Im letzten Jahr brachte Steve Kingsbury bei JKLM-Games das leider kaum beachtete „Cities and Guilds“ heraus, Grund genug, mir in diesem Jahr sein neues Spiel „Kings Progress“ zuzulegen und – um es gleich vorweg zu sagen – ich wurde nicht enttäuscht.
Kings Progress spielt z.Zt. Heinrich des Achten in Südengland. Man erhält einen hübsch gezeichneten Spielplan mit den Abbildungen von drei Königsschlössern, 8 Domizilen für 8 Höflinge und auf den Wegen zwischen den Domizilen befinden sich Dörfer mit einem oder zwei Wirtshäusern.
Es gibt drei Runden und in jeder Runde befindet sich der König in einem anderen Schloss. Eine Runde ist beendet, wenn 5 Höflinge am Königsschloss eingetroffen sind.
Ziel des Spiels ist der Gewinn von Prestigepunkten und die bekommt man hauptsächlich durch Geschenke. Wenn man mit einem Höfling, den man kontrolliert, das Schloss erreicht, in dem sich der König gerade befindet, darf man sich eines von 6 zu Beginn des Spiels zufällig ausgewählten Geschenkpaaren wählen. Geschenke sind Schlösser, Ländereien, Geld, Titel und Ämter.
Ist ein Spieler an der Reihe, so hat er zwei Aktionen, die er unter 4 Aktionsmöglichkeiten wählen kann. Er darf auch eine Aktionsart zweimal durchführen, jedoch müssen die Aktionsarten in festgelegter Reihenfolge genutzt werden.
Die erste Möglichkeit besteht im Setzen eines beliebigen Höflings zu nächsten Dorf oder (wenn man davorsteht) zum Königsschloss. In jedem Gasthaus darf sich allerdings nur ein Höfling aufhalten, es gibt also durchaus Blockierungsmöglichkeiten. Benutze ich allerdings beide Aktionen für Fortbewegung, kann ich auch ein besetztes Dorf überspringen. Vom Wohnort des Höflings bis zum Königschloss sind es zwischen 3 und 5 Schritte, jenachdem, wo sich der König aufhält.
Ein wichtiger Passus wurde hier übrigens in der deutschen Spielregel vergessen. Die Höflinge dürfen nur in Richtung auf das Königsschloss gesetzt werden!
Die zweite Aktionsmöglichkeit ist, Einflusskarten auszuspielen, um Kontrolle über Höflinge zu erhalten.
Es gibt für jeden Höfling je zwei Karten mit den Werten 0, 1, 2 und 3. Zu Beginn des Spiels erhält jeder Spieler drei Karten, kann aber später weitere erwerben. Er kann dann beliebig viele Karten für einen Höfling ausspielen oder je eine Karte für zwei Höflinge. Jede Karte zählt als Wert 1, nur die oberste Karte zählt zusätzlich den aufgedruckten Wert. Werden Karten addiert, so müssen sie allerdings unter den Stapel geschoben werden. Es ist deshalb wichtig, dass die obere Karte einen hohen Wert aufweist.
Hat ein Spieler dann Karten mit einem insgesamt höheren Wert ausgelegt, als jeder andere Spieler, erhält er die Kontrolle über den Höfling, was nicht nur Geschenke einbringt, wenn der Höfling ins Königsschloss zieht, sondern jeder Höfling besitzt auch eine bestimmte Eigenschaft, die allerdings nur einmal nutzbar ist, solange man die Kontrolle über den Höfling besitzt.
Die dritte Aktionsmöglichkeit ist, neue Einflusskarten aufzunehmen. Jeweils drei liegen aus und man darf sich entweder ein mit Wert 1, 2 oder 3 nehmen oder, wenn vorhanden, zwei mit Wert 0.
Die vierte Aktionsmöglichkeit ist, eine oben liegende Einflusskarte zu entfernen um dadurch vielleicht eine höherwertige nach oben zu bringen.
