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[PEEP] Graenaland

Kritiken und Rezensionen: Wie ist Spiel XY?
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Hartmut

[PEEP] Graenaland

Beitragvon Hartmut » 28. Oktober 2006, 17:11

[PEEP] Graenaland

von Vlaada Chvatil für 3-5 Spieler, Czech Board Games, ca. 29 Euro (SPIEL '06)

nachfolgender PEEP basiert auf einem Spiel mit 5 Personen. Die Regel empfiehlt ein Spiel in großer Runde, da Konkurrenzsituationen und diplomatische Verhandlungen einen wesentlichen Teil des Spielreizes ausmachen.

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Nein, dem möchte man nicht unbedingt begegnen. Der will nur spielen? Glaube ich nicht! Ein rauer Bursche mit gehörntem Helm und mit leichter Hand geschwungenen, für unbillige Vorkommnisse bereitstehendem Vorschlaghammer betritt das Ufer eines neuen Landes. Hinter ihm laden seine Getreuen schon das schmucke Wikingerschiff aus, das sich vor einer zerklüfteten Küstenlandschaft mit Wasserfall abhebt. Erik der Rote ist in Grönland angekommen. Keine Frage, diese Ansicht auf dem Karton verspricht ein atmosphärisches Spiel und genau das wird auch im Innern geboten.

Wohltuend unbunt bilden fotorealistisch gestaltete Landschaftskärtchen eine Ansicht von Grönland. Je nach Spielerzahl werden mehr oder weniger der maximal neun Gebiete zu einem Streifen mit Küsten- und Bergregionen verbunden. Zu jedem der vier möglichen Landschaftsformen (Hügel, Ebenen, Wälder, Berge) liegt ein zugeordneter Nachziehstapel mit Rohstoffen bereit. Jede Landschaft kann drei der fünf verschiedenen Rohstoffe (Getreide, Vieh, Holz, Erz, Gold) abwerfen, mit deren Hilfe wir im Laufe des Spieles "Siedlungen" (das sind durch Holzhäuser symbolisierte "Dörfer" bzw. "Gebäude"), das eigene Heer stärken oder öffentliche Bauwerke errichten. Wer drei von fünf möglichen Teilzielen des Ausbaus auf dieser Landschaft erreicht, gewinnt das Spiel.

Jeder beginnt das Spiel mit zwei Dörfern, darf jeweils eine Rohstoffkarte vom passenden Stapel ziehen und sein Heer - einer von drei möglichen "Helden" des Spielers in Form eines Pappchips - platzieren. Für's erste Spiel wird eine balancierte Startaufstellung vorgegeben. Eine Übersichtskarte erleichtert den Einstieg und macht den Blick in die Regel schon nach einem ersten Spiel gänzlich überflüssig. So werden hier die Bauoptionen und deren Kosten in Form von Rohstoffkombinationen so wie der Ablauf einer Spielrunde gezeigt.

"Aha, ist ja alles wie bei 'Siedler von Catan' - da brauche ich nicht weiterlesen." - Schade, aber jeder macht mal einen Fehler. Graenaland gehört wie das prominente Teuberspiel zur Gattung der Aufbau- und Entwicklungsspiele, ist aber sehr eigenständig und weiß durch einige Feinheiten zu begeistern.

Da ist schon mal kein Würfel im Spiel. Ein Spieler stellt ein Wikingerschiff vor sich auf, das ihn als Hauptspieler der laufenden Runde kennzeichnet - ein Recht, das mit jeder Runde im Uhrzeigersinn wechselt. Der Hauptspieler hat als Einziger in der Runde Baurecht, alle anderen hingegen haben maßgeblichen Einfluss auf den Nachschub von Rohstoffen.

Zu Beginn einer solchen Runde wird an jedes Gebiet vom jeweils zugehörigen Kartenstapel eine Rohstoffkarte offen angelegt. In der allerersten Runde liegt nun an jedem Gebiet genau eine Karte. Später können das mehr werden, da nicht alle Rohstoffe in jeder Runde einen Besitzer finden. Der Ausbau mit Siedlungen limitiert allerdings auch die Anzahl der maximal dort verfügbaren Rohstoffe, so dass nicht immer und überall Karten hinzukommen.

