Beitragvon Jens-Peter Schliemann » 8. August 2005, 21:45
Hallo Lars,
nach einer Anfrage bei der Süddeutschen habe ich den Artikeltext bekommen:
Der Strategiespieler
von Harald Hordych
Die Frage nach dem richtigen Leben wird auch ein begeisterter Strategiespieler nie beantworten wollen. Aber die Frage nach dem richtigen Spiel, das ein bisschen wie das Leben ist, genauso kompliziert und verworren, zugleich aber mit überlegener Geisteskraft beherrschbar, die wird er sehr wohl beantworten: Strategiespiele. Er wird die Antwort nicht enger fassen, der Strategiespieler, denn er wird sich nie festlegen wollen, welches das beste und das einzige ist. Allein: Alle Strategiespiele sind seine Sache. Jenseits des Glücks, das der Dumme braucht, um den Schlauen zu schlagen, diesseits des bisschen Glücks, das der Beste braucht, um die Guten hinter sich zu lassen.
Strategiespiele haben irgendwann die alten Spiele abgelöst. Nicht das simple Glück brachte uns nun wie beim Mensch-ärgere-dich-nicht weiter und auch nicht die reine Gedankenkraft wie bei Dame oder Schach. Der planende und strategisch denkende Feldherr, Bauherr, Geschäftsherr war auf den Plan getreten, und seine Triumphe am Spielbrett mit all den tausend Ereigniskarten, Vorbereitungswinkelzügen, Miniaturverkehrsmittelaufmarschgebieten waren das beredte Zeugnis dafür, dass auch verkannte Genies in dieser Welt eine Bühne verdient haben für ihre geistige Präsenz und ihr allumfassendes beispielloses Vorausblicken.
So anstrengend war Spielen früher nicht, selbst beim Monopoly konnte man sich irgendwann als mäßig erfolgreicher Hotelier dem Suff ergeben. Nicht so beim ¸¸Risiko", wo sich Armeen während eines Toilettengangs auf bis dahin vergessene, vor sich hin dösende Kontinente wälzen konnten. Beste Freunde zweifelten da plötzlich an ihrer Freundschaft.
Der Strategiespieler ist kein Angeber, bewahre, zumindest würde er das nie und nimmer zugeben, er ist ein bedächtiger, bescheiden auftretender Mensch, der einem stets das Gefühl gibt, gerade jetzt das zu tun, was für uns alle das Beste ist. Der Strategiespieler kleidet sich leger, aber niemals schlampig, er achtet auf seine Kleidung, aber sie zeichnet ihn als Menschen aus, der sich nie in den Vordergrund spielt. Er ist dezent, aber er verpasst nie den Moment, wenn es etwas richtig zu stellen gilt. Der Strategiespieler ist ein Musterbeispiel an Verantwortungsbewusstsein. Und darum überlässt er so wenig wie möglich dem Zufall, gerade so viel, um sein Spiel machen zu können. Sein Spiel, Mesdames et Monsieurs. Nicht unseres. Der Strategiespieler spielt nicht um des Spaßes willen (dafür leben wir ja auch nicht), er spielt, um endlich mal seine wahre Überlegenheit demonstrieren zu können. Beim Strategiespiel zeigt sich der wahre Meister. Schluss mit den Faxen. Ehrliche Arbeit.
Darum können Strategiespiele gar nicht kompliziert genug sein. Für eine erste natürliche Auslese, über die der Strategiespieler nur milde lächeln kann, sorgt die Spielanleitung. Diese Hürde nehmen Menschen, die einfach nur spielen wollen, in der Regel nicht. Sie suchen Zerstreuung, und sie finden zwei Stunden Regellehre. Der Strategiespieler beweist, dass er sich in die diffizilsten Spielvorschriften einarbeiten kann. Allein wer das Spiel verstanden hat, ist auf seine Weise schon ein Sieger. Darum mögen sich Strategiespieler untereinander, wie Motorradfahrer oder Fallschirmspringer sich mögen, Fahrensmänner eines Geheimbundes, bereit Dinge zu tun, die andere nicht tun, und dabei können sie mehr oder weniger entspannt an einem Tisch sitzen und ein Glas Zwetschgensaftschorle trinken, die ihnen langsam auf die Birkenstocksandalen tropft, während sie den entscheidenden Schienenstrang Richtung Ostküste verlegen.
Der Strategiespieler meint nie etwas böse, denn er ist überzeugt davon, ein Guter zu sein. Und nie würde er uns demütigen wollen. Er will nur beweisen, wie gut man sein kann, wenn man seine Kraft konzentriert auf ein Ziel lenkt. Er lacht mit uns, wenn wir mit unseren Schiffen Schiffbruch erleiden, wenn unsere Bahnlinien zu Beweisstücken des Scheiterns werden. Er mag uns. Er will uns nur zeigen, dass man ans Ziel kommt, wenn man was drauf hat. Spielend lernen, ist doch ganz einfach.
Und für wen das jetzt zu schwer ist, der kann ja Maumau machen.
Grüße.
Jens-Peter