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Schmidt darf MäDn-Bretter nicht als "Spiel"-Marke anmelden

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SpieLama
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Schmidt darf MäDn-Bretter nicht als "Spiel"-Marke anmelden

Beitragvon SpieLama » 31. Juli 2015, 08:55

Einfache Frage, komplizierte Antwort: Wie sind Spiele geschützt? Damit die Antwort kompliziert bleibt, brüllen im Gesetzesdschungel Paragraphenreiter Wörter wie Urheberrecht, Markenrecht oder Lizenzrecht durch die Nacht.

Natürlich beschäftigt das Thema nicht nur die Branche (siehe zum Beispiel viewtopic.php?f=22&t=2204, viewtopic.php?f=51&t=358297&hilit=urheberrecht und viewtopic.php?f=49&t=320807&hilit=urheberrecht), sondern zwangsläufig auch immer wieder Gerichte. Schließlich müssen Richter spätestens dann ein Machtwort sprechen, wenn sich zwei Parteien partout nicht einig sind.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) musste genau das tun, denn Schmidt Spiele und das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt haben sich gestritten. Das Harmonisierungsamt ist eine Behörde der europäischen Union, die für die Eintragung von Gemeinschaftsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster zuständig ist. Thema das Streits war die grafische Darstellung von Spielbrettern, in diesem konkreten Fall von zwei schwarz-weißen "Mensch ärgere Dich nicht"-Brettern.

Hintergrund
Schmidt Spiele wollte die Spielbretter als Gemeinschaftsmarken anmelden und zwar für verschiedene Bereich, unter anderem Spiele (Nizza-Klasse 28), Waren aus Pappe und Papier (Nizza-Klasse 16) und Geräte zur digitalen Aufzeichnung (Nizza-Klasse 9). Die zuständigen Prüfer lehnten das ab, worauf Schmidt Spiele sich beim Harmonisierungsamt beschwerte. Das Harmonisierungsamt lehnte die Beschwerden ab, worauf Schmidt Spiele vor Gericht zog – und je nach Sichtweise eine Teilsieg errungen hat, beziehungsweise ein Niederlage erlitt.

Urteil
Die Richter entschieden, dass grafische Darstellungen der zwei Spielbretter nicht als Bildmarken für den Bereich Spiele und damit zusammenhängende Waren und Dienstleistungen eintragungsfähig sind. Für einige weitere der angemeldeten Waren und Dienstleistungen sei die Anmeldung jedoch nochmals zu prüfen.

Aus der Urteilsbegründung:

Das Gericht (Erste Kammer) hat geschrieben:
Das Spiel „Mensch ärgere Dich nicht“ ist besonders verbreitet in Ländern mit deutschsprachiger Bevölkerung (Deutschland, Österreich, Belgien, Luxemburg) sowie in weiteren Ländern Zentraleuropas wie Ungarn, Tschechien, Slowakei und Slowenien. Der durchschnittliche Verbraucher in diesen Ländern wird deshalb die betreffenden Zeichen unschwer als Darstellung der Spielbretter dieses Spiels in seinen Varianten für 6 und für 4 Spieler erkennen, auch wenn sie in Schwarz-Weiß und nicht in ihren üblichen Farben dargestellt sind.

Außerdem handelt es sich bei dem Spiel selbst lediglich um eine Variante der in zahlreichen Ländern beliebten Brettspiele, deren Ziel es ist, die eigenen Figuren nach einer Runde über das Spielfeld, während deren man die Figuren anderer Spieler zurückschicken und selbst zurückgeschickt werden kann, in einen Zielbereich zu bringen. In diesem Zusammenhang ist das Argument der Klägerin [Schmidt Spiele], es gebe keine Zusammenstellung, die typisch für Spielfelder sei, zurückzuweisen. Zwar gibt es Spiele, die ohne Spielbrett gespielt werden, und die betreffenden Zeichen weisen demnach nicht das äußere Erscheinungsbild eines Spiels im Allgemeinen auf, doch sind sie jedenfalls typisch für Spielfelder von Brettspielen der vorbezeichneten Art, die der breiten Öffentlichkeit in der Regel bekannt ist.

Der Durchschnittsverbraucher in der Union wird diese Zeichen daher unmittelbar als Darstellung von Spielfeldern von Brettspielen der oben beschriebenen Art wahrnehmen, auch wenn sie in Schwarz-Weiß dargestellt sind.

Die Beschwerdekammer hat deshalb zu Recht in Rn. 15 der angefochtenen Entscheidungen festgestellt, dass die Anmeldezeichen ausschließlich aus dem äußeren Erscheinungsbild eines Spielbretts bestünden. Diese Feststellung kann durch das Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt werden.

