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Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

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JonTheDon
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Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon JonTheDon » 11. Oktober 2012, 13:19

Hi,

ohne aktuellen Anlass interessiert mich, wie ihr das so seht: In halbkooperativen Spielen, in denen im Fall des Sieges (gegen das Spiel) ein Gewinner gekürt wird - haltet ihr es für legitim, als Abgeschlagener auf Niederlage gegen das "System" zu spielen?

Effekt wäre ja: Gemeinsamer letzter (und damit wieder erster?) Platz statt z.B. vierter von fünf.

Habt ihr dazu eine Meinung oder schon mal was in der Richtung erlebt?

Gespannte Grüße

Jon

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LemuelG
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Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon LemuelG » 11. Oktober 2012, 14:04

Das ist für mich rationales Handeln und damit charakteristisches Problem so konzipierter Spiele.

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Axel Bungart

Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon Axel Bungart » 11. Oktober 2012, 14:39

Hab ich das richtig verstanden? Wenn Du merkst, man kann das Spiel nicht zusammen gewinnen, willst Du lieber dazu beitragen, dass es verloren geht, damit nicht einer besser abschneidet als Du???

Gruß
Axel

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Fluxx
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Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon Fluxx » 11. Oktober 2012, 14:57

Finde die Spielweie auch völlig OK. Ich denke das muss man beim deignen solcher Spiele einplanen. Da das aber selten gut gelingt, bin ich bei kooperativen Spielen, wo einzelne Spieler frühzeitig ausgeschlosen werden können, aber eher skeptisch.

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Attila
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Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon Attila » 11. Oktober 2012, 15:28

LemuelG schrieb:

> Das ist für mich rationales Handeln und damit
> charakteristisches Problem so konzipierter Spiele.

Ist das so? - Verhälst du die im echten Leben auch so?

"Lieber sterben wir gemeinsam, als das jemand anderes ausser mir überlebt!"

Das ist faszinierend. Es zählen virtuelle Siedepunkte und virtuelles Geld mehr als virtuelles Überleben. Das ist ein *höchst* interessantes Phänomen.

Atti

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Attila
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Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon Attila » 11. Oktober 2012, 15:34

Hi,

Ja, quasi ein "Amoklauf im Spiel".

Atti

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Volker L.

Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon Volker L. » 11. Oktober 2012, 15:46

Ich fände so ein Verhalten absolut nicht in Ordnung.

JonTheDon schrieb:
>
> Effekt wäre ja: Gemeinsamer letzter (und damit wieder
> erster?) Platz statt z.B. vierter von fünf.

Er wäre nicht (gemeinsamer) erster, weil ja das Spiel
gewonnen hat, er wäre nichtmal gemeinsamer zweiter,
weil bei Sieg des Spiels per Definition alle Spieler
verloren haben - insofern sehe ich das vorsätzliche
auf Niederlage aller spielen als reine Gehässigkeit
an und als Zeichen eines schlechten Verlierers.

Wobei ich die Schuld zu gleichen Teilen dem Charakter
des Spielers und dem Designfehler des Spiels anlasten
würde.

Anders sieht es aus, wenn beispielsweise die Spieler
ihre Ressourcen aufteilen müssen zwischen dem, was sie
für ihr eigenes Fortkommen tun, und dem, was sie in
das gemeinsame Ziel investieren. Wenn der abgeschlagene
nur noch für sich spielt und nichts mehr für das
Gemeinwohl, so dass die anderen mehr machen müssen (was
dann eventuell dem letzten doch noch Chancen eröffnet,
aufzuholen), würde ich das noch als legitime Strategie
ansehen.

Gruß, Volker

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Volker L.

Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon Volker L. » 11. Oktober 2012, 15:47

Attila schrieb:
>
> Ja, quasi ein "Amoklauf im Spiel".

Schöne Formulierung :-)

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Volker L.

