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qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

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SpieLama
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qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon SpieLama » 8. Februar 2017, 07:55

Qantara.de ist ein Projekt der Deutschen Welle, an dem auch das Goethe-Institut, das Institut für Auslandsbeziehungen und die Bundeszentrale für politische Bildung beteiligt sind. Das Projekt will zum Dialog mit der islamischen Welt beitragen und wird vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland gefördert. Nun ist auf der Plattform der Artikel "Orientalismus für die ganze deutsche Familie" über das Kennerspiel Istanbul erschienen. Darin stehen unter anderem:

Stefan Buchen hat geschrieben:[...] Wenn wir uns in einer Welt wiederfinden, in der der Orientale zu nichts anderem fähig ist, als "den Handkarren zu erweitern", mit dem er "Gewürze" über den Basar schiebt, dann landen wir unweigerlich bei Edward Said. Genauer: bei der nicht verblassenden Aktualität seiner Kritik an der Art und Weise, wie der Westen sich den Orient vorstellt. "Orientalismus" nannte Said das. Seine gleichnamige Schrift erschien vor fast vierzig Jahren. Das Werk bleibt, trotz all seiner Schwächen, relevant. "Istanbul" ist, sozusagen, Orientalismus für die ganze Familie. Den Spielern nagelt es buchstäblich ein Brett vor den Kopf.

[...] Jedenfalls bleibt zu hoffen, dass es nie zu der Einladung einer syrischen, irakischen, türkischen oder anderen orientalischen Migrantenfamilie auf eine Partie "Istanbul" in ein deutsches Wohn- oder Kinderzimmer kommen wird. Sie könnte bei den Gästen arge Zweifel an der Fähigkeit der Gastgeber zu Kosmopolitismus und Weltbürgertum wecken. [...]

Den kompletten Artikel findet ihr unter https://de.qantara.de/inhalt/ein-bretts ... he-familie. Ich teile die Sicht des Autors nicht und halte viele Aussagen von ihm für fragwürdig. Leider habe ich jedoch gerade keine Zeit weiter auf den Artikel einzugehen, da ich zur Arbeit muss.

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Re: qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon SpieLama » 8. Februar 2017, 08:18

Passend dazu noch der Hinweis auf einen Artikel von oldiebenji. Er schreibt unter https://muwins.ch/2017/01/09/patient-de ... ieleszene/


[...] Vor einiger Zeit hat ein Spiel namens „Istanbul“ in der deutschsprachigen Spieleszene relativ gross eingeschlagen. Eine interessante Stadt, dieses Istanbul. Mit einer einzigartigen, bewegten Geschichte, die so Manches, auch Spielerisches, hergeben würde, wenn man nur wollte. Aber womit verbringt man seine Spielzeit in Istanbul? Richtig! Man handelt Rohstoffe, „simuliert“ einen Markt, der allerdings genau so gut in Venedig, Paris oder meinetwegen auch als Chilbimärit in Gurmels durchgehen könnte, um am Ende Siegpunkte zu zählen.

[...] Und so wird weiterhin „gemainstreamt“ und politisch korrekt weichgespült, was immer den Verlagen an grösseren Spielideen über den Weg läuft. Auf die Sklaven-Debatte aus „Five Tribes“ mag ich hier gar nicht eingehen. Mir graut zutiefst vor einer deutschen Adaptation meines Lieblingsspiels Tragedy Looper: Das Setting würde zweifellos aus unserer neusten Vergangenheit weit zurück ins Mittelalter verlagert, und weil das ja so friedlich war, würden statt Verschwörungen, Morden und Selbstmorden dort die zu verhindernden Tragödien im Stehlen von Schafen, dem Umfärben von Tuch und dem Betrügen beim Milch-Wetttrinken (nicht etwa Bier, von wegen Alkoholismus propagieren und so) bestehen. [...]