(...) Folglich ändert der von der Klägerin angeführte Umstand, dass das Spiel „Mensch ärgere Dich nicht“ auf einem Spielbrett gespielt werden könne, das eine ganz andere Anordnung als die Anmeldezeichen aufweise, nichts daran, dass die Zeichen für die maßgeblichen Verkehrskreise unmittelbar als Spielbretter erkennbar sind.

(...) Im vorliegenden Fall ist aufgrund der oben in den Rn. 22 bis 26 dargelegten Erwägungen davon auszugehen, dass die Anmeldezeichen jedenfalls nicht unterscheidungskräftig sind, wenn sie „Spiele” oder „Gesellschaftsspiele” der Klasse 28 kennzeichnen. Im Hinblick auf diese Waren werden die maßgeblichen Verkehrskreise die Anmeldezeichen nämlich als sachbezogenen Hinweis auf den Inhalt der gekennzeichneten Waren und nicht als Hinweis auf ihre betriebliche Herkunft verstehen, wie die Beschwerdekammer in Rn. 25 der angefochtenen Entscheidungen ausgeführt hat.

(...) Allerdings ist die Unterscheidungskraft nach der oben in den Rn. 34 und 36 angeführten Rechtsprechung insbesondere im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, zu beurteilen und die Prüfung nach Kategorien nur zulässig, sofern die berücksichtigten Kategorien hinreichend homogen sind. Die Prüfung durch die Beschwerdekammer entsprach diesen Voraussetzungen jedoch nicht.


Das komplette Urteil gibt es unter http://curia.europa.eu/juris/document/d ... rst&part=1.

Wie immer gilt: Das Urteil ist eine Einzelfallentscheidung. Sehr wahrscheinlich kann man Brettspiele durchaus als Marken schützen lassen. Vor allem dann, wenn es sich nicht um Klassiker handelt.

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Re: Schmidt darf MäDn-Bretter nicht als "Spiel"-Marke anmelden

Beitragvon widow_s_cruse » 31. Juli 2015, 09:23

Hallo,

ich habe ja Verständnis dafür, dass der Verlag die aufgebaute Marke "Mensch ärgere Dich nicht" schützen mag.
Wenn ich aber recht verstehe, wird vom Verlag immer wieder versucht, für den nicht eigen entwickelten Mechanismus des Klassikers Pachisi die verwertbaren Rechte zu erlangen - und sind damit zum wiederholten Male gescheitert.
Liebe Grüße
Nils
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SpieLama
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Re: Schmidt darf MäDn-Bretter nicht als "Spiel"-Marke anmelden

Beitragvon SpieLama » 12. Januar 2017, 08:08

Laut onlinehaendler-news.de werden aktuell wieder Abmahnungen der Schmidt Spiele GmbH an Händler versendet, die ungefragt die Marke „Mensch ärgere dich nicht" verwenden. Betroffen seien Händler, die Gesellschaftsspiele vertreiben, die vom Erscheinungsbild und dem Spielablauf dem Original ähneln und damit einen Eingriff in die geschützte Marke darstellen. Mehr Infos dazu unter https://www.onlinehaendler-news.de/rech ... twear.html.

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Re: Schmidt darf MäDn-Bretter nicht als "Spiel"-Marke anmelden

Beitragvon gerdh » 12. Januar 2017, 10:51

zuspieler hat geschrieben:Laut onlinehaendler-news.de werden aktuell wieder Abmahnungen der Schmidt Spiele GmbH an Händler versendet, die ungefragt die Marke „Mensch ärgere dich nicht" verwenden. Betroffen seien Händler, die Gesellschaftsspiele vertreiben, die vom Erscheinungsbild und dem Spielablauf dem Original ähneln und damit einen Eingriff in die geschützte Marke darstellen.



Das kann ich leider bestätigen,
soll 2000 Euro kosten........

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Firkin
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Re: Schmidt darf MäDn-Bretter nicht als "Spiel"-Marke anmelden

Beitragvon Firkin » 12. Januar 2017, 14:34

Das ist übel - da kann man sich ja fast schon überlegen, ob sich der ganze Aufwand mit dem Handel noch lohnt. Das muss ja auch erst mal wieder reinkommen. :(
Aber vielleicht sind sie ja auch so nett und man einigt sich auf eine niedrigere Summe. Oder man hat eine gute Rechtschutzversicherung...

