Beitragvon Volker L. » 8. Juni 2007, 15:49
Marten Holst schrieb:
>
> Moin,
>
> > Wenn ich an die Schulnoten denke, sollte man genauso oft
> > eine 1 wie eine 6 geben!. Die gehören einfach zum Spektrum.
>
> jein.
nicht "jein", sondern definitiv [b]nein[/b]
Zum Spektrum gehören schon, aber ganz so linear ist das
> Schulnotenspektrum nicht. Die "6" ist keine Note wie die
> anderen - deswegen wird sie auch im Gegensatz zu anderen
> Noten nicht unterteilt. Eine "6" entspricht
> "Leistungsverweigerung" oder "nicht bewertbar, da nicht
> vorhanden ist". Die eigentliche Skala bewertbarer Dinge geht
> in der Schule nur von 1(+) bis 5(-). Eine "6" für ein Spiel
> würde, wenn man wirklich parallel zu Schulnoten argumentieren
> will, ein "funktioniert nicht" sein. Und zwar nicht das "it's
> broken" des Boardgamegeeks, weil bestimmte Karten oder Felder
> zu wertvoll oder wertlos seien, sondern ein Spiel, das sich
> elementar in Regelwidersprüchen verhakt, oder viel zu wenig
> Regel hat, oder unter Umständen nicht beendet werden kann,
> entweder weil keine Endbedingung erreicht werden kann, oder
> weil ein Spieler nicht mehr legal agieren kann. Ich würde, um
> ein Spiel wie meinen Liebling LRC mit rein zu bekommen,
> vielleicht sogar noch Spiele mit aufnehmen, die objektiv
> Dinge, die versprochen sind oder zu einem Spiel gehören,
> nicht einhalten. Ein Spiel ganz ohne jede Möglichkeit sich zu
> entscheiden (klassisches Leiterspiel) ist eine 6.
>
> Der nächste wichtige Aspekt bei Schulnoten ist die Trennung
> zwischen "4" und "5" (oder im unterteilten Bereich zwischen
> "4" und "4-"), die auch eine entscheidende Qualifizierung
> beinhaltet, nämlich zwischen "bestanden" und "nicht
> bestanden" - wie auch immer man das jetzt auf Spiele
> übertragen soll.
Nunja, dieser Aspekt wäre noch relativ leicht übertragbar:
1-4 ist ein Spiel, das man mehr oder weniger gerne spielt,
5 nicht mehr.
> Vergleichbare relevante Bedeutungen und
> Unterschiede zwischen benachbarten Noten gibt es im oberen
> Bereich des Notenspektrums (fast) nicht. (2er und 1er
> gegenüber den jeweils schlechteren Noten, um ein
> Gesamtzeugnis "versetzbar" zu machen, aber das ist schon eine
> Gesamtbetrachtung, die vielleicht für die Bewertung eines
> Verlagsprogrammes spannend sein mag, aber nicht für ein
> Einzelspiel).
>
> Des weiteren bin ich auch nicht sicher, ob es immer sinnvoll
> ist, überall den Gauss rüberzuglocken. Man kann eine
> "Testserie", wenn ich die Noten mal so nennen mag, so sehen,
> dass man die besten Spiele, meinetwegen 10%, mit 1 betiteln
> will.
Wäre IMHO bei Spielbewertungen Unfug, weil damit Noten
aus verschiedenen Bewertungen in keinster Weise mehr
vergleichbar wären - dann könnte theoretisch ein Spiel
aus Nürnberg 199X, das eine "3" bekommen hat, in Wahrheit
ein besseres Spiel sein als eines aus Essen 199Y, das mit
"2" benotet wurde, weil N 199X deutlich bessere Spiele
hatte als E 199Y.
> Man kann sich aber auch vorher Gedanken über
> Qualitätsmaßstäbe machen, die zum Erreichen bestimmter Noten
> erforderlich sind, und dann anhand dieser Noten vergeben. Und
> wenn dann jedes zweite Spiel eine "1" ist, dann ist das so.
