In den letzten Wochen gibt es auf BGG reichlich Berichte, Videos, etc. über das neue Spiel von GMT: Thunder Alley. Der eher im Bereich Wargames tätige Verlag bringt hiermit nicht nur ein Auto-Rennspiel für 2 - 7 Spieler heraus (dass sich an die amerikanischen NASCAR-Rennen anlehnt), sondern vor allem ein Spiel, dass Innovation, Spielspaß und einfache Regeln sowie Euro-Eleganz mit Ami-Thematik aufs Trefflichste kombiniert. Hier ein Mini-PEEP zur Einstimmung:
Das Spiel kommt mit zwei sehr großen, doppelseitig bedruckten Spielplänen, sprich Rennkursen, die unterschiedlich viele Felder, Formen, Kurven und Spuren haben. Jeder Spieler erhält Wagen einer Farbe in Form von Pappeplättchen mit hellerer Vorder- und dunklerer Rückseite, je nach Spielerzahl 3 - 6 Stück. Außerdem bekommt man das entsprechende Spielertableau mit einem eigenen kleinen Bereich pro Wagen, auf dem im Spielverlauf Abnutzungsmarker abgelegt werden.
Das Spiel wird über Rennkarten gesteuert, also nix mit Würfeln. Jeder Spieler hat eine Rennkarte mehr auf der Hand, als er Wagen am Start hat, die Wagen werden in Startaufstellung gebracht, und schon geht’s los.
Ein Spieler am Zug (reihum) aktiviert normalerweise einen seiner Wagen, der in dieser Spielrunde noch nicht aktiviert wurde, spielt eine Rennkarte für diesen aus und führt die auf der Karte angegebene Bewegung durch. Danach dreht er den aktivierten Wagen auf die andere Seite. Eine Spielrunde ist vorbei, wenn alle Wagen aktiviert wurden. Grundsätzlich geben die Rennkarten einen Wert zwischen 4 und 8 Bewegungspunkten an: Um so viele Felder wird der Wagen bewegt - geradeaus oder seitwärts, NICHT diagonal. Alle Bewegungspunkte müssen genutzt werden, freiwillig bremsen ist nicht.
Der Kernmechanismus bei Thunder Alley besteht in den vier verschiedenen Bewegungsmodi der Rennkarten (zum Teil mit speziellen Bedingungen und Ausnahmen).
1. „Solo“: Der Wagen bewegt sich alleine. Zieht er auf besetzte Felder, kostet das vorwärts 3 und seitwärts 2 Bewegungspunkte und alle Wagen werden dort entsprechend verdrängt - das kann auch mal eine ganze Reihe sein, die ein Feld nach hinten ver-rückt wird.
2. „Lead“: Der Wagen bewegt sich wie solo, doch alle Wagen, die bei Zugbeginn in derselben Spur lückenlos hinter ihm in Reihe stehen, folgen ihm Feld für Feld nach.
3. „Pursuit“: In diesem Verfolgungsmodus "schiebt" der aktivierte Wagen alle Fahrzeuge, die in derselben Spur vor ihm stehen, einfach mit, und zwar vorwärts. Allerdings erst ab dem Moment, in dem sich auch tatsächlich mindestens ein Wagen vor dem aktiven Wagen befinden und dieser VORWÄRTS fährt. Er kann also zunächst wie ein Solo-Wagen beginnen, und erst, wenn er auf Wagen trifft, geht es mit allen diesen straight vorwärts, was stets 1 Bewegungspunkt kostet, niemals 3 - die anderen fahren ja mit.
4. „Draft“: Hier gilt wie bei Pursuit, dass erst bei einer Vorwärtsbewegung eine „Verbindung“ stattfindet. Hier aber fahren alle Wagen als Pulk mit, sowohl diejenigen VOR, als auch diejenigen HINTER dem aktiven Wagen.
So, das war der komplizierte Teil. Alles andere ist Beiwerk, und zwar genau so viel, wie es braucht, um das Ganze schön zu würzen, nicht mehr. Viele Karten bescheren dem aktivierten Wagen „Abnutzungsmarker“ - ab 3 angesammelten werden ebenso viele Bewegungspunkte abgezogen, bei 6 fliegt er aus dem Rennen. Um dies zu vermeiden, können immer nach einer Spielerrunde Pitstops eingelegt werden und zeitweilige Abnutzungsmarker verschwinden (es gibt auch permanente, die bleiben).
Nach jeder Spielerrunde wird eine Ereigniskarte aufgedeckt, die oft besonders abgenutzte Wagen nochmals benachteiligt, gerne aber auch (9 von 26 Karten) wird die „Gelbe Fahne“ gezeigt, was ein enges Zusammenrücken des gesamten Feldes zufolge hat samt nachfolgendem Neustart. Wer alleine vorgeprescht war, ärgert sich, wer abgeschlagen hinten lag, hat wieder Anschluss und freut sich über gesparte Mühen.
