Beitragvon Günter Cornett » 14. Januar 2004, 14:08
Rolf Mihm schrieb:
>
Hallo Rolf,
das sind ja ne ganze Menge fragen. Ich geb mal meinen Senf dazu, was deswegen noch nicht offizielles Recht sein muss - leider ;-)
> Die konkrete Frage ist doch aber sicherlich, in welchem
> Rahmen das geschieht. Wenn ich also dir, nur mal als
> Beispiel, auf einer Spieleveranstaltung, meinetwegen in
> Essen, von einer Spielidee erzählten würde, dann aber mich
> nicht weiter damit beschäftige, währenddessen jedoch später
> erfahre, daß du aus meiner Idee ein komplettes
> funktionierendes Spiel entwickelt hast, ist daran rein
> rechtlich gesehen wohl kaum etwas auszusetzen - abgesehen
Weder rechtlich noch moralisch. Wenn ich mich konkret auf deine Idee beziehe, würde ich dir vermutlich eine Zusammenarbeit anbieten. Jedoch, wenn ich keine Idee, die mir jemand erzählt, nutzen dürfte, müsste ich mir ständig die Ohren zuhalten.
Es ist durchaus möglich, dass mir irgendjemand etwas erzählt, ich dem zunächst nicht weiter Beachtung schenke und das ganze vergesse bzw. glaube zu vergessen. Wenn ich dann später an irgendeinem Spiel arbeite und mir ein Mechanismus oder eine Lösung zu einem Problem einfällt, ist es möglich, dass dies nur deshalb geschieht, weil mir das irgendjemand mal erzählt hat.
> wahrscheinlich davon, daß dir niemand mehr von seiner
> Spielidee berichten würde und das im allgemeinen ein ziemlich
> linkes Ding wäre. Jedoch, wir erinnern und, Ideen geniessen
> kein Urheberrecht. Ich könnte mich also in dem angesprochenen
> Fall wohl kaum beschweren.
>
> Wenn wir das jetzt jedoch weiterspinnen - was wäre denn z.B.,
> wenn ich dir, in meinem Wissen darum, du bist Spieleautor und
> Verleger, von einer Idee erzähle, mich weiter damit
Autor sein und Spiele anderer Autoren verlegen ist eine nicht ganz unproblematische (wenn auch nicht unmoralische) Kombination.
> beschäftige, gegebenenfalls nach einiger Zeit einen
> Prototypen vorlegen könnte, dann aber so um die Zeit herum
> erfahre, daß besagtes Spiel unter eben deinem Namen oder in
> deinem Verlag nach der dir von mir geschilderten Idee
> tatsächlich verwirklicht wurde und auch alsbald erscheinen
Ich glaube hier muss erstmal geklärt werden: Was ist 'Von einer Idee erzählen'?
Wenn es sich um eine bloße Idee handelt, wird mein fertiges Spiel völlig anders aussehen als deines. In der Spiel&Autor habe ich zwei Fälle von Parallelentwicklungen beschrieben, wo der Gedanke an Abgucken zwar naheliegt, aber es sich dennoch um völlig unabhängig entwickelte und völlig verschiedene Spiele handelt:
[i]Berlin, Januar 1990: Ein 7,5t Kühlwagen hält in der zweiten Reihe vor dem
Spieleladen in der Ludwigkirchstraße. Der mit einem stadtschneefarbenen
Kittel bekleidete Fahrer steigt aus. Nicht um Rippchen oder Tiefkühltorten
zu liefern und auch nicht in der Absicht ein Spiel zu kaufen, betritt er den
kleinen Laden. Mit der aktuellen Pöppel-Revue in der Hand will er nur den
Rat des Fachverkäufers:
„
Wer ist denn dieser Wittig und wie kommt der an meine Spielidee ?!“
Matthias (damals-noch-)Stobbe erzählte mir daraufhin ein wenig über Reinhold Wittigs Engagement für Spieleautoren und vom Göttingener Treffen, konnte mein Misstrauen aber noch nicht völlig zerstreuen: Meine erste Spielidee hatte den Arbeitstitel
[/b]Landgang[/b]
2-6 Matrosen versuchen ihre Heuer optimal zu vertrinken, d.h. nach einem Ausflug in die Kneipen der Stadt möglichst betrunken aufs Schiff zurückzukommen. Je betrunkener der Matrose, desto abhängiger ist er aber auch von der Hilfe zwielichtiger Gestalten, die er in den Kneipen trifft.
Ich hatte viel Mühe in selbst gezeichnete Karten gesteckt und in einen Schiebemechanismus, an dem man Alkoholisierungsgrad und Zugweite der Spielfigur ablesen konnte.
Ich hielt das Thema für originell und sehr ungewöhnlich. Doch ‚Landgang’
war auch der Titel des gerade erst erschienen Spieles von Reinhold Wittig.
In der Pöppel-Revue 1/90 wurde es beschrieben. 3-6 Matrosen ziehen durchs Kneipenviertel ...