Alle Spieler außer dem Hauptspieler (!) dürfen nun einen ihrer Helden bewegen. Vorerst ist dies nur das Heer, später können noch zwei weitere Charaktere - ein Priester und ein Skalde (bei Asterik sagt man Barde dazu) - hinzukommen, aber nur einer darf sich pro Runde bewegen. Ein zweiter Pappchip mit passendem Symbol wird von allen Spielern gleichzeitig und geheim hinter vorgehaltener Hand auf ein Kompasskärtchen gelegt und zeigt so an, ob der entsprechende Held stehenbleibt oder in ein bestimmtes Nachbargebiet zieht. Entlang der Küstenlinie kann mit dem Schiff gar zwei Gebiete weit gezogen werden. Haben alle Spieler sich entschieden, werden die Züge ausgewertet und die Figuren entsprechend bewegt. Dabei kann man nie zwei seiner eigenen Helden in einem Gebiet versammeln. Ein entsprechender Zug würde den Tausch der Positionen beider Figuren bewirken. Ziel dieser Aktion ist die Beeinflussung von Stimmrechten und Mehrheiten, die bei der folgenden Aktion, der Rohstoffverteilung, eine entscheidende Rolle spielen.

Reihum sind nun alle Spieler außer dem Hauptspieler (!) einmal damit dran, auf ein Gebiet zu weisen und die dort anliegenden Rohstoffe zu beanspruchen oder auch zu verteilen. Der Spieler macht ohne Absprache mit den anderen einen verbindlichen Vorschlag, wer welche der dort liegenden Kärtchen bekommen soll. Einen Vorschlag der Art "Ich nehme alles!" sollte man sich aber nur erlauben, wenn man dort auch den Obermotz markiert, d.h. über mehr als die absolute Mehrheit von Stimmen verfügt. Jede Siedlung hat ein Stimmrecht ebenso wie jedes anwesende Heer entsprechend seiner Kampfstärke (zu Beginn auch nur ein Stimmrecht). Eventuell anwesende Priester haben selbst kein Stimmrecht, bringen aber friedensstiftend die Kraft jeder anwesenden Armee auf den schönen Wert Null. Skalden erhalten je ein Stimmrecht pro anwesendem Helden anderer Spieler, wachsen also mit ihrem Publikum. Ja, die Bewegung der Helden der anderen Spieler will gut erahnt werden, will man selber was vom großen Kuchen abbekommen.

Über das Abstimmungsverhalten darf nun offen geredet werden. Stimmen mehr als 50% für den Vorschlag, so werden die Rohstoffe entsprechend verteilt, andernfalls bleiben sie liegen. So einfach ist die Welt in Grönland! Abänderungen des einmal gemachten Vorschlages sind in diesem Zug nicht mehr möglich. So man sich keine Mehrheiten alleine sichern kann, ersetzt ab und zu mal ein Spatz in der Hand den Traum von fetten Tauben. Auch zeigen Spieler ein erstaunliches Erinnerungsvermögen bei nachfolgenden Runden, sollte man sie bei einer Verteilung mal übergangen haben, weil ihre Stimme zur Mehrheitsbeschaffung nicht wirklich erforderlich war. Tja, dumm gelaufen...

Nachdem sich so fast jeder Spieler einmal bereichert hat, ist es nun für den Hauptspieler endlich Zeit, seine Rohstoffe in Bauvorhaben zu versenken, auch wenn er in dieser Runde dank der bis hierher verordneten Passivität nichts oder nur wenig abbekommen hat. Als Ausgleich darf er eine von vier offenliegenden Vorratskarten ziehen, die zwei Rohstoffe zeigt. Diese darf er jetzt oder später für ein Bauvorhaben einsetzen. Sollte hierfür nur einer der beiden gezeigten Rohstoffe einsetzbar sein, verfällt der andere ersatzlos.

Gold ist nie Bestandteil der Baukosten und ersetzt als Joker jeden beliebigen anderen Rohstoff. Da es im Spiel keinerlei Möglichkeit zum Eintauschen von Rohstoffen gibt, kommt dem Gold, den Vorratskärtchen und einer sorgfältigen Planung zur Mehrheitsbeschaffung in bestimmten Gebieten große Bedeutung zu. Es könnte sonst passieren, dass man bestimmte Bauvorhaben nie realisieren kann, weil z.B. Erz fehlt, während man sich vor Getreide nicht retten kann.

Die Kosten eines Dorfes sind abhängig vom Gebiet und auf jedem Gebietskärtchen angezeigt. Das Heer stärken kostet fünf bestimmte Rohstoffe. Gebäude versprechen Vorteile. So reduziert eine Festung die Rüstungskosten des Heeres, während eine erste Kirche bzw. ein erster Saal erforderlich sind, um Priester und Skalden ins Spiel bringen zu dürfen, deren Bedeutung bei der Einflussnahme auf die Stimmrechtsanteile schon dargestellt wurde. Für jeden Gebäudetyp gibt es in jedem Gebiet genau einen Bauplatz.