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Rei

Re: qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon Rei » 8. Februar 2017, 10:35

Wie sagt man so schön im anderen Forum: Humbug

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Re: qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon Inoshiro » 8. Februar 2017, 11:05

Diese Diskussion wird genauso ablaufen wie bei Mombasa:

"Naja, man könnte sich ja schon mal Gedanken über Diskriminierung in Brettspielen machen. Vor allem weil es in der Regel eben nicht der Durchschnittsdeutsche ist, der in Brettspielen diskriminiert wird."

"Alles nur Political-Correctness-Schwachsinn! Mir gefällt das Spiel und ich finde das nicht diskriminierend."

"In "Werwölfe" werden Menschen ermordet! DAS finde ICH schlimm!"

:rolleyes:

(Ich hoffe der Beitrag ist tendenziös genug geschrieben, um meine Position zum Thema deutlich zu machen.)

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Re: qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon Mitspieler » 8. Februar 2017, 13:30

@Inoshiro: Ich interpretiere Deine Worte dahingehend, dass Du sagen willst: Letztendlich wird bei der Diskussion hier nur herauskommen, dass es verschiedene Blickwinkel zu dem Thema gibt und bis zu einem gewissen Grad jeder dieser Blickwinkel seine Berechtigung hat. Stimmt's? ;)
Da magst Du (bis zu einem gewissen Grad :P ) Recht haben.
Trotzdem mach ich mir mal die Mühe und versuche, meine Ansicht(en) mitzuteilen:



@all:
Nun, zunächst einmal finde ich es durchaus angebracht, dass man sich selber, sein Verhalten und die eigene Denkweise ab und zu etwas reflektiert. Das gilt auch für das Hobby.

Ich könnte das Wort "Spielspaß" beispielsweise nie in Zusammenhang bringen mit Spielen, die das reale (bzw real geschehene) Leid von Menschen bewusst ausnutzen (egal, ob das Humor, Strategie oder Spannung bringen soll, ich find das widerlich und nicht vertretbar). Beispielsweise ein Spiel, das im Dritten Reich spielt und in dem man Juden und Oppositionelle in die Gaskammern schickt - grausig! Oder das tatsächlich existierende Serienmörder-Quartett (gibt es nicht inzwischen auch ein Vergewaltiger-Quartett oder sowas? :( ), selbst wenn das ironisch gemeint sein soll.

Natürlich muss jeder für sich selber überlegen, wo da die Grenze ist; die kann bei jedem vielleicht woanders liegen. Ein sensibler Vegetarier würde vielleicht kein Agricola (mein Lieblingsspiel) spielen wollen, und das müsste man respektieren.


Aber der Artikel von Steffen Buchen ist - meinem Empfinden nach - etwas ganz anderes: Schlichtweg verfehlt!!

In "Istanbul" geht es soweit ich weiß (ich hab das Spiel noch nicht gespielt) um einen kleinen Ausschnitt aus dem mittelalterlichen Basaralltag, und zwar nicht herabwürdigend. Zumal dabei ja facettenreich verschiedene Themen angeschnitten werden und es nicht nur ums Feilschen geht!
Da wird kein Orientale an sich irgendwie geringschätzig dargestellt, oder?
Sondern - wie ja Buchen selber anmerkt - das Spiel könnte so ähnlich auch auf einem mittelalterlichen Markt in Rom oder Trier spielen (nur dass der Istanbuler Basar berühmt und viel größer war (und immer noch ist) - und damit thematisch und spielmechanisch schichtweg noch mehr Potential und Atmosphäre bot als ein Mittelaltermarkt in Deutschland). Im übrigen sind auch ein Großteil derjenigen "thematischen" Eurogames, die in Mitteleuropa spielen, Handelsspiele! Man denke nur an "Die Händler von..[XY]"!

Herr Buchen hat vermutlich einfach keine Ahnung von Spielen. Zumal bei den meisten thematischen Spielen nur ein Ausschnitt aus dem Thema verwendet wird - bei "Agricola" (besonders vereinfacht dargestellt bei dessen kleinem Bruder A-dBudlV) ist es ein spätmittelalterlicher Bauernhof, bei "Istanbul" das mittelalterliche Basarviertel.
Aber damit wird kein "Orientale" diskriminiert oder auf "die können nix als Feilschen" reduziert.
Ich sehe keinerlei Grund, dies Spiel nicht mit Migranten zu spielen, eher im Gegenteil.
Oder darf man mit ihnen auch kein "Agricola-die Bauern und das liebe Vieh" spielen, damit sie nicht denken, die Deutschen seien also ausschließlich einfache Bauern und nie Dichter und Denker gewesen?? Was für ein Unsinn.