So ein ausgefallenes Thema zur selben Zeit zweimal unabhängig voneinander in ein Brettspiel umgesetzt - kann das Zufall sein ?
Natürlich war es Zufall. Nachdem ich ein gutes Jahr später das erste Mal in Göttingen war, konnte ich mich davon überzeugen, dass unterschiedliche Menschen mitunter doch sehr ähnliche Ideen haben. Die konkrete Umsetzung der Landgang-Thematik hatte letztlich zu spielmechanisch recht unterschiedlichen Ergebnissen geführt (wobei mein Spiel wohl erst zum Göttingener Spieleautorentreffen endgültig fertig wird sein – vielleicht schon in diesem Jahr).
Auf dem Göttinger Autorentreffen kam ich dann selbst ein wenig in den Verdacht,
mein ‚Schlangennest’ bei dem etwas früher entwickelten ‚Schlangen von Dehli’
abgeschaut zu haben (was ich allerdings erst etliche Jahre später erfuhr). Ich hatte
– ohne von dem Spiel zu wissen - die gleichen Teile verwendet:
Kärtchen mit Geraden und Kurven, jeweils ein farbiges und ein neutrales, welches
spieltechnisch die Farbe annimmt, an die es angelegt wurde. Auch diese beiden Spiele sind trotz gleicher Grundidee sehr unterschiedlich umgesetzt worden.[/i]
Es geht also weniger um Ideen sondern vielmehr um die konkrete Umsetzung.
Anders verhält es sich, wenn du mir ein Spiel zeigst und ich wesentliche Elemente daraus verwenden würde. U.U. ist das Ganze aber mehr unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten denn als Urheberechtverletzung relevant. Eine sauerei wäre das in jedem Fall.
Etwas, was noch gegen den Ideenschutz spricht, ist: jeder Tester, der irgendeine Anregung zu einem Spiel geliefert hat, könnte Miturheberschaft beanspruchen.
Dieser Punkt ist übrigens problematisch für ein öffentliches Projekt wie dieses. In einer Testrunde sind es grundsätzlich mündlich geäußerte Kommentare, hier handelt es sich um eine schriftliche Mitwirkung an einem Spiel. Wer ist Autor, wer nicht? Was ist Idee, was ist urheberechtlich relevantes Regelwerk? Das sollte vorher festgelegt werden.
> soll. Könnte man dann auch hier sagen, Ideen geniessen kein
> Urherberrecht, wenn man davon ausgeht, daß es sich zum
> Zeitpunkt unseres Gespräches tatsächlich erst um eine Idee
> gehandelt hat, also außer dieser noch keine weitere Arbeit in
> das Spiel gesteckt wurde, geschweige denn ein Prototyp
> vorgelegen hat.
Wenn du konkret an einer Spielidee arbeiten willst, solltest du sie denen mitteilen, mit denen du daran arbeiten willst, eventuell noch engen Freunden, um Meinungen einzuholen, nicht aber Mitbewerbern.
> Und jetzt vielleicht ein wenig wahrscheinlicher Fall - eine
> Idee samt Prototyp liegt vor, ich berichte dir von dieser
> Idee, ohne dir den Prototypen zu zeigen oder dir von diesem
> zu berichten. Wenig später erfahre ich, selbiges Spiel wird
> nach meiner Idee aber unter dem Namen eines anderen Autors in
> deinem Verlag erscheinen. Das alles unter der Vorraussetzung,
> daß ich den Prototypen weder dir noch sonst einem Verlag
> bereits vorgelegt habe. Ist das dann eine Idee, die kein
> Urheberrecht geniessen kann oder liegt hier dann ein Plagiat
> vor? Plagiat wovon, wenn das Spiel als solches ja noch gar
> nicht erschienen ist. Ist das ein Ideenklau?
Ideenklau kann es nicht sein, weil es kein Besitzanspruch an Ideen gibt. Wenn Ideen schützbar wären, müsste die NASA womöglich Lizenzgebühren an den Autor von Peterchens Mondfahrt zahlen.
In der Praxis ist es so, dass häufiger Ideen an mich herangetragen werden, mit der Bitte daraus ein gemeinsames Spiel zu machen. Es mangelt eigentlich nicht an Ideen und selbst wenn mehrere Autoren die gleiche Idee umsetzen wollen, kommt etwas anderes heraus. Die Arbeit des Spielautors besteht vor allem aus der Umsetzung von Ideen. Diese Werke sind schützenswert. Ein gutes Spiel, das auf einer bekannten Idee basiert ist IMHO mehr wert als ein schlechtes, dem eine neue Idee zugrunde liegt.
> Und schließlich noch die immer wieder gestellte Frage - wie
> steht es konkret mit dem Schutz der eigenen Idee bzw. des
> eigenen Spiels, wenn man einen Prototypen an einen Verlag
> schickt? Abgesehen davon, daß sich kein Verlag leisten kann,
> ein Spiel nach einem Prototypen abzulehnen und es dann doch
> unter einem geänderten Konzept durch einen anderen Autor,
> einen Autor halt, der schon einen Namen hat, zu
> veröffenltichen - theoretisch möglich wäre das doch.
