Beitragvon Roland G. Hülsmann » 18. Dezember 2004, 11:19
RoGo schrieb:
> Kann man Komplexität an der Höhe der Freiheitsgrade messen?
Ich denke: Nein, zumindest nicht allein. Dein Beispiel belegt es schon sehr gut. Selbst wenn ich in einere bestimmten Situation nur zwei Möglichkeiten habe, kann es schon sehr komplex sein, dessen Auswirkungen zu ermessen, um festzustellen, welcher letztlich der Bessere ist. Ich denke mal, je mehr Auswirkungen das hat, was ich tue, desto komplexer wird die Entscheidung.
Von daher würde ich auch annehmen, daß ein strategisches Spiel tendenziell komplexer ist, als ein rein taktisches Spiel. Eine strategische Entscheidung kann Auswirkungen auf den ganzen Spielverlauf haben, eine taktische oftmals nur auf die nächsten Züge. (In der Praxis sind Strategie und Taktik allerdings immer sehr verzahnt.)
> Und wie sieht es mit dem Zusammenhang von Regelanzahl zu
> Komplizierheit aus?
Zu Deinem Beispiel. Die Schachregeln sind einfach:
1. Die Grundbewegungen der 6 verschiedenen Figuren (Bauer, Turm, Springer, Läufer, Dame und König)
2. Das Schlagen
3. Schach und Schachmatt setzen
Das komplizierteste sind noch zwei Zusatzregeln:
4. Das Schlagen "en pasant" (o.ä.) beim Bauern.
5. Die Rochaden.
(Und der Anfänger kann zunächst auch noch auf 4 und 5 verzichten.)
Und es reicht der Hinweis, daß ein Spiel als unentschieden zu werten ist, wenn keiner mehr gewinnen kann. Eine Diskussion darüber, wie man eine solche Situation möglichst rasch erkennt, sind höchstens Erläuterungen dazu, aber nicht unbedingt notwenig für die Spielregel. Ein paar wenige häufiger auftretende Beispiele sollten reichen.
Das Gegenbeispiel könnte so maches typisch amerikanische Spiel sein, woch ich nach meinen Würfelwürfen ständig in irgendwelchen Tabellen suchen muß und sich die Regeln abhängig von der Spielphase ständig ändern (fein untergliedert in hierarschische Strukturen, wie etwa: "3.1.5.6: Der Spieler ...", mit ständigen Querverweisen) ... und zum Schluß gewinnt der mit dem größeren Würfelglück. Hier ist nicht nur die Regel, sondern vermutlich auch das Spiel kompliziert und eine arge Fummelei. Aber es muß nicht immer am Spiel liegen. Sehr oft habe ich das Gefühl, daß manche Regel zu einem einfach zu spielenden Spiel (gleich welcher Komplexität) einfach nur kompliziert geschrieben ist. Es hat halt nicht jeder die Gabe, komplexere Zusammenhänge einfach nieder zu schreiben. Und Spielregeln sind halt in der Regel nicht von Profis der schreibenden Zunft (vielleicht mit didaktischer Vorbildung) verfaßt, sondern oft von den Autoren und Redakteuren, die in ihrem Versuch, nichts auszulassen, oft unnötig kompliziert formulieren. Nicht jeder Spieleerfinder ist auch ein guter Autor und Didakt! Und daher sind manche Spielregeln so unglaublich kompliziert und schwer verdaulich wie oftmals die von Programmierern selbst verfaßten Handbücher zu ihrer Software ... :grin:
Gruß
Roland
(Programmierer und Spieleerfinder ... ;-) )
>
> Wie definiere ich Regel? Wie gewichte ich Regeln? Beim
> schachfinde ich beispielsweise jede Grundbewegungen wichtiger
> als alle Unentschieden Regeln zusammen.
>
> Fröhliche Grüße
>
> Roland