Nachtrag

Beitragvon Volker L. » 11. Oktober 2012, 15:50

Volker L. schrieb:
>
> Anders sieht es aus, wenn beispielsweise die Spieler
> ihre Ressourcen aufteilen müssen zwischen dem, was sie
> für ihr eigenes Fortkommen tun, und dem, was sie in
> das gemeinsame Ziel investieren. Wenn der abgeschlagene
> nur noch für sich spielt und nichts mehr für das
> Gemeinwohl, so dass die anderen mehr machen müssen (was
> dann eventuell dem letzten doch noch Chancen eröffnet,
> aufzuholen), würde ich das noch als legitime Strategie
> ansehen.

Einen Satz vergessen:
Nichts mehr in das gemeinsame Ziel zu investieren wäre
noch OK, gegen das gemeinsame Ziel zu spielen nicht mehr.

Gruß, Volker

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Axel Bungart

Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon Axel Bungart » 11. Oktober 2012, 15:52

Ich finde, da muss man schon sehr Ich-bezogen sein, um so zu denken. Vielleicht sollte man sich dann lieber nicht-kooperativen Spielen widmen.

Gruß
Axel

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JonTheDon
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Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon JonTheDon » 11. Oktober 2012, 16:21

Hi,

ich kam darauf durch die Archipelago-Regel (wobei ich nicht mal sicher bin, dass es da auch wirklich ganz genauso ist).

Ich selbst würde nicht so spielen wollen, aber ich frage mich, wie ich mich fühle, wenn das Spiel es zulässt, dass so etwas passiert...

Selbst wenn keiner so spielt, finde ich ein solches Design ärgerlich.

Ähnliches gab es damals - wenn ich mich recht erinnere - bei Imperial: Gute Siegstrategie schien, nur zu investieren und nie ein Land zu übernehmen, da man so häufiger als andere investieren konnte. Auch wenn ich so nicht gespielt habe, hat mir die reine theoretische Möglichkeit das Spiel ein wenig verleidet...

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PunTheHun
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Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon PunTheHun » 11. Oktober 2012, 16:31

Attila schrieb:
>...Es zählen virtuelle Siedepunkte...
Dachte ich mir doch, dass diese Diskussion schnell an den virtuellen Siedpunkt kommt :-D

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Fluxx
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Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon Fluxx » 11. Oktober 2012, 17:18

Attila schrieb:
>
> LemuelG schrieb:
>
> > Das ist für mich rationales Handeln und damit
> > charakteristisches Problem so konzipierter Spiele.
>
> Ist das so? - Verhälst du die im echten Leben auch so?
>
> "Lieber sterben wir gemeinsam, als das jemand anderes ausser
> mir überlebt!"


Der Vergleich hinkt aber ziemlich. Wenn ich im echten Leben mit guten Freunden gemeinsam in irgendwelche Geschäfte investiere, würde ich so handeln, dass wir beide in Summe möglichst viel Gewinn machen. Bei einem Wirtschaftspiel, würde ich sofort 5$ weniger in auf nehmen, wenn mein Gegner dafür 10$ weniger verdient. (Vorausgesetzt, wir spielen nur zu zweit oder alle anderen Spieler sind soweit vor/hinter uns, dass das eh irrelevant ist.)
Im echten Leben bin ich absolut friedliebend - bei King of Tokyo kann ich nicht genug Tatzn würfeln und hetze regelmäßig die Mitspieler auf doch fester auf den Typen in der Mitte einzuprügeln - macht mich das zu einem schlechten Menschen?

Spiele sind nun mal künstliche Situationen, die meist eine sehr wettbewerbsorientierte Umgebung schaffen, da ist es auch normal, wenn ich mich (innerhalb der Regeln) wettbewerbsorientiert verhalte. Dazu gehört auch, dass ich anderen den Sieg missgönne, selbst wenn ich keine Chance mehr darauf habe.
Das heißt nicht, das in einem normalen (= nichtkooperativen) Spiel ich nur noch Amok spiele, nur weil ich keine Chance mehr habe, sondern ich versuche halt mein Ergbni zu maximieren - und wenn das der geteilte letzte Platz ist, dann ist das halt mein Ziel.

