Beitragvon ravn » 19. Oktober 2007, 23:12
Nabend,
ein weiterer Messetag ist vorbei und wieder hatte ich das Glück, viele neue Spiele spielen und erleben zu dürfen und einigen Autoren und Spieleerklärern lauschen zu können. Wie düster muss doch die Zeit vor den "Internationalen Spieltage" gewesen sein? So viele Neuheiten, die man schlicht nicht bemerkt hat, oder gab es früher schlicht nicht so viele Spiele? Egal!
*** Glik, Portal Publishing
Gestern schon gespielt und dann auch direkt gekauft und irgendwie vergessen aufzulisten, dabei ist es ein wirklich empfehlenswertes Spiel - sofern man abstrakte Spiele mag für 2 bis 4 Spieler. Aus kleinen Holzbrettchen mit 4x4 Raster wird die Spielfläche aufgebaut. Einige Quadrate sind ausgefüllt und stellen Wände dar. Dazu gibt es Start und Zielfelder für 4 Spieler. Die Spielmechanismen erinnern vom Bewegungsablauf an Rasende Roboter, denn einmal ins Spiel gebracht, zieht man seine Spielsteine in gerader Linie bis zur nächsten Hindernis. Das können Spielsteine, Wände und neutrale Blockiersteine sein. Wer zuerst seine Steine am Zielfeld aufgereiht hat, der hat gewonnen. Klingt einfach, gradlinig und deshalb gut. Macht Spass (nur in Zweierbesetzung gespielt) und ist herausfordernd, weil man auf der einen Seite seine Route zum Ziel vereinfachen sollte, aber die Routen der Gegner möglichst behindern. Unbedingt anschauen! Allerdings sind die Holzplättchen arg farbverschieden von hell bis dunkler in der Grundfarbe - eben ein Naturmaterial ohne 100% Perfektion. Werd bis Sonntag morgen noch sehen, ob mich das zu sehr stört und ggf. um den Austausch einzelner Plättchen austauschen nachfragen (da ist eines arg dunkel, fast schon braun, während die Anderen eher beige sind).
*** Napoleons Triumph, Simmons Games
Bonaparte at Marengo in gross, mit Generälen und mehr Regelwerk. Da ich schon den Vorgänger seit einem Jahr ungespielt im Regal stehen habe, weil mir die Regel arg sperrig ist (liegt wohl auch an mir), werde ich mich an das doppelt so grosse Napoleons Triumph erstmal nicht herantrauen. Wem hingegen Bonaparte schon gefallen ist, für den ist Napoloen eh ein Pflichtkauf. Neulingen würde ich den Einstieg mit Bonaparte empfehlen - dann kann man sich auch prima zu Napoleon spielerisch "hocharbeiten". Aber beeindruckend sah es schon aus, wenn auch nur mit ausgezogenem Küchentisch spielbar.
*** König von Siam, Histogames
Habe ich keine Meinung zu, die in eine Richtung weisen könnte. Auf der einen Seite geht es mal wieder um ein durch Karten gesteuertes Mehrheitensystem, wobei man allerdings nicht selbst eine Spielerfarbe vertritt, sondern deren drei zu seinen Vorteil steuert. Auf der anderen Seite verlangt das Spiel nach so vielen zu optimierenden Spielzügen, dass ich fast abgeschreckt bin, es in einer Zugtüftler-Runde spielen zu wollen. In der Fairplay Scoutwertung wird es allerdings hoch gehandelt. Für Fans in der richtigen Spielrunde sicherlich genau das richtige Spiel. Aber für mich? Unentschlossen, werde es deshalb doch mal wagen, unter suboptimalen Messebedingungen für so ein Spiel, es zu spielen, statt nur zuzuschauen und der kompletten und kompetenten Regelerklärung mit vielen guten Beispielen zu lauschen.
*** Origins, Sierre Madre Games
Nicht gespielt, sondern nur den Autor mit Fragen gelöchert und erzählen lassen, während eine Spielpartie lief. Man führt sein Stamm über die komplette menschliche Entwicklungsgeschichte und muss sich weiterentwickeln. Das Ganze wird zweisprachig präsentiert, was Spielkarten und das Spielbrett arg überladen wirken lässt. Wetter, Jagd und diverse andere Kleinigkeiten sind vom Würfelwurf abhängig und da ist die Frage, in wie weit das Spielgeschehen für ein Entwicklungsspiel nicht zu zufällig wird, weil die Würfel eben anders wollen und man nicht von der eigenen Spielstärke, sondern von Würfel geschlagen wird, während die Mitspieler im Gegenzug bevorteilt werden können. Mag ich bei Abend füllenden Spielen nicht, wenn auch die Grundelemente interessant klangen. Hoffe da schlicht auf Eure Messeeindrücke!