Interessant ist, dass auch Wagen, die aus dem Rennen geflogen sind (oder auch freiwillig aus dem Rennen genommen!), weiter aktiviert und umgedreht werden, allerdings ohne eine Karte zu spielen. Man „passt“ also und hat eine größere Kartenauswahl für die Wagen auf der Strecke. Außerdem erhalten ALLE Wagen, sobald sie von der Strecke genommen werden, Siegpunkte: Von einer Reihe ausgelegter, absteigender Siegpunktemarker erhält ein vorzeitig ausscheidender Wagen immer den niedrigsten noch vorhandenen, der Sieger und nachfolgende das Rennen beendende Wagen den jeweils höchsten.
Am Ende erhalten alle noch im Rennen befindlichen Wagen nach ihrer momentanen Reihenfolge Siegpunktmarker, es gibt ein paar Zusatzpunkte für Wagen, die nach einer RUnde geführt haben - zusammenrechnen, fertig.
Dem Ehepaar Horger ist mit Thunder Alley ein absoluter Hit gelungen. Wer Rennspiele mag, kommt hier auf sämtliche Kosten. Am besten gefällt das Spiel bei 3 - 5 Spielern, bei mehr ist der Einfluss doch arg gering, bei zwei Spielern ist es ein etwas krampfiges Hin und Her. Sehr schön greift der „Draft“-Mechanismus, der an „Um Reifenbreite“ erinnert, allerdings mit entscheidenden Unterschieden: Keine Würfel und kein „freiwilliges“ Hinterherfahren, sondern zwingende Pulk-Regeln. Oft fahren 8 oder gar 10 Wagen auf einmal vor, oft mehrfach nacheinander, weil ja alle Wagen aktiviert werden ... Auch fehlt gegenüber anderen Rennwagen-Spielen sämtliche Gänge, Tunings, etc. - hier wird schlicht gemeinsam gebrettert, die Feinheiten spürt man dann nach und nach. Und davon hat das Spiel doch einige zu bieten. Denn das Feld zu „lesen“ ist eine Kunst für sich.
Wie man merkt, bin ich schwer begeistert. Die Dynamik des Spiels ist wirklich fesselnd, die diversen Strecken bieten Abwechslung genug, das Material ist top funktionell, die Regeln klar strukturiert und bis auf Winzigkeiten unmissverständlich. Wer Fragen hat, gerne hier - ich denke, inzwischen kann ich so ziemlich alles beantworten. ;-)
Einen Schwierigkeitsgrad anzugeben, fällt mir ziemlich schwer. Die Regeln an sich sind simpel, die Entscheidungen und die ein oder anderen Details haben es aber schon auch in sich. Absolute Einsteiger oder Gelegenheitsspieler werden ohne Einführung Schwierigkeiten haben, erfahrenere Spieler auf „Kennerspiel“-Niveau haben dafür ein echt sattes Spiel vor sich.
Wer Grübelspieler mit am Tisch hat, läuft allerdings Gefahr, doch etwas länger auf seinen Zug zu warten. Spaß macht es (mir) eher, wenn aus dem Bauch gespielt, ab und zu verhandelt und immer wieder ordentlich geflucht und gelacht wird.
Thunder Alley ist in Deutschland beim einen oder anderen Online-Händler erhältlich - ich weiß von Spieltraum (ab September) und Udo Grebe (nur noch wenige Exemplare vorhanden). Auch bei Brave New World in Köln ist vor einer Woche eine Lieferung eingetroffen. Der Preis um die 50 Euro ist m.E. mehr als gerechtfertigt, auch wenn einige kleinere Fehler oder Formulierungsungenauigkeiten nachgebessert wurden. Die Errata-Seite auf BGG lässt da keine Fragen offen, und ehrlich gesagt könnte man das alles auch sein lassen.
Empfehlenswert: auf BGG die bebilderte Comic-Review:
http://www.boardgamegeek.com/thread/1224674/nascar-quick-start-guide-thunder-alley
Es gibt auch diverse Einführungsvideos - zum Beispiel dieses:
http://www.boardgamegeek.com/video/50395/thunder-alley/examples-play-revised
Ich habe zudem zwei Deutsche Dateien bei BGG eingestellt:
Spielhilfe (Rundenablauf):
http://www.boardgamegeek.com/filepage/106851/spielhilfe-ablauf-spielrunde-10
Bewegungstabelle zum Ausdrucken für jeden Spieler:
http://www.boardgamegeek.com/filepage/106852/bewegungstabelle-10