Beitragvon Michael Heißing » 10. April 2006, 11:44
Noch selten hat mich eine Einschätzung der Spielbox-Jury derart positiv beeindruckt. Kompliment!
Bei unseren wöchentlichen Spieletreffs (durch die Bank "Vielspieler") landete das Spiel zunächst nur den allgemein bekannten Achtungserfolg. Handwerklich gut, nette Graphik, ordentliches Spielgefühl, aber eben nichts Außergewöhnliches. So war auch meine ursprüngliche Einschätzung.
Mittlerweile war das Spiel allerdings schon so oft auf dem Tisch, dass die Karten erste Verschleißspuren aufweisen. Kein Freitag, an dem nicht wenigstens zwei Partien gespielt wurden. Und die allgemeine Bewertung hat sich ganz klar nach oben orientiert.
Wie so oft bei Seyfarth-Spielen kommt das "Aha"-Erlebnis mit Verzögerung.
Das Spiel ist deutlich strategischer, als man zunächst annimmt. Es gibt eine steile Lernkurve (wer es dreimal gespielt hat, hat gegenüber einem, der es nur zweimal gespielt hat schon einen Vorteil). Es gibt - nicht offensichtlich - sehr viel mehr Interaktion, als man zunächst denkt. Nicht erst gegen Ende des Spiels, wenn es für alle überschaubarer wird, sondern bei geübten Spielern von Beginn an.
Um jedes einzelne Bonusplättchen gibt es ein Rennen (wenn auch manchmal indirekt), welche Gegend fahre ich nach meiner Wertung an ("Ansparen"; Vorausplanung am besten so, dass mir einige Plättchen konkurrenzlos zufallen), wann lohnt es sich, meine Gegner mit einer "angetäuschten" Strecke im Unklaren über meine wahren Absichten zu lassen? Hat der hinter mir Spielende sich vorzeitig festgelegt, muss ich mir überlegen, wie ich ihn am elegantesten ausbremse (Plättchen wegnehmen, wegtauschen), ohne dabei meine eigene Strategie zu gefährden. Merke ich, dass ich ein Rennen um ein bestimmtes Länderplättchen verliere, verzichte ich zunächst auf den einen Punkt (den bekomme ich ja später auch noch) und gehe stattdessen auf Streckenlänge. Ab wann forciere ich das Spielende durch raschen Kutschenbau? Und so weiter und so weiter...... Ein guter Spieler muss seine Gegner sehr genau im Auge behalten und auf deren Absichten entsprechend reagieren.
Trotz aller Überlegungen, die man anstellen kann, bekommt das Spiel bei den meisten Mitspielern keine quälenden Durchhänger, weil sich einer zu Tode grübelt. Das liegt unter anderem daran, dass Anfänger den Tiefgang noch nicht sehen und deshalb nicht so lange überlegen, während Fortgeschrittene zwar die Bedeutung der einzelnen Aktion erkennen, aber in der Regel recht schnell zu einer Einschätzung gelangen. Es gibt natürlich immer negative Ausnahmen. Aber das liegt an den Spielern, nicht am Spiel.
Mittlerweile hat es sich bei mir von 7-8 auch auf 9 "hochgespielt" (Note 10 gibt es in meiner persönlichen Wertung u.a. für Puerto Rico, San Juan, Caylus, Funkenschlag, Tichu, 1829). Ein weiterer Pluspunkt ist, dass das Spiel für 2, 3 und 4 Spieler gleichermaßen gut funktioniert und jedesmal eine andere Herausforderung bietet. Als Zweierspiel hat es den höchsten strategischen Anspruch, als 4er Spiel kommt eher der Familienspiel-Anteil durch.
Etwas länger als ich wollte, hoffentlich aber hilfreich.
Gruß
miXa