Beitragvon LemuelG » 16. Juni 2012, 17:22
Daniel R. schrieb:
> Beim Spielmechanismus fand ich mich zu stark an "Alea iacta
> est" erinnert, als dass ich ihn innovativ empfand.
> Funktionieren tut es aber ohne maulen.
Ich habe "Alea iacta est" noch nicht gespielt, habe mir vorhin dann aber mal die Spielregel angesehen. Soweit ich das auf dieser Basis beurteilen kann, erschöpft sich nun die Gemeinsamkeit der beiden Spiele in dem Fakt, dass Würfel oder Würfelkombinationen auf potenziell Vorteile bringende Felder eingesetzt werden. Weitere spezifische Details von "Vegas", wie das Ausnullen, den Zwang zum Einsetzen aller gleichen Würfel oder das Zocken auf gute letzte Würfelwürfe (statt einer Latrinenoption) sorgen aus meiner Sicht für ein recht anderes Spielgefühl. Eine innovative Neukombination muss ja nicht immer komplex sein.
> Fesselnd: ich stimme da eher ravn, der diesen Thread
> gestartet hat zu. Generell: es wird nie ein Spiel geben von
> dem restlos alle begeistert sind.
Das stimmt. Allerdings muss man auch mal akzeptieren können, dass man selbst die Mindermeinung vertritt.
> > Mit den herablassenden Bemerkungen ("peinlich") hast
> > zuallererst Du angefangen.
>
>
> Das war aber Kritik an der SdJ Jury (Drittpersonen), keine
> direkten Diskussionspartner wie Siegsdorfa oder Thygra hier
> im Forum.
>
> Die SdJ Jury besteht aus 11 Personen u.a. Udo Bartsch oder
> Wieland Herold die für Spielbox rezensieren. Im besten Sinne
> also Vielspieler.
> Oft höre ich: weil du Vielspieler bist, kannst Du nicht mehr
> beurteilen, was für Gelgenheitsspieler/Familie toll ist, da
> deine Ansprüche zu stark gestiegen sind.
>
> Analog dazu ein Zitat vom Komiker W.C. Fields:
> "Man kann einen Durchschnittsmenschen zum Lachen bringen,
> indem man einen als alte Frau verkleideten Mann in ein Loch
> fallen lässt. Um einen Komiker zum Lachen zu bringen, muss es
> einen echte alte Frau sein".
>
> Theoretisch müsste dann nicht nur ich, sondern auch die Jury
> "schwerer zu beindrucken" sein.
> Der Punkt ist: "die Jury kommentiert ihre Entscheidungen
> nicht".
> Man weiss nur, dass das ausgezeichnete Spiel eine Mehrheit
> der 11 Mitgliederstimmen erhalten haben muss.
> Es kann also sein, dass ein Jurymitglied für keines der 3
> nominierten gestimmt hat, aber eben überall überstimmt wurde.
> Deswegen meine Kritik "kleinster gemeinsamer Nenner"-Syndrom,
> was dazu führt, dass nicht das innovativste oder thematischte
> oder beste Spiel gewinnt, sondern jenes, auf das sich die
> Mehrheit "einigen" kann. Ein typischer, politischer
> Kompromiss, dessen Resultat eigentlich nur durchschnittlich
> sein kann (es sei denn ein Überflieger beeindruckt alle, was
> selten genug vorkommt).
Zunächst sind das mal eine Menge Unterstellungen, die Du hier unternimmst. Du unterstellst, dass Vegas mutmaßlich mit knapper Mehrheit gerade so durchgeflutscht sei. Du mutmaßt, der kleinste gemeinsame Nenner sei die Regel, und nach Deiner Schilderung klingt es so, als sei die Juryberatung ein bloßes kurzes Abstimmen, und fertig. Du kritisierst die Begründungspolitik der Jury. Und Du unterstellst der Jury, vom Spielegeschmack des Durchschnittsmenschen abgehoben zu sein. All das auf Basis der Tatsache, dass in diesem Jahr Vegas nominiert wurde, ein Spiel, das so manch einer zu Recht auf dieser Liste sieht.
