Beitragvon Marten Holst » 26. November 2006, 14:21
Moin,
> Der für mich alleinige Grund, warum Schach hier populärer
> ist, ist doch der, dass es hier (in Europa und auch östlich
> insb. Russland) eine langwierige Tradition gibt.
ich denke, hier liegt der Kasus Knacktus (casus cnacctus?). Über Jahrhunderte hinweg war Schach weitgehend konkurrenzlos (in unserem Kulturkreis) als das Spiel der großen und intelligenten, das Spiel ohne Zufall, bei dem man mit der Spielstärke nicht schnell an "Profis" rankam. Das Spiel der Leute, die es sich leisten konnten, sich damit zu beschäftigen (vor allem zeitlich). Und damit eben wirklich das große, wichtige Spiel. Von daher ist Schach auch ein kultureller Referenzanker. Entscheider spielen nicht Skat, oder Counterstrike, Entscheider spielen Schach.
Ein anderer Punkt ist sicherlich, dass seit ca. 15 Jahren gerade im Schach, einem ja etablierten Spiel, das selbsttätig eine Menge Spieler und damit auch eigenständige Spitzenspieler hervorbringt, und bei dem viele zumindest rudimentär wissen, wie es funktioniert, der "Wettkampf Mensch-Maschine" relativ spannend ist. Im Go, wie peer schon sagte, ist das nicht einfach, ein Gefühl von "is ja doll" zu vermitteln, da Spielstärkefortschritte nicht im "menschlichen Maßstab" statt finden.
> Kinder werden nur allzuschwer von Schach zu begeistern
> sein, gerade heute wo die Computerspiele doch wesentlich
> schnelleren Spielspaß versprechen.
Oh doch, sie sind. Es ist vielleicht nicht ganz einfach, aber mit dem richtigen Konzept und den richtigen Leuten geht das. Leider ist kontinuierliche gute Jugendarbeit eben genau das, auch Arbeit, und ohne die hat Schach es wirklich schwer, wenn keine Tradition besteht.
In Hamburg war aber zum Beispiel etwa die Hälfte der Schülerschaft des Gymnasiums Uhlenhorst-Barmbek in der dortigen Schach-AG. Da wurde es dann zu weiten Teilen ein Selbstläufer - "coole junge Leute spielen Schach". Die AG existiert weiter, trotz Schließung (Zusammenlegung) der Schule, wie gut es ihr auf Dauer gehen wird, als "externe" AG sich über die neuen Schulen auf die aufgeteilt wurde zu verbreiten, bleibt abzuwarten.
Auch in Hamburg gab es eine Veranstaltung an der Haupt- und Realschule Steilshoop (Riesenschulkomplex), bei der sich alle möglichen Sportarten vorstellen durften. Beim späteren Feedback der Schüler stellte sich heraus: die coolste, vor Basketball und Fußball, war in Augen der Schüler Schach. Es geht. Leider geht es aber auch nicht immer ganz so erfolgreich :-)
> Go steht da Schach im nichts nach, Einsteiger haben es da
> nicht gerade leicht.
> (Wobei ich da Go durchaus im Vorteil sehe, wg. den
> Vorgabesteinen)
Hach ja, die alte Debatte zwischen Go- und Schachspielern. Ich sehe Schach für Anfänger deutlich im Vorteil, gerade wegen der geringeren Abstraktionsebene, aber auch wegen der leichteren Identifizierbarkeit und Erklärbarkeit (die daher kommt) früherer Fehler, um sie zu erklären.
> Schaust du nun in die asiatischen Sphären, wo ist da Schach?
> Dort ist Go beileibe wesentlich populärer, selbst "Shogi",
> eine Art japanisches Schachspiel, dürfte dort bekannter
> sein.
Nicht "eine Art", sondern ein "gleichberechtigter" Nachfahre des Urschach. Ein Cousin 11.Grades sozusagen, der aber ähnlich dem Go (s.u.) sich nie so recht über alle Kulturgrenzen verteilen konnte.
> Nehme ich die Bevölkerung in Betracht würde ich schon lange
> sagen, dass Go wesentlich bekannter ist als Schach, nur
> eben nicht in Europa.
Ich würde "jein" sagen. Es spielen weltweit mehr Leute (registriert) Go als Schach. Allerdings hat Go eben außerhalb seines Kerngebietes kaum Verbreitung, während Schach praktisch überall auf der Welt "irgendwie vertreten" ist.
Tschüß
Marten