Öffentliche Bauwerke fördern das Gebiet, in dem sie errichtet werden. Den Aufwand hierfür sollte man somit nur treiben, wenn man sich dank gesicherter Mehrheitsverhältnisse einen langfristigen Nutzen davon verspricht. "Wege" bringen in jeder Runde einen zusätzlichen Rohstoff für dieses Gebiet. Mit einem Chip "Zusatzproduktion" kann gar noch eine Rohstoffkarte hinzukommen, wenn die hierfür gezogene Karte von einer bestimmten Art ist. "Märkte" gestatten die Bezahlung von Bauvorhaben mit anderen Rohstoffen, also z.B. Vieh statt Getreide, nicht nur Gold. "Palisaden" Schwächen anwesende Armeen, wenn der betreffende Spieler hier selbst keine Siedlung errichtet hat und nur mal kurz zum Plündern vorbeischauen wollte. Der bauende Hauptspieler darf für die Errichtung eines öffentlichen Bauwerks ausnahmsweise auch die anderen Spieler beteiligen, so man sich auf einen Kostenplan einigen konnte. Schließlich können ja auch andere Spieler von einem solchen Bau mit profitieren.

Hat ein Spieler in seiner Baurunde den Sieg verkündet, so dürfen alle anderen Spieler einmalig ihre Rohstoffe noch verbauen um ggf. weitere Teilziele zu erfüllen und so die Plätze auszuspielen.

Die fünf Siegbedingungen, von denen drei erreicht werden müssen, sind im Einzelnen:
- Bau von 8 oder mehr Siedlungen (Dorf / Gebäude)
- Bau von 2 oder mehr Siedlungen in 3 Gebieten
- mindestens 1 Gebiet mit 4 oder mehr Siedlungen
- Bau von 2 oder mehr Gebäuden
- Heer hat mindestens Stärke 3

Ein Bauvorhaben begünstigt meistens mehrere dieser Ziele, so dass das Erreichen von drei Teilzielen zum Sieg z.B. schon mit 8 Siedlungen in 3 Gebieten und der Verteilung 4-2-2 möglich ist. Daher muss man die lieben Mitspieler gut im Auge behalten und ihnen Mehrheiten und Profite nur dann gewähren, wenn man diese selber an anderer Stelle für sich selbst auch sicherstellen kann. Auch macht dieses Beispiel deutlich, dass man sich schnell der Fortgeschrittenen-Regel zuwenden sollte, die mit einer für jeden Spieler geheimen und variablen Siegbedingung, deren Verfahren ich hier nicht näher erläutern will (es sprengt einfach den Rahmen), die Messlatte zum Erreichen des Sieges ein Stück weit nach oben legt.

Graenaland ist ein starkes Stück Spiel. Es hat Atmosphäre, verlangt angepasste Spielweisen zwischen Kooperation und Konkurrenzkampf und sollte auch Catan-"geschädigten" Spielern mehr als einen Blick wert sein. Zwar habe ich den erklärenden Worten in Englisch am umlagerten Stand von CBG in Essen nicht wirklich alles zum Spiel entnehmen können, umso mehr freue ich mich, dass der Kauf sich als so überaus lohnend erwiesen hat.

Hartmut Thordsen
- Spielkreis Hiespielchen - www.hiespielchen.de -

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Dieter Niehoff

Re: [PEEP] Graenaland

Beitragvon Dieter Niehoff » 30. Oktober 2006, 15:41

Vielen Dank für Dein informatives PEEP. In den nächsten Tagen kommt GRÖNLAND auf unseren Spieltisch. Bin gespannt.

Frage: Der Absatz "Finalbau" auf S. 9 (links unten) der Regel hat doch lediglich eine Bedeutung für die Spieler, die Zweiter bis Letzter werden wollen, oder? :???:

Dieter Niehoff

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Hartmut

Re: [PEEP] Graenaland

Beitragvon Hartmut » 30. Oktober 2006, 22:28

Hallo Dieter,

> Frage: Der Absatz "Finalbau" auf S. 9 (links unten) der Regel
> hat doch lediglich eine Bedeutung für die Spieler, die
> Zweiter bis Letzter werden wollen, oder? :???:

Anders ist das nicht zu verstehen. Da man ja bei fast jedem Zug eines Spielers Rohstoffe erhält, die man nur einmal pro Runde im eigenen Zug verbauen darf, kann man so nochmal zeigen, wieweit dies zur Zielerfüllung dienlich gewesen wäre. Dient also nur der Vergleichbarkeit zwischen den übrigen Spielern, kann man ja auch lassen. Im Prinzip finde ich es aber okay, wenn der Autor z.B. für Spieleturniere eine anwendbare Regel für die Platzierungen vorgibt.

Viel Spaß beim Siedeln in Grönland

Hartmut


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