Wenn der Designer es anders möchte, kann er das Spiel ja auch anders gestalten. Z.B. bei Jäger der Nacht gewinnen alle Werwölfe, sobald alle Vampire tot sind - auch die Werwölfe, die selbst schon tot snd. In einem solchen Spiel opfere ich mich auch gerne für mein Team, wenn es als die beste Tatik erscheint. Das wird dann aber auch vom Spiel unterstützt. Wenn ein Spiel solche Mechanismen nicht hat, dann ist mein Spelziel nun mal ein anderes. Das kan auch durchaus dem Spielvorher eine andere Dynamik geben: Wenn ich diesenZug mache, dann bringt uns das am meiste vorwärts, dann ist aber Hans völlig vom Sieg ausgeschlossen und wird dann gegen uns spielen. Also mache ich lieber diesen anderen Zug, der ist zwar erst mal schwächer hält aber Hans auf unserer Seite, was uns langfristig bessere Chancen gewährt.
Wenn in einem kooperativen Spiel ein Spieler vom Sieg ausgeschlossen ist und anfängt gegen die Gruppe zu spielen it das mMn entweder ein vom Spielautor gewünschter Effekt oder ein schlechtes Spiel von ALLEN Spielern vor dem Ausscheiden.

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Fluxx
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Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon Fluxx » 11. Oktober 2012, 17:25

JonTheDon schrieb:
> Ähnliches gab es damals - wenn ich mich recht erinnere - bei
> Imperial: Gute Siegstrategie schien, nur zu investieren und
> nie ein Land zu übernehmen, da man so häufiger als andere
> investieren konnte. Auch wenn ich so nicht gespielt habe, hat
> mir die reine theoretische Möglichkeit das Spiel ein wenig
> verleidet...

Das dir das Design nicht gefällt sei dir belassen, aber wenn ein Spieler sich so verhält, ihm das anzukreiden, fände ich falsch. Es hat ja jeder Spieler zu Beginn mindestens ein Land. Das heißt um so zu spielen, muss mir jemand Anderes 'mein Land' abgenommen haben. Wenn ich aber durch die Spielweise der Mitpieler in eine schlechte Lage versetzt werde, darf sich dann keiner beschweren, wenn ich mich dieser Lage anpasse und entsprechend spiele.

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Fluxx
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Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon Fluxx » 11. Oktober 2012, 17:30

Axel Bungart schrieb:
> Ich finde, da muss man schon sehr Ich-bezogen sein, um so zu
> denken. Vielleicht sollte man sich dann lieber
> nicht-kooperativen Spielen widmen.

Hängt davon ab, wie es zu der Situation kam, dass ich keine Chance mehr habe. War es komplett meine Schuld? Dann hast du evtl Recht. War es absoluter Zufall? Dann ist das Spiel sch... das jemand rein zufällig rausschmeißt. Ist es ein Ergebnis von meiner Spielweise UND der der Mitspieler? Dann sind die Mitspieler auch Schuld an der Situation und sie haben offensichtlich sehr Ich-bezogen agiert, sonst hätten sie ihre Handlungen so angepasst, dass ich nicht in diese Lage gekommen wäre bzw. hätten mich gewarnt, was meine Handlungen für Folgen haben. Habe ich mich heldenhaft für die Gruppe geopfert? Dann ist es natürlich Schwachsinn mich erst zu opfern um den Sieg zu ermöglichen und dann dagegen zu spielen.

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peer

Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon peer » 11. Oktober 2012, 18:16

Hi,
vor Jahren habe ich einmal eine ähnliche Umfrage hier gestartet (finde sie aber nicht mehr). IIRC waren die Meinungen damals absolut geteilt: Die eine Hälfte würde destruktiv spielen, die andere Hälfte "im Sinne des Themas" zumindest gegen den Untergang.