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Re: Schmidt darf MäDn-Bretter nicht als "Spiel"-Marke anmelden

Beitragvon Thygra » 12. Januar 2017, 16:09

Für mich geht aus der Formulierung der Meldung nicht deutlich genug hervor, ob hier lediglich wegen des Spielplanlayouts abgemahnt wurde oder ob evtl. sogar der Name "Mensch ärgere dich nicht" verwendet wurde. Sollte sogar der Name verwendet worden sein, dann MUSS Schmidt nämlich dagegen vorgehen, weil man sonst riskieren würde, seine Marke zu verlieren. (Das passiert nämlich, wenn man von einem Verstoß gegen eine eigene Marke Kenntnis erhält und nicht dagegen vorgeht.)
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Weltherrscher
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Re: Schmidt darf MäDn-Bretter nicht als "Spiel"-Marke anmelden

Beitragvon Weltherrscher » 12. Januar 2017, 16:43

Thygra hat geschrieben:Für mich geht aus der Formulierung der Meldung nicht deutlich genug hervor, ob hier lediglich wegen des Spielplanlayouts abgemahnt wurde oder ob evtl. sogar der Name "Mensch ärgere dich nicht" verwendet wurde. Sollte sogar der Name verwendet worden sein, dann MUSS Schmidt nämlich dagegen vorgehen, weil man sonst riskieren würde, seine Marke zu verlieren. (Das passiert nämlich, wenn man von einem Verstoß gegen eine eigene Marke Kenntnis erhält und nicht dagegen vorgeht.)


https://dejure.org/gesetze/MarkenG/49.html

Eine Löschung folgt nur auf Antrag. Die möglichen Gründe sind im Gesetz genannt. Nicht abmahnen möglicher Markenrechteverletzungen gehören nicht dazu. Die Marke Mensch Ärger dich nicht genau wie die Marke Memory sind aus meiner Sicht sowieso fragwürdig, und eine Löschklage nach dem 2. genannten Grund im Gesetz ist nicht aussichtslos.

Thygra
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Re: Schmidt darf MäDn-Bretter nicht als "Spiel"-Marke anmelden

Beitragvon Thygra » 12. Januar 2017, 17:10

Weltherrscher hat geschrieben:Eine Löschung folgt nur auf Antrag.

Das habe ich nie bestritten.

Die möglichen Gründe sind im Gesetz genannt. Nicht abmahnen möglicher Markenrechteverletzungen gehören nicht dazu.

Ich bin kein Jurist, aber nach meinem Verständnis gibt es bereits entsprechende Rechtssprechungen (Urteile), dass man seine Marke aktiv schützen muss, wenn man von einem Verstoß Kenntnis erhält. Tut man dies (evtl. wiederholt) nicht, vergrößern sich die Chancen, dass ein Antrag auf Löschung der Marke Erfolg hat.

Das sauge ich mir nicht aus den Fingern, sondern das habe ich schon mehrmals von Juristen aus der Spielebranche so gehört. Aber natürlich können die auch irren und du hast Recht. Wie gesagt, ich bin kein Jurist, ich kann hier nur Hörensagen wiedergeben.
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peer
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Re: Schmidt darf MäDn-Bretter nicht als "Spiel"-Marke anmelden

Beitragvon peer » 12. Januar 2017, 17:49

Hier der Gesetzestext:
"Die Eintragung einer Marke wird ferner auf Antrag wegen Verfalls gelöscht,
1. wenn die Marke infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers im geschäftlichen Verkehr zur gebräuchlichen Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, geworden ist;
2. wenn die Marke infolge ihrer Benutzung durch den Inhaber oder mit seiner Zustimmung für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, geeignet ist, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geographische Herkunft dieser Waren oder Dienstleistungen zu täuschen oder
3. wenn der Inhaber der Marke nicht mehr die in § 7 genannten Voraussetzungen erfüllt."

1 ist genau das, was Thygra gesagt hat --> Die Marke wird als allgemeine Bezeichnung verwendet, auch von anderen (z.B. beim Walkman geschehen).

Wie Weltherrscher auf die Idee kommt, dass der Name "Mensch ärgere dich nicht" das Publikum über Beschaffenheit oder Herkunft täuscht ("und eine Löschklage nach dem 2. genannten Grund im Gesetz ist nicht aussichtslos.") hätte ich gerne erläutert...

Was "Memory" betrifft: IIRC ist der Name nur noch in Deutschland geschützt, nicht mehr in der ganzen EU, weil "Memory" ja letztlich ein englischer Begriff ist. In Deutschland eindeutig als Marek zu identifizieren, für den internationalen Gebrauch zu deskriptiv , siehe z.B. : http://www.n-tv.de/panorama/Kein-Marken ... 80458.html


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