glück bedeutet Nichtdeterminismus, d.h. das Eintreffen nicht vorhersagbarer und nicht beeinflussbarer Ablaufkomponenten.
Alles klar?!? :-)
Insofern müssen IMHO Glück und Taktik - wie du es schon schreibst - die beiden Enden einer Skala sein.

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Gerald Rüscher

Re: Spannung, Glueck und Planung im Spiel

Beitragvon Gerald Rüscher » 26. Mai 1999, 09:17

Mir fallen spontan für beides Beispiele ein.
Die 18xx Spiele (1830, 1856, 1835) sind Mehrparteienspiele bei denen zu Beginn die Sitzordnung ausgelost wird und ansonsten keine Zufallselemente existieren.
Es sind Musterbeispiele extrem spannender Spiele ohne Glücksfaktor.
Gleiches trifft auch auf Diplomacy zu.
Aber auch Spiele mit hohem Glücksfaktor können Spaß machen, z.B. Bluff, Phase 10 Würfeln, Hol's der Geier.
Meist fallen diese Spiele aber in die Kategorie ärgerspiele.
Spannung kommt bei Glücksspielen zudem immer dann auf, wenn's um einen substanziellen Einsatz geht (Black Jack um Geld, Strip-Poker :-) usw.)
Ich persönlich bevorzuge eine Mischung aus ca. 1/4 Glück und 3/4 Planung.
So lohnt es sich, im Spiel seine Gedanken zu machen und gleichzeitig sorgt ein Glücksfaktor für Variation und überraschung.

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Volker

Re: Spannung, Glueck und Planung im Spiel

Beitragvon Volker » 26. Mai 1999, 13:06

Ganz so hoch wuerde ich den Gluecksfaktor bei Talisman
nicht einschaetzen (m.E. eher 60%), aber es ist schon
richtig, dass die 50%-Marke keine feste Grenze ist und
dass es (in beide Richtungen) gelegentlich Abweichungen
gibt. Und ebenso ist mir auch klar, dass es Spieler gibt,
die gar keine Lust auf strategische Planungen haben und
sowieso ein witzig aufgemachtes Gluecksspiel interessanter
finden als eines, das eine relativ grosse intellektuelle
Herausforderung darstellt.
Stimmt, daran habe ich nicht gedacht. Liegt wohl daran, dass
ich das bisher kaum gespielt habe (nur 3 Partien gegen
einen einzigen Gegner).

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Wolfgang Werner

Re: Wie definiert man Glück? ;-)

Beitragvon Wolfgang Werner » 26. Mai 1999, 13:35

Zur Definition von "Glueck im Spiel":
Mit "Glueck im Spiel" bezeichne ich den von dir bereits besagten Nicht-Determinismus (Wuerfelergebnisse, Verteilungen von Karten, etc.). Nicht gemeint ist dagegen Interaktion zwischen den Spielern (das ist wohl eher als Koenigsmacher-Effekt zu sehen) oder wenn ein Spieler einen nicht optimalen (schlechten) Spielzug macht.
Bisher gibt es wohl auch keine Skala, an welcher der Gluecksfaktor eines Spieles objektiv bestimmt werden kann. Das ist bereits an einigen Posts hier ersichtlich.
Wie haengt dies alles nun mit "Spannung im Spiel" zusammen? Ist eine Partie Bluff/Poker spannender als eine Partie Schach/Go?
Man bedenke, dass Schach zwar theoretisch vollstaendig planbar ist, jedoch in der Praxis nur bis zu einer gewissen Tiefe. Also schliessen sich Determinismus und Spannung nicht unbedingt aus. In der Tat scheinen (Nicht-)Determinismus und Spannung unabhaengig zu sein.

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Micha

Re: Wie definiert man Glück? ;-)

Beitragvon Micha » 26. Mai 1999, 16:10

Man könnte auch sagen, Glück im Spiel ist indirekt proportional zu Pech in der Liebe, oder?
Huh-huh, hoffentlich wird dieser Kommentar nicht wegen Unqualifiziertheit aus dem Forum gestrichen... :-)

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Gerald Rüscher

Re: Wie definiert man Glück? ;-)

Beitragvon Gerald Rüscher » 26. Mai 1999, 16:25

Der Knackpunkt ist, dass viele Spiele so viele Freiheitsgrade haben, sprich so variationsreich sind, dass es einem Menschen unmöglich ist, alle möglichen Entscheidungspfade durchzugehen.
Selbst bei einem ganz einfachen Spiel wie Tic-Tac-Toe sind viele Menschen schon überfordert, alle Möglichen Abläufe im Kopf(!) durchzudenken.
Und sobald es nur ein wenig komplexer wird, wird das unmöglich.
Ein Mensch benutzt daher andere Mechanismen als eine Maschine und der wichtigste davon ist, Varianten auf einer niedrigen Analysestufe zu bewerten, die unwichtigen sprich wenig erfolgversprechenden zu erkennen und auszublenden.
Es kommt nun nur darauf an, wie gut dieser Mechanismus der unvollständigen Analyse funktioniert.
Die Spannung - auch bei vollständig deterministischen Spielen - beruht genau auf dieser Tatsache.
Sieht mein Gegner einen Zug oder sieht er ihn nicht?
Und umgekehrt: werde ich eine optimale Lösung finden oder nicht?

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Dirk Piesker

Re: Spannung, Glueck und Planung im Spiel

Beitragvon Dirk Piesker » 26. Mai 1999, 16:57

Der Einfluss, den der Gluecksfaktor auf den Spielspass hat, ist nicht so einfach zu beurteilen. Es kommt IMHO darauf an, wie geschickt das Glueck im Spielmechanismus versteckt ist. Dabei ist der Wuerfelwurf als offensichtlichste Methode generell der Spasskiller Nr. 1.
Beim Nachzeiehen von Karten kann z.B. die jeweils Naechste offen liegen. Was kommt, ist zwar immer noch Zufall, aber planbar.
Dirk

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Helmut Lehr

Re: Wie definiert man Glück? ;-)

Beitragvon Helmut Lehr » 26. Mai 1999, 18:23

Wieso das denn ? Darüber kann man doch schmunzeln. Wir Hobbyspieler können doch Spaß auf jeden (?) Fall vertragen, aber keine unqualfizierten Beleidigungen Andersdenkender!

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Marcel-André

Re: Glückselemente im Spiel

Beitragvon Marcel-André » 26. Mai 1999, 18:50

Glückelemente im Spiel finde ich vor allem dann sinnvoll, wenn sie
a) die Grundkonstellation variieren (also das Spiel von einem starren, immer gleichen Ablauf befreien).
z.B. Variabler Plan bei Siedler, eine zufällige Kartenhand etc.
b) einen angemessenen Zockerfaktor haben (nehme ich jetzt noch eine Karte oder nicht?)
z.B. Can´t stop, Ra
Persönlich mag ich Spiele nicht, in denen das Glückselement die taktischen überlegungen wieder aufhebt oder gewisse Spieler bevorzugt werden, ohne dabei die Variationsbreite des Spieles zu stärken.
Die grobe Einteilung in Glück und Taktik finde ich gar nicht so gelungen. Was ist mit der Komponente Bluff (Einschätzen der Anderen aufgrund von Halbwissen). Meineserachtens ein sehr wichtiger Spielbestandteil.
Grüße,
Marcel-André


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