*** Ming Dynastie, Hans im Glück
Am Herner Spielebus gespielt und da zeigte sich recht schnell, dass die Regeln arg verbesserungsfähig sind. Ohne Erklärerin wird es steinig. Die hatte allerdings auch ihre lieben Mühen mit unserer Verständnisfähigkeit der Zusammenhänge, weil das Spiel arg verzahnt ist und man mal wieder in zig verschiedenen Kategorien durch unterschiedliche Möglichkeiten Siegpunkte machen kann - meistens durch Mehrheiten. Spielte sich sehr kopflastig und ohne arge Vorausplanung kann man nichts gewinnen, aber selbst dann können die lieben Mitspieler immer noch die Pläne durchkreuzen und man muss schlicht das Beste aus der gegebenen Situation machen, die man eigentlich anders eingeschätzt hat. Da aber im Grunde nicht wirklich was Neues geboten wird, frage ich mich, wer das Spiel braucht? Aber schlecht ist es sicher nicht, nur schon in den diversen Elementen woanders schon zu oft gesehen und müde gespielt. Auch bin den Mehrheiten und der Siegpunktesammelei arg überdrüssig. Fans davon werden hingegen begeistert sein.
*** Laboriginals, Czech Board Games
Knetmonster wandern im Kreis umher, um am Leben zu bleiben. Man landet würfelgesteuert auf Aktionsfelder, wertet die aus und spielt weiter. Kann in der geeigneten Runde, die bereit ist, sich auf das Spiel einzulassen, sicherlich Spass machen. Mir selbst war da aber zu wenig Spiel im Spiel. Ohne die aussergewöhnliche Aufmachung wäre es für mich komplett uninteressant und dass ist leider kein gutes Zeichen für das Spiel hinter der Optik.
*** BallCube, Herzspiele
Gestern noch kiritisiert, heute gespielt und zufrieden. Das Material ist kein Plastik sondern Polycarbonat (sagte die Autorin) und widerstandfähig. Sieht auf dem zweiten Blick ganz ok aus, aber für 50 Euro hätte ich lieber zu einer 70 Euro Version gegriffen, die nicht ganz so matt und oberflächlich angekratzt aussieht. Blöd nur, dass es die nicht gibt und ich sowieso nicht die Zielgruppe für 70 Euro teure Spiele an der Grenze zum Kunstobjekt wäre. Der Spielablauf ist einfach aber faszinierend, weil eben räumlich gespielt wird und nicht nur flach auf dem Brett. Man schaut erstaunt den Kugeln zu, wie die sich ihre Bahn auf den durch Schiebern geöffneten Weg nach unten bahnen - oder auch nicht, wenn man die Schieber zuvor ohne Taktik und Spielübersicht platziert hat. Ein gutes Spiel mit eigener Zielgruppe, die ich nicht so recht bin, da mir abstrakte Spiele höchstens 25 Euro wert sind, egal wie wertig die auch aussehen mögen.
*** Medievalia, Giochix Edizioni
Leider nur arg oberflächlich erklärt bekommen, aber im Grunde baut man mit Karten seine Provinz auf, bekommt virtuelle Waren durch diese Karten, womit man wieder andere Karten nuten kann. Dann kann man noch die lieben Mitspieler überfallen und das alles per Kartenvergleich. Weder arg komplex noch kompliziert, aber eben nur ein Kartenspiel, dass man kaufen kann, oder eben auch nicht. Ich wohl erstmal eher nicht, weil mich die Präsentation nicht angesprochen hat und der Anspielplatz belegt war. Wenn es ein Hit wird, kauf ich es dann und gut. Gibt noch so viele andere Neuheiten, die mich mehr begeistern konnten.
*** Wadi, Emma Games
Da fliesst ein zweigeteilter Fluss durch eine Landschaft aus diversen Feldern, die man dazu auch noch beliebig oder nach Szenario kombiniert aufbauen kann. Man selbst baut Pumpstationen und bewässert die angrenzenden Felder. Dafür gibts Punkte, je nach Feldart mehr oder weniger und irgendwann ist der Fluss ausgetrocknet. Nettes Thema, stimmig umgesetzt, aber gab spielerisch nicht viel her, weil man sich die guten Bauplätze ausrechnen kann und dann irgendwie und irgendwo das Spiel dabei verloren gegangen ist. Da kann auch der Wadi-Glücksbringer (hat mit dem Spiel nix zu tun, sieht nur nett aus) nichts mehr rausreissen für uns verwöhnte Spielefreaks.