Und zur Klarstellung: Ich finde es extrem wichtig, Migranten auf Augenhöhe, mit Respekt und Wertschätzung zu begegnen und auch ihre Vergangenheit zu berücksichtigen- sowohl ihre kulturelle Herkunft und Hemmschwellen, als auch ihre möglichen Traumata durch Krieg, Verfolgung, Ablehnung und lange Flucht. Da kann es durchaus Spiele geben, die man zu ihrem Schutz erstmal nicht mit ihnen spielen sollte. Das ist meine Meinung.
Aber falls auch Herr Buchen dies vermitteln wollte, hat er es leider verpatzt.
Er hätte behutsam oder mithilfe von Beispielen darauf hinweisen können, dass möglicherweise ein Spiel ungeeignet für frisch angekommene Flüchtlinge sein könnte, in dem beispielsweise der Spieler "im Dungeon eingesperrt" ist, oder in dem man realitätsnah Städte zerstört und sich gegenseitig abschlachtet, oder in dem der Spieler (bzw die Spielerin, eine Migrantin) einen engen oder freizügigen Körperkontakt mit dem anderen Geschlecht haben müsste.
Ja, einen derartigen Artikel hätte Herr Buchen verfassen können. Das wäre vielleicht hilfreich gewesen, damit der Deutsche sensibilisiert wird für die möglichen, individuellen Empfindungen der einzelnen Migranten.

Dagegen finde ich es schlecht recherchiert, ungerecht und geradezu "billig", ein Spiel wie Istanbul herzunehmen für den Vorwurf "typisch, der Deutsche denkt Orient = Basar", und dann gegen die vermeintlich "dümmliche, spießige Spielerkultur" zu hetzen.
Das zeigt doch, dass Herr Buchen die Brettspiele(r)szene total verkennt, die oftmals sogar sehr gebildet, kritisch und nachdenklich ist.
Zuletzt geändert von Mitspieler am 8. Februar 2017, 14:11, insgesamt 3-mal geändert.
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Weltherrscher
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Re: qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon Weltherrscher » 8. Februar 2017, 14:05

"Ein wahres Schreckensszenario entfaltete sich neulich in der Phantasie des Autors dieser Zeilen, als er mit dem Brettspiel "Istanbul" konfrontiert wurde. Wie wird es sich auf die Integration auswirken, wenn eine syrische Flüchtlingsfamilie von ihren neuen deutschen Nachbarn zu einer Partie "Istanbul" eingeladen wird? So die bange Frage.
Schließlich werden die Einheimischen ihren Gästen erklären müssen, dass sie fleißig die "Kleine" und die "Große Moschee" besuchen sollen, um sich dort "Moscheeplättchen" zu besorgen. Die steigern nämlich Glück und Gewinn bei den Geschäften auf dem Basar. Vor allem beim Betreten des "Schwarzmarkts" seien die "Moscheeplättchen" nützlich. Ebenso sei es von Vorteil, die "Familienmitglieder" der Gegner "einzufangen" und "der Polizei auszuliefern". Dafür locken attraktive Belohnungen."

Wenn das im Spiel so wie beschrieben abgebildet wird, dann finde ich das schon fragwürdig. Da kann man durchaus mit gewissen Irritationen beim Gegenüber aus dem thematisierten Kulturkreis rechnen.

Da hätte man das Spiel dann doch lieber im europäischen Mittelalter angesiedelt, da weiß man was man hat.

