Beitragvon Peter Gustav Bartschat » 18. August 2006, 06:22
hannes schrieb:
> Ist niederdeutsch dasselbe wie plattdeutsch ?
Ja, wobei "niederdeutsch" der sprachkundliche und "plattdeutsch" der umgangssprachliche Begriff ist.
Hier eine ganz, ganz kurze zusammenfassende Erklärung: Im 7. Jahrhundert begann in der deutschen Sprache eine Veränderung, die man als "hochdeutsche Lautverschiebung" bezeichnet: Bestimmte Laute veränderten sich, Vokale wurden gegen andere ausgewechselt. (Das kommt bei Sprachen dauernd vor, die "hochdeutsche Lautverschiebung" ist allerdings die erste, die sich im Deutschen anhand schriftlicher Dokumente nachweisen lässt: Aus früherer Zeit gibt es zu wenig schriftliche Überlieferungen auf deutsch.)
Diese Lautverschiebung wirkte sich unterschiedlich stark aus. Insgesamt kann man Deutschland in drei große Regionen aufteilen, sortiert nach der Stärke, in der sich die Laute in der Sprache geändert haben: Im Süden am stärksten, die Sprache dieser Region nennt man "Oberdeutsch" und in der Mitte schwächer, diese Sprache nennt man "Mitteldeutsch". "Oberdeutsch" und "Mitteldeutsch" werden gemeinsam "Hochdeutsch" genannt.
Im Norden wirkte sich die Lautverschiebung am geringsten aus. Diese Sprache nennt man "Niederdeutsch" oder "Plattdeutsch". Im Norden Deutschlands spricht man also eine Sprache, die der Sprache der Zeit nach der Völkerwanderung noch am stärksten angenähert ist.
Jede dieser deutschen Sprachen besteht ihrerseits wiederum aus mehreren landschaftlich veschiedenen Mundarten, die sich voneinander merklich unterscheiden können. So gehören zum Niederdeutschen unter anderem Schleswigisch und Westfälisch ... und wenn man einen Schleswiger und einen Westfalen in ihren heimatlichen Mundarten reden hört, wird man im ersten Augenblick kaum glauben können, dass die beide vom selben Planeten kommen.
Soviel zur Umgangssprache, also der Art, wie Menschen reden, wenn sie unter sich bzw. unter Freunden sind, und wenn weit und breit kein Deutschlehrer zu sehen ist.
Wenn wir heute sagen, dass jemand "Hochdeutsch" spricht, meinen wir meist, dass er so spricht, wie´s im Duden steht. Das, was im Duden steht, ist aber gar kein "Hochdeutsch", sondern Niedersächsisch und somit eine Mundart, die zum "Niederdeutsch" gehört. Herr Konrad Duden, der im 19. Jahrhundert das "Vollständige Orthographische Wörterbuch der deutschen Sprache" verfasste, das Anfang des 20. Jahrhunderts zur Norm des Schulunterrichts im Kaiserreich wurde, sprach selbst Niedersächsisch. Als er begann, es als seine Lebensaufgabe zu betrachten, die deutsche Sprache zu "vereinheitlichen", ging er natürlich - so ist das nun mal bei Weltverbesserern - davon aus, dass die Welt nur dann besser würde, wenn alle anderen sich genau so verhalten und genau so sprechen würden wie er selbst.
Gut, möchte ich abschließend sagen, dass sich das nicht vollständig durchgesetzt hat, denn sonst wären wir eine Nation aus kleinkarierten, nörgelnden, ihre Mitmenschen bespitzelnden Deutschlehrern geworden - und die paar Exemplare, die einem heute noch am Arbeitsplatz und in Internet-Foren begegnen und ungefragt Rechtschreibung und Wortwahl anderer Leute kritisieren, reichen für meinen persönlichen Geschmack übergenug aus.
Mit einem lieben Gruß
Gustav