Beitragvon Günter Cornett » 15. Dezember 2005, 03:36
Tom schrieb:
>
> und? wo blebt die von günter angekündigte kontroverse diskussion???
Ja, das frage ich mich auch. Einerseits wird jede Sekunde reklamiert, die die Spielbox angeblich später ausgeliefert wird, andererseits wird der Inhalt nun links liegen gelassen?
Ohne die Spielbox komplett gelesen zu haben, sind mir spontan zwei bis drei Artikel aufgefallen, die normalerweise zu schwerem Wetter führen sollten:
1. Kreta - Michael Knopf straft ein Spiel stellvertretend für viele ab, weil es dem Thema nicht gerecht wird.
Ich finde es verdammt gut, dass er mangelnde Thementreue thematisiert, aber ist die Kluft zwischen Thema und Inhalt bei Kreta wirklich so ungewöhnlich groß? Verglichen mit z.B. El Grande sehe ich da keinen Unterschied. Ich finde es daher schon ein wenig unfair, deswegen ein Spiel abzustrafen. Möge er doch die Rezension weglassen und aufgesetzte Themen in verschiedenen Spielen zum Thema seines Artikels machen. Denn recht hat er ja.
2. Wings of War - ein Kriegsspiel wird rezensiert, saloppe Formulierungen, die sicherlich von dem einen oder anderen für etwas zu bare Münze genommen werden können: "sich mit der Vorstellung beuhigen, dass durchaus nicht jeder Abschuss tödlich endete". Bei nicht optimal eingestelltem Ironiedetektor ... ;-)
3. Denn sie wissen nicht was sie tun
Dieser Artikel ist mir wirklich unangenehm aufgefallen. Wer schließt aus der Tatsache, dass es Verkehrsunfälle gibt, darauf, dass Autofahrer grundsätzlich nicht Auto fahren können?
Hier wird das Beispiel eines Autoren gebracht, der mathematisch nicht sonderlich versiert ist und darauf auf die gesamte Autorenschaft geschlossen. Dabei sollte eigentlich bekannt sein, dass überdurchschnittliche viele Autoren einen mathematischen Hintergrund haben. Genau das Gegenteil ist IMHO problematisch: Spiele sind oft zu mathematisch, der Autor versteht sein Handwerk in Bezug auf die Mathematische Basis - es fehlt jedoch das Spielerische.
Und dann begeht der Autor des Artikels selbst einen handwerklichen Fehler. Er schreibt:
"Die Frage in diesem Zusammenhang ist, wie oft muss man würfeln um mit hoher Wahrscheinlichkeit, z.B. 99%, jede Zahl gleich oft zu erhalten?"
Tatsache ist doch: Je öfter man würfelt, desto unwahrscheinlicher ist es, dass jede Zahl exakt gleich oft gewürfelt wird.
Bei 6 Würfen beträgt die Wahrscheinlichkeit - sag ich mal so als unwissender Autor - 6 unterschiedliche Zahlen zu würfeln 6x5x4x3x2x1 / 6hoch6 =ca.1-2%.
Für 6000 Würfe kann ich es nicht so ohne weitere ausrechnen. Aber dass jede Zahl exakt 1000mal gewürfelt wird, dürfte wesentlich weniger wahrscheinlich sein.
Obige Frage ist allerdings für Spieleautoren überhaupt nicht relevant, sondern, was relevant ist, ist abhängig von der Bedeutung des Wurfes:
Wie wahrscheinlich ist es, dass alle Zahlen ungefähr gleich oft vorkommen (z.b: mit 99%iger Wahrscheinlichkeit kommt keine Zahl mehr als 1,2mal so häufig vor wie eine andere). Da reicht es nicht mehr, häufiger zu würfeln. Da geht es darum, wie die Zahlenverteilung auf einem Würfel ist oder ob man grundsätzlich mit mehreren Würfeln würfelt.
Oder wenn es bei einem Laufspiel darum geht, dass hohe Zahlen ein schnelleres Vorwärtskommen ermöglichen (1 Auge= 1Feld): Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass alle Spieler während des ganzen Spieles in der Summe ungefähr das gleiche Ergebnis haben?
Schafft man das nicht mit Würfeln, nimmt man Karten (=Würfel mit Gedächtnis) um dann womöglich festzustellen: die Mathematik stimmt, das Spiel ist jetzt langweilig da berechenbar.
Gerade das In dem Artikel kritisierte Siedler ist ein Beispiel für eine gekonnte Anwendung der Mathematik, ohne dass diese dominiert. Das Korrektiv gegen Würfelglück ist allerdings nicht das 'völlig sinnfreie Verhalten bestimmter Zeitgenossen' sondern:
- die gewürfelte Sieben: der Reiche verliert Karten; der Räuber wird meist gegen den Führenden gesetzt
- das Element des Handelns: wer vorne liegt, muss mehr geben, wenn überhaupt mit ihm gehandelt wird
- die Ritterkarte wird mehr gegen den Führenden eingesetzt
Hier geht es darum, dem Führenden nicht automatisch zum Sieg zu verhelfen, sondern den anderen auch noch Chancen zu lassen. Gleichzeitig darf die Position des Führenden aber nicht so stark geschwächt werden, dass es über die meiste Zeit des Spiels egal ist, wer gerade führt (wie bei Vinci). Ich finde, das ist bei Siedler sehr gut gelöst. Ein Großteil des Einflusses dafür liegt in der Hand der Spieler.
Natürlich können Ereigniskarten und Würfel Ideenlosigkeit kaschieren. Bei Siedler ist das aber am Wenigsten der Fall.
Wie glücksabhängig ein Spiel ist, hängt nicht nur von der Mathematik ab sondern auch von den Fähigkeiten der Mitspieler.
Ein wenig glücksabhängiges Spiel, wird umso glücksabhängiger, je weniger sich die Fähigkeiten der Spieler unterscheiden. Sind die Fähigkeiten der Spieler sehr unterschiedlich, wird auch bei einem sehr glücksabhängigem Spiel der stärkere Spieler häufiger gewinnen.
Wer da die Lösung vor allem in der Mathematik sucht, wird sie nicht finden, egal wie ausgewogen er das Spiel gestaltet.
Gruß, Günter