Treffen Höflinge im Schloss ein, so darf sich der Spieler, welcher den Höfling kontrolliert, ein Paar Geschenkkarten nehmen und muss die oberste Karte der betreffenden Auslage an Einflusskarten entfernen. Der Spieler behält aber trotzdem zunächst die Kontrolle. Ist der fünfte Höfling eingetroffen (3 bleiben also draußen), erhalten die Spieler, welche den zweitmeisten Einfluss auf die Höflinge im Schloss besitzen, auch noch ein Geschenk und dann gibt es eine Abrechnung.
Für jede Geschenkart wird geprüft, wer die meisten davon besitzt und dafür gibt es dann Prestigepunkte. Jede Geschenkart entspricht einer Spielerfarbe und wenn man in „seinen“ Geschenken führt, erhält man einen zusätzlichen Prestigepunkt.
Hierbei müssen die jeweiligen Sieger eine beliebige obere Karte einer ihrer Auslagen ablegen und somit kann sich der Einfluss auf die einzelnen Höflinge verändern. Es wird dann geprüft, wer jetzt noch die Kontrolle über die einzelnen Höflinge ausübt und auch dafür gibt es Punkte.
Danach werden die Höflinge aus dem Schloss wieder auf ihre Stammsitze gesetzt, der König zieht in ein anderes Schloss und es werden neue Geschenkarten ausgelegt. Man behält alle bis dahin erworbenen Geschenk- und Einflusskarten.
Am Ende der zweiten Runde gibt es mehr Punkte für Geschenke und am Ende der letzten Runde noch mehr. Sieger wird dann der Spieler mit den meisten Prestigepunkten.
Kings Progress ist ein Spiel, welches eigentlich alles besitzt, was zu einem guten Spiel gehört.
Mehrheitsbildung, gekoppelt mit logistischen Aufgaben, das gab es in dieser Art bisher kaum.
Auch wenn man mit den angegebenen 90 Minuten Spieldauer nicht immer auskommen wird – die Runden verlaufen zügig, da ja jeder Spieler nur zwei Aktionsmöglichkeiten besitzt.
Im Grunde besteht das Ziel ja darin, möglichst viele Höflinge unter Eigenkontrolle zum Königshof zu schicken, aber das ist einfacher gesagt, als getan, denn die Kontrolle kann schnell wechseln. So schnell allerdings auch wieder nicht, denn man darf neue Einflusskarten erst nach einer Auslage aufnehmen. Ob und wann ich Einflusskarten auslege, erfordert auch Überlegung, denn ich kann zwar später Karten nachlegen, aber jede zählt dann nur den Wert 1. Nur die oberste Karte der Auslage zählt evtl. Zusatzpunkte und ich kann nicht neu ordnen.
Es gibt also sehr viel Interaktion und Ärgerpotenzial. Glück spielt durch die Auswahl der jeweils zur Verfügung stehenden Einflusskarten eine gewisse Rolle, aber durchaus keine Entscheidende.
Etwas mühselig und aufwändig ist die Berechnung der Prestigepunkte, die man bei Rundenende erhält, aber das geschieht ja nur dreimal.
Das Spiel besitzt auch einen guten Spannungsbogen, denn die Zahl der im Besitz der Spieler befindlichen Einfluss- und Geschenkkarten wächst ebenso wie die Zahl der zu erntenden Prestigepunkte und damit wächst auch die Konkurrenz.
Die Spielregel ist (mit der oben erwähnten Ausnahme bei der deutschen Übersetzung) eindeutig, erfordert aber schon genaues Durchlesen, denn es gibt viele Sonderheiten.
Was darin nicht erwähnt wird, aber empfehlenswert ist – die erworbenen Geschenkarten sollten für alle sichtbar ausliegen, damit man bei der Geschenkauswahl abschätzen kann, ob und womit man evtl. eine Mehrheit erreicht.
Der Spielplan ist sehr ansprechend, auch die 8 Farben für Höflinge und Karten gut unterscheidbar. Die Karten müssen allerdings aus Stanzbögen herausgebrochen werden und sind für den Preis des Spiels schon etwas dürftig.
€ 35,-- sind in Bezug auf den Materialwert zu viel, für den Spielwert nicht.