Beitragvon Herbert » 6. Februar 2011, 14:55
... dann heisst es, soll man gehen.
Gestern las ich, dass es zukünftig 3 Hauptpreise beim Spiel des Jahres geben soll. Und dabei stellte ich fest: es interessiert mich nicht mehr. Gewiss, ich registriere jedes Jahr, welches Spiel sich denn nun "Spiel des Jahres" nennen darf und denke dann immer kurz nach, ob dieses neue Spiel in der Reihe der Preisträger irgendeinen Sinn macht. Und niemals kam ich zu einem Ergebnis. Und inzwischen denke ich auch nicht mehr ernsthaft darüber nach.
1979 wurde Hase und Igel zum Spiel des Jahres gekürt. Aha, dachte ich, das wird wohl das beste Spiel des Jahres sein. Und ich habe es bei Freunden gespielt - und es gefiel allen. Was wir damals kannten, waren Schach, Mühle, Dame, Skat, Rommee, Canasta, Mensch ärger Dich nicht, Monopoly und Risiko. Es gab auch damals schon richtig gute Spiele (Acquire, Dune, Diplomacy, 1829, Civilization, Cosmic Encounter, Twixt, Trade, Crude, Monad, Sleith, Venture), aber die kannten wir nicht. Kannte kaum jemand in Deutschland. Woher sollten wir sie auch kennen. Unsere Eltern kannten Sie nicht, unsere Freunde kannten sie nicht, Internet gab es nicht und Spielezeitschriften kannten wir auch nicht. Das Spiel des Jahres hingegen gab uns die ersten Anregungen.
Und so vergab die Jury jedes Jahr einen weiteren Titel. Wir spielten Sagaland, Scotland Yard, Dampfross, Heimlich & Co, Auf Achse, Barbarossa, Café International, Adel verpflichtet, Drunter & Drüber, Um Reifenbreite, Bluff und schließlich die Siedler von Catan und El Grande. Gewiss, es waren auch schwächere Titel drunter, aber die meisten waren brauchbar. Und mit den Siedlern und El Grande hatte man 1995 und 1996 zwei wirklich neuartige Spiele prämiert.
Aber das Spiel des Jahres war schon lange nicht mehr unsere einzige Richtschnur. Seit den 80ern gab es die spielbox und die Internationalen Spietage, seit den 90ern das Internet und den Deutschen Spiele Preis. Vom Spiel des Jahres wusste man, dass es von einer Handvoll Experten vergeben wurde.
Und dann wurde die Jury komisch. Mississippi Queen war heilbringend für alle, die da dachten eine Handvoll Experten könne unfehlbar sein. Aber das war wohl ein Ausrutscher, denn mit Elfenland, Tikal, Torres und Carcasoonne folgten ja wieder richtig starte Titel.
Danach aber brach die Banalität über uns herein. Und sie verspielten ihre Tradition. Tradition entsteht, wenn man immer wieder das gleiche tut. Aber die Jury tat nicht immer das Gleiche. Gewiss, sie kürte in jedem Jahr ein Spiel des Jahres. Der Sonderpreis schönes Spiel wurde fast 20 mal vergeben, der Sonderpreis Kinderspiel 11 mal, danach wurde das Kinderspiel des Jahres daraus. So erhält man Tradition. Aber gleichzeitig verwirrte sie uns: Sonderpreis puzzle, Sonderpreis Geschicklichkeitsspiel, Sonterpreis Geschichte im Spiel, Sonderpreis Literatur im Spiel, Sonderpreis Fantastisches Spiel, Sonderpreis Komplexes Spiel Sonderpreis Partyspiel, Sonderpreis Neue Spielewelten und Sonderpreis Spiel des Jahrs plus. Und jeder wurde in 1 oder 2 Jahren vergeben - dann nie wieder!
Die Verkaufszahlen für das Spiel des Jahres gehen zurück - womöglich denken andere auch wie ich. Alarmierendes Zeichen für die Jury. Quo vadis? Nun soll es einen dritten Hauptpreis geben. Wahrscheinlich für das Beste Spiel, welches Puzzle oder Geschicklichkeitsspiel oder Historienspiel oder Literaturspiel oder Fantastisches Spiel oder Komplexes Spiel oder ein Spiel aus einer neuen Spielewelt ist. Dürfen wir uns also zukünftig nicht nur fragen, warum in aller Wellt das Spiel xy nun Spiel des Jahres wurde sondern auch, in welche der Katorien es einzurodnen ist. Dabei gibt es diesen Preis doch schon seit 1990, es ist der Deutsche Spiele Preis.
Ich werde mich nicht mehr wirklich mit den Preisträgern der Jury beschäftigen. Ich werde die Namen der Preisträger zur Kenntnis nehmen, genau so wie ich inzwischen den Gewinner der Tour de France nur noch zur Kenntnis nehme. Ich werde mich wehmütig erinnern an Hase und Igel und Eddy Merxx und werde die neuen Namen nur noch zur Kenntnis nehmen, egal wie viele es denn sind. Es ist mit diesem Preis wie in Sport und Politik: irgendwann ist die Zeit vorbei, und einige wollen das einfach nicht begreifen.
Gruß aus dem Münsterland
Herbert