Rein designtechnisch ist das natürlich immer eine schwierige Entscheidung. Thematisch passt es manchmal eben sehr gut und manchmal sind alle Alternativlösungen wenig elegant. Oft kann man das Problem in der Designphase umgehen, wenn man verdeckte Siegpunkte o.ä, hat und daher die echte Position etwas verschleiert.

Und noch eine Anmerkung: Supremacy hatte damals genau das problem: Spielt die Spielrunde nach dem Motto "Wenn ich nicht gewinnen kann, dann keiner" endet das Spiel immer mit der Niederlage aller im Atomkrieg. Ist die Runde dagegen eher thematisch eingestellt, ist die Endphase recht spannend und interessant. (Wobei ich jetzt keine Wertung der Runde abgegeben haben wollte)

ciao
peer

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Grzegorz Kobiela
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Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon Grzegorz Kobiela » 11. Oktober 2012, 20:03

Volker L. schrieb:
>
> Ich fände so ein Verhalten absolut nicht in Ordnung.
>
> insofern sehe ich das vorsätzliche
> auf Niederlage aller spielen als reine Gehässigkeit
> an und als Zeichen eines schlechten Verlierers.

Volle Zustimmung. Ich kann diese Ego-Mentalität "Hauptsache dem anderen nichts gönnen" absolut nicht nachvollziehen. Das ist asozial.

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docholz
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Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon docholz » 11. Oktober 2012, 20:07

Die Handlunsweise ist völlig in Ordnung, wenn es im Spielprinzip so möglich ist. immerhin "Spielen" wir ja und persönliche Animositäten spielen oft eine Rolle auch in Spielkreisen, die sich gut verstehen.
Kein Problem damit.
Nice Dice
Georg

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helenekr
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Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon helenekr » 12. Oktober 2012, 11:01

Hi,

ich habe z.B. Terra ca 25 mal in verschiedensten Zusammenstellungen gespielt (Spieler, Nichtspieler, mit mir, ohne mir (mich) und noch nie hat irgendwer dieses Spiel gewonnen, sondern immer ist die Rettung der Welt an den Egoismen einzelner gescheitert.

Was wollte ich eigentlich sagen?
ich würde würde/habe im Spiel tatsächlich schon die Niederlage aller in Kauf genommen um gewinnen zu können.

im "echten" Leben sieht das ganz anders aus - dies kann man nicht vergleichen

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TomTom-spielbox
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Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon TomTom-spielbox » 12. Oktober 2012, 13:24

Wobei man da ja zwei Abstufungen unterscheiden sollte:

1. Ich denke, ich bin am Verlieren und setze mich nicht mehr für die Kolonie ein; d.h. ich gebe keine persönlichen Ressourcen dafür her, um zu Verhindern, dass wir Alle gemeinsam am Spiel scheitern.

2. Ich denke, ich bin am Verlieren, und spiele aktiv darauf hin, das Alle am Spiel scheitern.

Nun gibt es dazwischen viele Grauzonen: Zum Beispiel kann ich schon von Anfang an spielen, ohne dass ich etwas für den Erhalt der Kolonie tue. Ich drehe selbstgerecht den Spieß um, und sage mir, dass die anderen sich bitte darum kümmern sollen, dass die Kolonie überlebt. Das gibt mir durchaus einen Vorteil, da ich selbst an Ressourcen spare.

Zum Allgemeinen Verhalten des Menschen sei gesagt: Es gab eine Studie, ein Experiment, bei dem zwei (fremden) Menschen Geld angeboten wurde. Und zwar 100 Euro geschenkt, die die beiden miteinander teilen sollten. Der erste der Beiden bestimmt, wie das Geld geteilt wird - also 60:40, 50:50, oder auch 90:10. Der Andere kann nun annehmen oder ablehnen: Stimmt er zu, dann wird das Geld geschenkt; Lehnt er ab, dann bekommt keiner Geld.