Als allererstes möchte ich Dich mal auf die Website des SdJ verweisen, wo unter http://www.spiel-des-jahres.com/cms/front_content.php?idcat=22 mehrere (leider nicht die ganz aktuellen Jahre abdeckende) Berichte zur Entscheidungsfindung der Jury stehen. Diese sind aus dem selben Grunde ohne konkrete Nennung von Spieletiteln, wie es keine vergleichende Begründung der Juryauswahl gibt - die Entscheidung für ein bestimmtes Spiel würde immer als Entscheidung gegen ein anderes Spiel wahrgenommen, und es widerspräche dem Vereinszweck, die hier unterlegenen Spiele auf diese Weise öffentlich in Misskredit zu bringen. Was in diesen Berichten aber deutlich wird, ist der immense Diskussions- und Beratungsaufwand, der immer wieder in die Nominierungsliste(n) gesteckt wird. Da werden Plädoyers gehalten, werden über Monate Favoritenlisten ausgetauscht und kreuzweise getestet, werden Entscheidungen gerade bei Kompromisskandidaten durchaus noch einmal über den Haufen geworfen (siehe 2010), etc. Dein abschließender Vorwurf, die Jury sei so abgehoben, dass sie weg vom Gelegenheitsspieler- und hin zum Vielspielerspiel tendiert, entkräftet sich angesichts der alljährlichen Proteste über den abnehmenden Anspruch des SdJ (inzwischen durch das KedJ aufgefangen) schon von selbst.
> Und genau deshalb wäre es wichtig, Vegas trotzdem bei
> Ravensburger erscheinen zu lassen, damit ein Produkt, dass
> auf die breite Masse ausgerichtet ist, auch in den Genuss
> kommt, von dem dafür geeigneten breiten Vertriebsweg zu
> profitieren.
> (das ist aber nur meine bescheidene Meinung, bevor ich
> kritisiert werde, woher ich das wissen wolle, ich sei doch
> kein Vertriebsprofi)
Dieser Perspektivwechsel verwirrt mich immer noch. Du hältst Vegas nicht für ein gutes Spiel, argumentierst aber, dass es möglichst breit verfügbar sein sollte?!
Wie dem auch sei: Vielspieler wissen, dass sie bei Alea redaktionell sehr gut betreute Spiele bekommen können, und können angesichts des Anspruchslevels auch einschätzen, was da auf sie zukommt. Die leichten Aleas halte ich daher für solche Spiele, die auch für Vielspieler interessant sein können. Gleichzeitig wird ein Seltenspieler, der einem leichten Alea begegnet, sich vielleicht doch irgendwann fragen, wieso da außer Ravensburger noch "Alea" auf der Schachtel steht, und so einen Zugang zum etwas anspruchsvolleren Alea-Programm finden. Ravensburger wiederum hat den superbreiten Massenmarkt im Auge. Ein Spieleautor wird sehr genau wissen, ob er sein Spiel Ravensburger anbietet oder Alea, und ebenso wird Ravensburger eine ganz gute Ahnung davon haben, welche Spiele ohne zusätzliche Preise auf dem Massenmarkt laufen können. In Sachen Vegas sehe ich daher mehrere mögliche Gründe für die Veröffentlichung bei Alea statt Ravensburger (durchaus auch in Kombination): 1. Ravensburger beurteilte die Massenmarktchancen für ein "Zocker"-Spiel aufgrund des Themas als nicht so gut; 2. Alea sieht für Vegas auch gutes Potenzial bei Vielspielern; 3. die redaktionelle Trennung führt zu einer weitgehenden Unabhängigkeit von Alea und zu großer Entscheidungsfreiheit für Alea.
In jedem Fall möchte ich die von Dir angenommene Markenschädigung durch leichtere Spiele bezweifeln. Das ist hier nicht der Volks-Mercedes oder dergleichen, wo solche Überlegungen tatsächlich eine Rolle spielen könnten. Die Spielebranche und die Spieleverlage leben von Vielfalt und Abwechslung in ihrem Programm, und von guten Ideen der Autoren. Sich hier in einer Nische noch zusätzlich einzuzementieren, kann da nur schädlich sein.