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Re: qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon peer » 8. Februar 2017, 17:36

Ich empfehle die Istanbul-Rezension von Shut Up and Sit Down. Ungefähr in der Mitte (11:30) , haben sie zu dem Thema einen Ethnologen gefragt (spezialist für Orientalistik IIRC, außerdem Netrunner-Spieler). Der gibt einen schönen Überblick darüber, was "Orientalismus" wirklich bedeutet und wie er Istanbul einschätzt. Das ist wirklich fachlich fundiert.
Hier der Link:
https://www.shutupandsitdown.com/videos ... -istanbul/

In meinen Augen ist Istanbul gerade ein positives Beispiel, denn hier werden eben nicht die Klischees betont, wie z.B. bei Waka Tanka (gut, jetzt kein Orient-spiel) oder Five Tribes, sondern weitgehend ein normales Leben in einer normalen Stadt dargestellt.

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Weltherrscher
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Re: qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon Weltherrscher » 8. Februar 2017, 19:04

peer hat geschrieben:Ich empfehle die Istanbul-Rezension von Shut Up and Sit Down. Ungefähr in der Mitte (11:30) , haben sie zu dem Thema einen Ethnologen gefragt (spezialist für Orientalistik IIRC, außerdem Netrunner-Spieler). Der gibt einen schönen Überblick darüber, was "Orientalismus" wirklich bedeutet und wie er Istanbul einschätzt. Das ist wirklich fachlich fundiert.
Hier der Link:
https://www.shutupandsitdown.com/videos/review-is/

In meinen Augen ist Istanbul gerade ein positives Beispiel, denn hier werden eben nicht die Klischees betont, wie z.B. bei Waka Tanka (gut, jetzt kein Orient-spiel) oder Five Tribes, sondern weitgehend ein normales Leben in einer normalen Stadt dargestellt.


Im Video wird die Darstellung des Auslieferns von konkurrierenden Händlern als negativ bewertet. Es muss einem auch klar sein,das die Abläufe im Spiel durchaus im Widerspruch zu der 2. und 3. Säule des Islams stehen, was einem Gläubigen sicher auffallen wird. Das Spiel spielt wohl Ende des 19. Jahrhunderts,da die Lira schon eingeführt ist, das ist schon deutlich näher an der Gegenwart als ein Spiel im Mittelalter.

Sicher steckt hinter all dem keine böse Absicht, aber Gedanken darüber hat sich auch keiner gemacht, wie das Spiel bei Menschen des thematisierten Kulturkreises ankommen könnte.

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Ernst-Jürgen Ridder
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Re: qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon Ernst-Jürgen Ridder » 8. Februar 2017, 19:11

Ich habe dazu auf quantara.de einen Kommentar geschrieben, mal sehen, ob der veröffentlicht wird.

Abgesehen von der unmittelbaren Stellungnahme zum Artikel habe ich auch davon berichtet, dass bei uns kürzlich ein syrischer Flüchtling zum Spielen zu Gast war. Gespielt haben wir allerdings nicht Istanbul, sondern Stone Age. Auch Stone Age hat insbesondere moralisch angreifbare Elemente, wenn man da empfindsam ist.
Spielerische Grüße
Ernst-Jürgen

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Winston
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Re: qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon Winston » 9. Februar 2017, 09:31

peer hat geschrieben:Ich empfehle die Istanbul-Rezension von Shut Up and Sit Down. Ungefähr in der Mitte (11:30) , haben sie zu dem Thema einen Ethnologen gefragt (spezialist für Orientalistik IIRC, außerdem Netrunner-Spieler). Der gibt einen schönen Überblick darüber, was "Orientalismus" wirklich bedeutet und wie er Istanbul einschätzt. Das ist wirklich fachlich fundiert.
Hier der Link:
https://www.shutupandsitdown.com/videos ... -istanbul/

In meinen Augen ist Istanbul gerade ein positives Beispiel, denn hier werden eben nicht die Klischees betont, wie z.B. bei Waka Tanka (gut, jetzt kein Orient-spiel) oder Five Tribes, sondern weitgehend ein normales Leben in einer normalen Stadt dargestellt.