*** Steam over Holland, Vendetta Games
Eine gradlinige 18xx Variante in den Niederlanden angesiedelt von allen Regelwerkbalast befreit, so dass die Zugänglichkeit unter den 18xx Spielen seines Gleichen sucht. Gutes Material, schmucke Spielschachtel. Gerade das richtige Futter, um 18xx Verweigerer von dieser Spielegattung zu überzeugen und irgendwann darf dann auch mal ein 1835 ausprobiert werden. Soll auch zu Zweit gut spielbar sein und deshalb für mich ein Kauftipp. Allerdings mit 40 Euro nicht übermässig preiswert im Vergleich zu einem 30 Euro Cuba und einem 35 Euro Agricola. Aber wer in 18xx Fankreisen für wenige Pappmarker in Kleinstauflage jedes Jahr viel Geld ausgibt, für den sind 40 Euro für ein komplettes 18xx sicherlich arg preiswert. Ich möchte es haben, aber zu dem Preis? Bin eben doch kein 18xx Fan, sondern eher breitflächiger interessiert.
*** Flinke Feger, Pro Ludo
Die Aufmachung macht das Spiel. Wer Bongo kennt und hasst wie ich, der wird auch das Spiel nicht toll finden. Da ich mir schlicht nicht unter Zeitdruck merken will, was für welche Würfel ich eben noch gesehen habe, bevor ein Mitspieler die Buchseite umklappt und somit die Würfel verdeckt werden, habe ich keine Chance bei dem Spiel. Irgendwie ist es für mich auch kein Spiel, sondern eher Gedächtnistraining als Spiel verpackt. Einfach und schnell erklärt, direkt losgespielt, ganz lustig (für die Anderen) und schnell wieder vergessen. Wer Bongo mag, bekommt hier eine Luxusausgabe mit anderen Würfelauswertungsregeln. Ganz objektiv betrachtet aber gewiss kein schlechtes Spiel, nur eben nich meines.
*** LINQ, BeWitches Spiele
Kommunikationsspiel mit assoziativen Bluff-Elementen für 4 bis 8 Spieler. Je mehr, desto besser, desto ausgewogener. Über die Fairplay Scoutaktion auf das Spiel aufmerksam geworden, Spielrunde zugeschaut, nochmal selbst erklären lassen und gekauft für 17 Euro. So schnell und einfach kommt man zu guten, weil aussergewöhnlichen Spielen mit erfrischenden Ideen. Allerdings nichts für Leute, die überhaupt keine Wortspiele mögen und sich nicht vorstellen können, was man zu "Spieler" assozieren kann, dass mich der geheime Teampartner daran erkennt, aber die anderen Mitspieler unsere Teamzusammengehörigkeit eben nicht entdecken.
*** Perry Rhodan: Die kosmische Hanse, Kosmos
Eigentlich ein abstraktes Spiel, das kein Thema gebraucht hätte, aber Kosmos wollte eines und hatte die Lizenz und der Autor hat dann auch nicht Nein gesagt. Warum auch, stört das Thema doch nicht. Von Heinrich Glumpler selbst erklärt bekommen und das war wieder mal faszinierend wie jedes Jahr. Danke für die kurzweiligen Minuten. Auch wenn es so gut wie keine Spielerinteraktion hat, sind die Spielelemente rund um die intergalaktische Lieferungen gelungen verwoben. Zwar auch ein Kartenspiel, aber eines, dass mich in der Präsentation angesprochen hat. Das macht eben den Unterschied zwischen guten und eventuell guten Spielen aus - siehe oben Medivalia als Gegenbeispiel.
*** Galaxy Trucker, Czech Games Edition
Wenn ein Spiel schon beim Zuschauen die Freude aufs Selbstspielen weckt, dann hat es schon gewonnen. Ich mag Factory Fun (und habe mich davon überzeugen lassen, dass der Auwahlmechanismus passend ist) und Raumschiffe sowieso. Dabei ist der Raumschiffbau bei Galaxy Trucker aus erst verdeckten und dann Stück für Stück simultan umgedrehten Teilen überhaupt nicht hektisch, da erst etwas Zeitdruck kommt, wenn der erste Spieler meint, mit dem Raumschiffbau fertig zu sein. Dann muss sich das eigene Raumschiff im Praxiseinsatz bewähren. Diverse Schiffsqualitäten sind da gefragt. Sehr atmosphärisch und spieltaugliches Material. Gekauft!
Die Eggert-Neuheiten habe ich leider immer noch nicht spielen können. Auch die von Warfrog nicht. Aber gibt ja noch den Samstag und private Treffs vor Ende der Messe. Ebenso hoffe ich weiter auf weitere Insidertipps aus Essen, denn nochmal möchte ich ungern ein "Through the Ages" verpassen. Und nein, ich habe nicht an der Verlosung der letzten Exemplare zum doppelten Preis teilgenommen, selbst wenn ich die nicht ebenso verpasst hätte und nur noch die Palette mit "Ages" auf dem Weg zu Herzspiele sah.
Cu/Ralf