Ja, theoretisch wäre das möglich. Urheberechtlich reichen m.W. schon relativ geringfügige Änderungen eines vorhandenen Spieles aus, damit es als ein neues Spiel gilt. Wo die Grenze liegt, weiss wohl keiner so genau. In der Praxis ist die Scheu vor dem Klau allerdings wesentlich höher. Verlage können sich das Autorenhonorar zudem eher leisten als schlechte Publicity. Und als Autor möchte ich meine eigenen Spiele machen, meine eigene Kreativität zum Ausdruck bringen.
> Natürlich, der Verlag wird ab diesem Zeitpunkt keine
> Spielideen bzw. -prototypen mehr bekommen, wenn ein solches
> Verhalten öffentlich gemacht würde. Die Frage jedoch, die
> hier im Raum steht - ist denn ein Prototyp als sozusagen
> Ausarbeitung einer Idee dem Urheberrecht unterworfen? Liegt
Ja, in Zusammenhang mit der niedergeschriebenen Spielanleitung.
> dann in diesem Fall ganz eindeutig nicht nur der Diebstahl
> einer Idee vor (gut, Ideen an sich können nach dem
> Verständnis von dem wir hier ausgehen, nicht gestohlen
> werden, denn sie sind frei verfürgbar), oder handelt es sich
> hier bereits um ein eindeutiges Plagiat.
Ob Plagiat oder nicht, lässt sich wohl nur am konkreten Beispiel klären.
> Kurz gesagt - wie ist es mit der zeitlichen Reihenfolge, in
> der eine solche Idee für ein Spiel mehr oder weniger
> öffentlich diskutiert wird. Wie steht es mit der von dir
> vorgeschlagenen Diskussion per email - zwar weiß der
> Ideengeber dann, mit wem er darüber diskutiert hat, aber wenn
> Ideen kein Urheberrecht geniessen, kann dann doch auch in
> diesem Fall "unter Freunden" schon mal ein linkes Ei dabei
Das ist immer möglich. Es sollte z.B. klar festgelegt werden, wer ist Autor und wer nur Tester.
Mein Vorschlag hierfür: derjenige, der einen konkreten Spielevorschlag in die Diskusion bringt, ist Autor und entscheidet, wen er zum Mitautoren kürt.
Wenn es sich nur um brainstormmässige Ideen handelt, sollte man irgendwann einen Punkt erreicht haben, an dem man sich entscheidet, das Ganze zu strukturieren. Zu diesem Zeitpunkt sollte festgelegt werden, wer von den Beteiligten als Autor an dem Projekt arbeitet.
Bei Veröffentlichungen im Forum können unbeteiligte Dritte absahnen und ihr eigenes Ding daraus machen. Im Sinne von 'gelegenheit macht Diebe' möchte ich niemanden dazu verleiten.
> sein. Also ich meine, ein solches Forum per email schützt
> wohl kaum vor Ideenklau - abgesehen mal davon, daß man wohl
> davon ausgehen können sollte, seinen Freunden, mit denen man
> eine solche Idee diskutiert, vertrauen zu können.
In einem Raum mit zehn mir namentlich bekannten Personen kann ich mein Portmanie eher mal liegen lassen als auf dem Alexanderplatz.
100%igen Schutz gibt es nirgendwo. Rein theoretisch ist es ja auch möglich, dass dein PC geknackt wird...
> Um dann konkret auf peers Frage zurückzukommen - wenn jetzt
> jemand peers Idee nach seiner Inspiration zum Herrn der Ringe
> aufgreift, ist doch wohl mehr oder weniger klar, daß peer
> durch die öffentliche Diskussion hier im Forum die Idee bis
> zu sich zurückverfolgen kann und zumindest doch auch die
> Leser des Forums in der Lage sind, diesen Sachverhalt
> einzuschätzen. Geniesst also peers Idee dadurch, daß er sie
Keinesfalls. Siehe oben meine Beispiele zu Landgang und Schlangennest.
Oder der 'Fall' Odysseus und Ulysses. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand zu Unrecht verdächtigt wird, ist IMHO wesentlich größer als die des tatsächlichen 'Ideenklaus'.
> hier doch in einem anerkannten Format der Spielebranche
> öffentlich gemacht hat, mehr Urheberrecht als z.B. nur die
> mündlich geäußerte Idee gegenüber einer dritten Person? Wäre
> es ein Unterschied, wenn peers Idee im Printmedium spielbox
> veröffentlicht worden wäre - nur als Idee natürlich, nichts
> als "Spiel zum Heft".
Da bloße Ideen keinen Urheberechtsschutz geniessen, wäre das auch nicht besser. Er könnte vielleicht sein Ego damit schmücken, als erster eine solche Idee gehabt zu haben, müsste sich dann aber auch fragen lassen, wieso er unfähig war, diese umzusetzen....
Viele Grüße
Günter Cornett (von gleich bis Anfang nächster Woche auf einem Spieleautorentreffen)