Seh ich genauso...Ich hab mich auch schon auf FB in einer Gruppe dazu geäußert, dass es so viele Bereiche in Spielen gibt über die man sich aufregen kann, wenn man will aber bei Istanbul erfindet man einfach irgendwas.

Das einzige was man am Istanbul Thema wirklich aussetzen kann, haben sie auch beim SU & SD Video gesagt. Es ist keine einzige Frau illustriert (Kinder auch nicht, wenn ich mich nicht verschaut hab). Das soll jetzt kein Aufruf zur "Frauenquote" oder ähnlichem sein. Ich finds nur seltsam das Marktleben in einer Stadt darzustellen und keine Frauen und Kinder dabei zu haben ... rein logisch und so ... Das Spiel ist trotzdem super.

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Inoshiro
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Re: qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon Inoshiro » 9. Februar 2017, 10:13

Mitspieler hat geschrieben:@Inoshiro: Ich interpretiere Deine Worte dahingehend, dass Du sagen willst: Letztendlich wird bei der Diskussion hier nur herauskommen, dass es verschiedene Blickwinkel zu dem Thema gibt und bis zu einem gewissen Grad jeder dieser Blickwinkel seine Berechtigung hat. Stimmt's? ;)


Nein, das ist tatsächlich nicht meine Meinung. Ein großes Problem habe ich damit, wenn Kritik - meistens von einer sehr privilegierten Position aus - einfach abgewiegelt wird, weil man sich den Spaß am Spielen nicht verderben lassen will und alle anderen "sich mal nicht so anstellen" sollen.
Ich bin eher der Ansicht, dass es erstmal sinnvoll ist, sich mit Kritik auseinanderzusetzen und sich auch Mühe zu geben, die Kritik nachzuvollziehen (Wie es übrigens auch in dieser Diskussion bisher geschehen ist und ich freue mich, dass ich mit meiner ursprünglichen Einschätzung falsch lag).

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Re: qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon Mitspieler » 9. Februar 2017, 12:41

Inoshiro hat geschrieben:Nein, das ist tatsächlich nicht meine Meinung. [..]
Ich bin eher der Ansicht, dass es erstmal sinnvoll ist, sich mit Kritik auseinanderzusetzen und sich auch Mühe zu geben, die Kritik nachzuvollziehen (Wie es übrigens auch in dieser Diskussion bisher geschehen ist und ich freue mich, dass ich mit meiner ursprünglichen Einschätzung falsch lag).

Oh, das ist schön zu lesen. Jetzt freue ich mich, "dass ich mit meiner ursprünglichen Einschätzung falsch lag". :shy:
Denn ich hatte Dein erstes Posting eher gegenteilig verstanden, als wolltest Du sagen "Achnee Leute, nicht schon wieder so eine sinnlose Diskussion, man weiß doch eh, was dabei rauskommt.."
Zum Glück hab ich dann dennoch meine (wie ich hoffe differenzierten) Gedanken zum Thema geschrieben, obwohl ich dachte, ich würde damit nerven..
Mitspieler hat geschrieben:Trotzdem mach ich mir mal die Mühe und versuche, meine Ansicht(en) mitzuteilen:
[...]

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Re: qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon peer » 9. Februar 2017, 15:07

Weltherrscher hat geschrieben:
peer hat geschrieben:Ich empfehle die Istanbul-Rezension von Shut Up and Sit Down. Ungefähr in der Mitte (11:30) , haben sie zu dem Thema einen Ethnologen gefragt (spezialist für Orientalistik IIRC, außerdem Netrunner-Spieler). Der gibt einen schönen Überblick darüber, was "Orientalismus" wirklich bedeutet und wie er Istanbul einschätzt. Das ist wirklich fachlich fundiert.
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In meinen Augen ist Istanbul gerade ein positives Beispiel, denn hier werden eben nicht die Klischees betont, wie z.B. bei Waka Tanka (gut, jetzt kein Orient-spiel) oder Five Tribes, sondern weitgehend ein normales Leben in einer normalen Stadt dargestellt.


