Beitragvon Wolf » 17. September 2006, 11:20
Es gibt ja noch mehr als nur Tempus :)
In Gloria Mundi sind wir als Römer auf der Flucht vor den Barbaren. Wer als erster das sichere Afrika erreicht oder sich am weitesten von Rom entfernt hat, wenn die Goten diese Stadt erreichen, wird Sieger.
Der Spielplan zeigt eine Karte von Italien mit zwei Laufbahnen. Eine führt von Rom zur afrikanischen Küste und auf dieser bewegen sich die Spielerfiguren. Die andere, die Zugbahn für die Goten (eine Spielfigur) führt von der nordöstlichen Grenze nach Rom. Spielerfiguren und Goten stehen sich also nie direkt gegenüber.
Je nach Spielerzahl (2 – 6) erhält jeder Spieler zu Beginn eine Anzahl Basiskarten. Diese Basiskarten gibt es in drei Gruppen – Landwirtschaft, Städte und Legionen. Eine Karte jeder Gruppe legen die Spieler als Auslage vor sich ab, der Rest kommt hinter einen Sichtschirm. Jede Karte in der Auslage kann eine Ware der betreffenden Art produzieren und die so erhaltenen Waren in Form kleiner Holzklötzchen legt man ebenfalls hinter seinen Sichtschirm. Zu Beginn erhält man eine Ware jeder Art.
Das Salz in der Suppe sind aber die so genannten Aufbaukarten. Die erste Tat jedes Spielers ist es, eine neue Aufbaukarte aufzudecken. Dazu gibt es auf dem Spielplan 6 Felder, die mit +5. +4 usw. bis +0 bezeichnet sind. Jede Aufbaukarte zeigt einen Preis in Form von Waren, die abgegeben werden müssen. Zusätzlich muss man aber für den Erwerb beliebige weiter Waren abgeben, je nach dem, auf welchem Feld die Karte liegt. Eine neue Karte kommt stets auf das Feld +5, kostet also zusätzlich 5 weitere Warensteine, aber dort schon befindliche Karten rutschen ein Feld herunter, werden also billiger, ein ähnliches System, wie wir es z.B. von Atlantic Star kennen.
Für den Erwerb der Aufbaukarten gibt es aber noch eine andere Bedingung. Fast alle gelten nur für einen der drei Bereiche, also Landwirtschaft, Städte oder Legionen und ich muss sie auf eine passende Basiskarte meiner Auslage legen können, auf der sich noch keine andere befindet.
Nach dem Aufdecken der neuen Aufbaukarte muss der Spieler aus seinem Bestand eine Basiskarte wählen und diese zu seiner Auslage legen. Damit bestimmt er, ob es eine Landwirtschafts-, Stadt- oder Legionenrunde wird. Er selbst und alle Spieler erhalten dann für jede entsprechende Karte in ihrer Auslage einen Warenstein.
Liegt auf der Basis- eine Aufbaukarte, so kann sich der Spieler entscheiden, ob er den Warenstein für die Basiskarte nimmt oder die Eigenschaften der Aufbaukarte nutzt.
Schon beim Erwerb der Aufbaukarte wird man damit belohnt, dass man zwischen ein und vier Felder in Richtung Afrika ziehen darf (und darauf kommt es ja schließlich an), aber sie liefern auch während des Spiels, wenn sie aktiviert werden, große Vorteile. So kann man z.B. zusätzliche Warensteine bekommen, Unpassende gegen Passende tauschen, gegen Abgabe von Waren in Richtung Afrika ziehen, Ruhmsteine erwerben, die als Joker für alle Warenarten gelten und ihrerseits wieder die Bedingung für den Erwerb einiger Aufbaukarten sind usw.
Nachdem diese Runde abgewickelt wurde, darf der aktive Spieler noch eine Aufbaukarte kaufen und dann schlägt die Stunde der Goten.
Auf der Zugbahn der Goten zeigt jedes Feld mindestens ein Symbol, das für einen der drei Bereiche Landwirtschaft, Spiele oder Legionen steht. Der Gote zieht normalerweise ein Feld in Richtung Rom und zerstört dann für jedes Symbol eine Basis-Auslagekarte des aktiven Spielers. Dabei werden Aufbaukarten, die auf den entsprechenden Basiskarten liegen, auch vernichtet.
Um dies zu verhindern, kann ihm aber der aktive Spieler Tribut zahlen, indem er auf das Feld die geforderten Waren legt. Auch die folgenden aktiven Spieler können ein Setzen verhindern, indem sie jeweils auf das nächste freie Feld die geforderten Waren legen.
Irgendwann wird jedoch ein Spieler nicht mehr den Tribut zahlen können oder wollen und dann zieht der Gote bis zum letzen Feld, für das noch Tribut gezahlt wurde. Für jeden Warenstein über den er dabei zieht, muss nun eine entsprechende Auslagekarte (evtl. zusammen mit einer Aufbaukarte) geopfert werden. Dabei muss keine Reihenfolge eingehalten werden, der aktive Spieler sucht zuerst aus und dann geht es reihum. Hat ein Spieler keine Auslagekarte einer geforderten Art, so wird er dafür nicht bestraft, der nächste Spieler muss das Opfer übernehmen.
Alle Warensteine gehen danach an die Spieler zurück. Wieder darf sich der aktive Spieler den ersten Stein aussuchen und dann geht es reihum weiter, gleichgültig, wer wie viel Tribut vorher gezahlt hatte.
Nach der Gotenphase wird der linke Nachbar aktiver Spieler und es geht weiter mit Aufdecken einer neuen Aufbaukarte, Auswählen einer Auslagekarte, evtl. Kaufen einer Aufbaukarte und Tributzahlung oder Setzen der Goten.