> Sicherlich gibt es keine objektiven Qualitätsmaßstäbe
> (zumindest keine sinnigen), und sicherlich ist ein Schema,
> das permanent und systematisch Teile der Skala außen vor
> lässt, überdenkenswert, aber auch das ist eine Methode.
> Obendrein hat sie den Vorteil, dass es für die Bewertung
> eines Spieles völlig irrelevant ist, wie gut andere Spiele
> sind. Fordere ich "gleich viele 1er wie 6er", auch nur grob,
> dann muss ich, wenn ich ehrlich sein will, erst alle Spiele
> für mich in eine Reihenfolge bringen, und kann erst danach
> die Noten verteilen.
Man stelle sich mal vor: Stiftung Warentest testet 20
verschiedene Kletterausrüstungen für Bergsteiger, und
gibt/bekommt die Vorgabe, dass die beiden (10%) besten
die Note "1" und die beiden schlechtesten die Note "6"
bekommen müssen :-O
Hättest Du zu einer solchen Skala Vertrauen, wenn Du
den Test als Entscheidungskriterium heranziehen willst,
welche davon Du Dir für Deine Eiger-Nordwand-Besteigung
zulegst? ;-)
> Die Frage ist dabei auch, was eine Note aussagen will. Soll
> sie etwas absolutes ausdrücken, wie "dieses Spiel ist sein
> Geld wert, und wird mehrere Male gespielt werden und nicht
> langweilen", oder etwas relatives wie "Dieses Spiel gehört
> zwar nicht zu den ersten 10%, ist aber noch
> überdurchschnittlich". Letztlich sind beides interessante
> Fragen: ich will natürlich als "Leser" der Note Spiele
> finden, die es wert sind gespielt zu werden - aber am
> liebsten auch die aus der ersten Garde.
>
> Abschließend aber noch zu dem "gleich viele 1er wie 6er" -
> viele, sehr viele Dinge in der Welt sind nicht symmetrisch um
> einen Mittelwert verteilt. Gehälter zum Beispiel. Gewicht.
> Einwohnerzahl eines Landes. Wieso sollten Noten es sein?
Eben.
Jedes Jahr kommen viele verschiedene Spiele von fast
ebensovielen sehr unterschiedlich begabten Autoren raus -
da kann es doch durchaus sein, dass in einem Jahr mal sehr
viele hervorragende Spiele und eine Menge Schrott dabei
ist, aber nur relativ wenig Mittelmaß, in einem anderen
Jahr aber kein einziges wirklich gutes Spiel, aber eine
große Zahl "solide Kost".
Zudem - solange man kein Spielekritiker ist (der schon
gezwungen ist, sich einen umfassenden Überblick zu
verschaffen), sondern Spieler - auch noch das zum Tragen
kommt, was man "Auswahleffekt" nennt: in diesem Fall
schlicht die Tatsache, dass man sich i.A. vorher informiert
und sowieso nur diejenigen Spiele ausprobiert, von denen
man erwartet, dass sie gut sind - insofern ist es auch
völlig normal, dass man sehr viel mehr gute als schlechte
Spiele spielt, auch wenn im Jahrgang insgesamt sehr viel
mehr Schrott als Perlen sind.
Mein größtes Problem bei solchen Umfragen hingegen wurde
bislang noch gar nicht angeschnitten: Wie man damit
umgehen soll, dass sowohl komplette Spiele als auch
Erweiterungen bewertet werden sollen. Eine Erweiterung,
die ein gutes Spiel weder besser noch schlechter, sondern
einfach nur anders macht (ggf. neue Karte mit einigen
speziell für diese Karte geltenden Regelmodifikationen,
Beispiele: Funkenschlag oder Age of Steam) - kriegt diese
Erweiterung nun eine mittlere Note (macht nicht besser,
nicht schlechter), oder soll die Erweiterung exakt dieselbe
Note bekommen wie das Originalspiel (mit EW ists halt
genausogut)?
Gruß, Volker