Im Video wird die Darstellung des Auslieferns von konkurrierenden Händlern als negativ bewertet. Es muss einem auch klar sein,das die Abläufe im Spiel durchaus im Widerspruch zu der 2. und 3. Säule des Islams stehen, was einem Gläubigen sicher auffallen wird. Das Spiel spielt wohl Ende des 19. Jahrhunderts,da die Lira schon eingeführt ist, das ist schon deutlich näher an der Gegenwart als ein Spiel im Mittelalter.

Sicher steckt hinter all dem keine böse Absicht, aber Gedanken darüber hat sich auch keiner gemacht, wie das Spiel bei Menschen des thematisierten Kulturkreises ankommen könnte.


Eigentlich wird nur der Kebabshop als kritisch bewertet. Die Geschichte mit den Verwandten im Gefängnis könnte man eventuell kritisch sehen, aber -so zumindest die Einschätzung des Sozialogen - nicht wirklich.
Warum die Abläufe im Spiel im Wiederspruch zum regelmäßigem Gebet und dem Spenden an die Armen steht, erschließt sich mir nicht - nur weil es keinen "Betzwang" gibt? Es gibt ja auch keine Zeiteinheit im Spiel - wie lange ist denn der Zeitraum, der durch eine Partie abgedeckt wird?

Es gibt eine Menge Spiele, die bei Leuten des entsrpechenden Kulturkreises merkwürdig ankommen könnten - aber gerade bei Istanbul werden ja nun normale Handlungen normaler Leute abgebildet.

Thygra
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Re: qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon Thygra » 9. Februar 2017, 17:13

Die Dönerbude ist ja gar nicht drin im Spiel. Das ist nur ein Promo-Goodie, das man mit einem großen Augenzwinkern betrachten sollte. Dass man Dönerbuden in Istanbul nicht findet (oder vielleicht heutzutage in kleiner Anzahl nur für Touristen?), ist durchaus bekannt - sagt zumindest mein Halbwissen ...
André Zottmann (geb. Bronswijk)
Thygra Spiele
(u. a. für Pegasus Spiele tätig)

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Re: qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon peer » 9. Februar 2017, 17:25

Thygra hat geschrieben:Die Dönerbude ist ja gar nicht drin im Spiel. Das ist nur ein Promo-Goodie, das man mit einem großen Augenzwinkern betrachten sollte. Dass man Dönerbuden in Istanbul nicht findet (oder vielleicht heutzutage in kleiner Anzahl nur für Touristen?), ist durchaus bekannt - sagt zumindest mein Halbwissen ...


Ja, das wird im Video auch gesagt. Insbesondere auch, dass er "modern" wirkt. Das Problem ist eher, dass man im Zweifelsfall nicht sicher sein kann, obs Humorvoll gemeint ist - Humor funktioniert schon nicht immer in geschriebener Form und als Goodie ists eben noch abstrakter. Man kann es eben auch (ohne blöse Absicht) so wahrnehmen, als reduzierte man die orientalische Küche auf Döner, auch wenn es so nicht gemeint ist.

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Re: qantara.de: Orientalismus für die ganze deutsche Familie

Beitragvon Mitspieler » 10. Februar 2017, 02:11

Mal unabhängig davon, dass die Dönerbude ziemlich eindeutig als augenzwinkernde Anspielung auf unsere westliche Sichtweise gedacht ist und somit den "Orientalismus" eher aufs Korn nimmt, als ihn selber zu verkörpern,
frage ich mich:

Ist es nicht eine Form von "Orientalismus", wenn Leute wie Herr Buchen alle Orientalen über einen Kamm scheren und glauben, dass ein syrischer oder irakischer Migrant sich mit einem Istanbuler Türken (evtl sogar noch in einer Dönerbude) identifizieren würde..?
Viel mehr als ein mittelalterliches Basarspiel könnte einen Migranten nämlich verletzen, wenn er von einem oberlehrerhaft-gönnerhaften Herrn Buchen mit einem Volk (bzw einer Nation bzw Ethnie) "in einen Topf geworfen wird", mit dem der Migrant selber und/oder sein Volk schmerzhafte Erfahrungen gemacht hat.
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