Soweit eine grobe Übersicht der Regeln. Aber wie spielt es sich nun?
Zu den Kriterien für ein gutes Spiel gehören für mich dass man nicht „gespielt“ wird, dass man laufend gezwungen wird, Entscheidungen zu treffen, dass Interaktion vorhanden ist und dass ein Glücksfaktor keine wesentliche Rolle spielt.. Diese Kriterien erfüllt Gloria Mundi zweifellos.
Allerdings wird man bei den Entscheidungen fast ein wenig überfordert. Dafür ein paar Beispiele.
Als aktiver Spieler muss ich ja entscheiden, welche Kartenart ich in die Auslage lege. Die Karte liefert mir dann einen zusätzlichen Warenstein, den ich ja vielleicht zum Kauf einer Aufbaukarte benötige. Ebenso erhalte ich einen Platz um eine entsprechende Aufbaukarte zuzuordnen. Andererseits profitieren die Mitspieler vielleicht mehr als ich, weil sie ja ihre Aufbaukarten der gewählten Kategorie aktivieren können. Auch ist ja mein Kartenvorrat begrenzt und es ist schon übel, wenn man von anderen Spielern abhängig wird, weil man eine Kartenkategorie nicht mehr selber ausspielen kann.
Wenn ich eine Aufbaukarte erwerbe – lohnt es sich zu warten, bis sie billiger wird oder wird sie mir ein anderer Spieler dann vor der Nase wegschnappen? Habe ich Platz für die Aufbaukarte und besteht die Gefahr, dass ich sie gleich wieder loswerde, falls der Gote setzt?
Lohnt sich der Kauf, weil ich ja danach ja kaum noch Warensteine besitze, bringt sie mich weiter weg von Rom, nicht nur beim Kauf, sondern evtl. auch später noch, wenn sie aktiviert wird. Gehört sie zu einer Art, die ich selber später noch aktivieren kann und die wahrscheinlich auch noch durch andere Spieler aktiviert wird?
Soll ich dem Goten Tribut zahlen oder ihn zerstören lassen? Zweckmäßig kann es sein, ihn dann laufen zu lassen, wenn ebenso viele Waren auf der Bahn liegen wie es Mitspieler gibt, denn dann muss jeder ein Opfer bringen und ich habe die erste Wahl. Andererseits ist dies die einzige Möglichkeit, Spieler zu bremsen, die viele Aufbaukarten besitzen mit denen sie Richtung Afrika ziehen können. Aber ich selber muss ja auch ein Opfer bringen und ich werde das wohl nur dann machen, wenn es mir leichter fällt als dem Rivalen.
Ich habe Gloria Mundi zu zweit, zu viert und zu fünft gespielt. Es lief mit jeder Besetzung, wobei mit 5 Spielern gegen Ende eine Kartenknappheit auftrat und das wird bei 6 Spielern noch mehr der Fall sein. Das muss allerdings nicht unbedingt ein Nachteil sein, nur erfordert dann das Ausspielen eben zusätzliche Überlegungen.
Wenn jetzt jemand fragt, ob man eine Strategie entwickeln kann, dann muss ich passen. Es ist sicher möglich, aber dazu reichen 3 Spiele nicht aus. Wichtig ist vor allem, dass man das Ziel, Afrika zu erreichen nicht aus den Augen verliert. Es bringt nichts, wenn ich durch die Aufbaukarten zwar Massen von beliebigem Material bekomme, aber keinen Schritt in Richtung Afrika vorankomme. Wie das am besten zu erreichen ist und wie ich am besten einen Vorsprung vor den Mitspielern halte, dafür gibt es zahlreiche Möglichkeiten, aber alle erfordern viel Überlegung und eine generelle Strategie wird sich wohl erst nach vielen Spielen zeigen.
Gloria Mundi ist also insgesamt gesehen ein sehr interessantes Spiel mit vielen neuen Aspekten. Es macht Spaß und auch der Ärgerfaktor kann manchmal recht hoch werden. Die angegebene eine Stunde Spieldauer ist allerdings deutlich zu kurz angesetzt.
Der Spielplan ist etwas dürftig gestaltet, dafür sind die Karten recht hübsch und Warensteine sowie Spielfiguren zweckmäßig.
Eine deutliche Kritik verdient allerdings die Spielregel. Sie ist nicht nur unübersichtlich, sondern lässt einen häufig im Regen stehen. So gibt es z.B. keinerlei Hilfe, wie man die Aktion am zweckmäßigsten abwickelt, wenn der Gote zerstört. Was geschieht, wenn ich keinen Tribut zahle und der Gote dann auf ein Feld mit zwei Symbolen zieht? Muss ich beide Karten opfern oder kann ich mir eine aussuchen und der linke Nachbar opfert die andere? Ganz schlimm wird es bei der Erklärung der Aufbaukarten. Die Fähigkeiten der Aufbaukarten werden durch unterschiedlichste Symbole dargestellt. Die werden zwar im Text erklärt, aber nur durch ein paar wenige Beispiele erläutert. Durch genaues, mehrfaches Lesen und logische Schlussfolgerungen wird man zwar auf die vermutlich richtige Bedeutung kommen, hier wären aber weitaus mehr Hilfen und Beispiele erforderlich gewesen.
Trotzdem aber insgesamt von mir eine deutliche Kaufempfehlung. Der relativ hohe Preis rechtfertigt zwar nicht den Material- für mich aber wohl aber den Spielwert.
PEEP bedeutet ja erster Eindruck und mehr soll dies auch nicht sein, vielleicht habt Ihr ja ganz andere Meinungen und dann würde es mich freuen, davon zu hören.