Dabei hat sich gezeigt, dass die meisten abgelehnt haben, wenn sie weniger als der Entscheider bekommen hätten - was vollkommen irrational ist, denn anstatt einen Gewinn zu machen zerstört der Mensch also lieber seinen Gewinn - weil ein Anderer MEHR bekommen hätte. Spannend und Erschreckend zugleich.
Und findet hier ja durchaus auch Anwendung: Anstatt Letzter oder Vorletzter zu werden, reisse ich lieber Alle mit in den Abgrund... ^^

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Warbear

Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon Warbear » 12. Oktober 2012, 14:20

JonTheDon schrieb:
>
> ohne aktuellen Anlass interessiert mich, wie ihr das so seht:
> In halbkooperativen Spielen, in denen im Fall des Sieges
> (gegen das Spiel) ein Gewinner gekürt wird - haltet ihr es
> für legitim, als Abgeschlagener auf Niederlage gegen das
> "System" zu spielen?

Ich halte es für legitim, würde aber selbst nicht so spielen und würde mit Mitspielern, die sich so verhalten, auch nicht weiter spielen wollen.

> Effekt wäre ja: Gemeinsamer letzter (und damit wieder
> erster?) Platz statt z.B. vierter von fünf.

Stimmt, ist für mich aber nicht relevant, da es mir primär nicht darauf ankommt zu gewinnen, sondern in einem guten Spiel mitzuspielen. Ich weiß allerdings, daß das wohl eine ziemliche Minderheiten-Meinung ist ...

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Weltherrscher
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Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon Weltherrscher » 12. Oktober 2012, 14:25

TomTom schrieb:
>

> Zum Allgemeinen Verhalten des Menschen sei gesagt: Es gab
> eine Studie, ein Experiment, bei dem zwei (fremden) Menschen
> Geld angeboten wurde. Und zwar 100 Euro geschenkt, die die
> beiden miteinander teilen sollten. Der erste der Beiden
> bestimmt, wie das Geld geteilt wird - also 60:40, 50:50, oder
> auch 90:10. Der Andere kann nun annehmen oder ablehnen:
> Stimmt er zu, dann wird das Geld geschenkt; Lehnt er ab, dann
> bekommt keiner Geld.
>
> Dabei hat sich gezeigt, dass die meisten abgelehnt haben,
> wenn sie weniger als der Entscheider bekommen hätten - was
> vollkommen irrational ist, denn anstatt einen Gewinn zu
> machen zerstört der Mensch also lieber seinen Gewinn - weil
> ein Anderer MEHR bekommen hätte. Spannend und Erschreckend
> zugleich.
> Und findet hier ja durchaus auch Anwendung: Anstatt Letzter
> oder Vorletzter zu werden, reisse ich lieber Alle mit in den
> Abgrund... ^^


Hier gibt es einen deutlichen Unterschied, wenn der andere mir weniger zuteilt, dann werde ich unfair behandelt. Und dann entscheide ich eben, das lieber keiner was bekommt, als ich weniger als fair wäre. Rationalität hier auf den monetären Gewinn zu beschränken ist aus meiner Sicht zu kurz gedacht.

Das ist ein anderes Verhalten, als alle mit in den Abgrund zu reißen,weil ich nicht gewinnen kann.

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Attila
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Beiträge: 4715

Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon Attila » 12. Oktober 2012, 14:35

helenekr schrieb:

> ich habe z.B. Terra ca 25 mal in verschiedensten
> Zusammenstellungen gespielt (Spieler, Nichtspieler, mit mir,
> ohne mir (mich) und noch nie hat irgendwer dieses Spiel
> gewonnen, sondern immer ist die Rettung der Welt an den
> Egoismen einzelner gescheitert.


... und so wird es auch im realen Spiel "Terra" passieren ... zumidnest deutet da aktuell alles drauf hin.


> im "echten" Leben sieht das ganz anders aus - dies kann man
> nicht vergleichen

Kann man nicht? - Wurde aber gemacht! - Und jetzt?

Atti

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Volker L.

Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon Volker L. » 12. Oktober 2012, 14:43

TomTom schrieb:
>
> Wobei man da ja zwei Abstufungen unterscheiden sollte:
>
> 1. Ich denke, ich bin am Verlieren und setze mich nicht mehr
> für die Kolonie ein; d.h. ich gebe keine persönlichen
> Ressourcen dafür her, um zu Verhindern, dass wir Alle
> gemeinsam am Spiel scheitern.
>
> 2. Ich denke, ich bin am Verlieren, und spiele aktiv darauf
> hin, das Alle am Spiel scheitern.

Diese Unterscheidung hatte ich ja auch in meinem
Beitrag gemacht, und ich halte das erste für durchaus
legitim, das zweite aber nicht.

> Nun gibt es dazwischen viele Grauzonen: Zum Beispiel kann ich
> schon von Anfang an spielen, ohne dass ich etwas für den
> Erhalt der Kolonie tue. Ich drehe selbstgerecht den Spieß um,
> und sage mir, dass die anderen sich bitte darum kümmern
> sollen, dass die Kolonie überlebt. Das gibt mir durchaus
> einen Vorteil, da ich selbst an Ressourcen spare.

Ja, und wenn alle (oder genug) so egoistisch spielen
(oder die anderen Spieler einfach nur keine Lust haben,
sich vom Egoisten dazu erpressen zu lassen, ihm den Sieg
quasi zu schenken), dann kommt sowas raus wie hier einer
schrieb, dass in mehreren dutzend Partien niemals auch
nur ein einziger Sieg gegen das Spiel gelang.


> Zum Allgemeinen Verhalten des Menschen sei gesagt: Es gab
> eine Studie, ein Experiment

Das kann man aber schwer vergleichen, weil es beim Spiel
um einen verabredeten Wettstreit nach Regeln geht, beim
Experiment aber um das (nicht-)akzeptieren einer
Willkürentscheidung.


> Dabei hat sich gezeigt, dass die meisten abgelehnt haben,
> wenn sie weniger als der Entscheider bekommen hätten - was
> vollkommen irrational ist, denn anstatt einen Gewinn zu
> machen zerstört der Mensch also lieber seinen Gewinn - weil
> ein Anderer MEHR bekommen hätte. Spannend und Erschreckend
> zugleich.

Irrational ist das aber nur, wenn Du es als isoliertes
Ereignis betrachtest, was aber auf soziale Interaktion
nicht zutrifft; Menschen werden - vor allem von ihren
Eltern, aber auch vom Umfeld, hauptsächlich in der
KIndheit, aber auch noch später - erzogen, wobei die
Erziehung eher darauf abzielt, dass die Allgemeinheit
davon profitiert und nicht nur der Erzieher selbst.
Der Ablehner wird wahrscheinlich nie davon profitieren,
dass er dem zu gierigen Entscheider Einhalt geboten hat,
aber jemand anders wird es, und der Ablehner wird
vielleicht eines Tages davon profitieren, dass dem
anderen Egoisten, dem er später mal begegnet, von einer
vierten Person die Grenzen aufgezeigt wurden.

Im großen Zusammenhang kann es eben durchaus sinnvoll
sein, einen eigenen Nachteil in Kauf zu nehmen, um
Verhalten, das (zu sehr) vom akzeptablen abweicht,
zu bestrafen. Insofern finde ich das Ergebnis der
Studie nicht erschreckend, sondern eher beruhigend ;-)

Gruß, Volker

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peer

Re: Moralfrage zum Thema "Gemeinsame Niederlage"

Beitragvon peer » 12. Oktober 2012, 18:45

Hi,
Volker L. schrieb:

> > Dabei hat sich gezeigt, dass die meisten abgelehnt haben,
> > wenn sie weniger als der Entscheider bekommen hätten - was
> > vollkommen irrational ist, denn anstatt einen Gewinn zu
> > machen zerstört der Mensch also lieber seinen Gewinn - weil

> Irrational ist das aber nur, wenn Du es als isoliertes
> Ereignis betrachtest, was aber auf soziale Interaktion
> nicht zutrifft; Menschen werden - vor allem von ihren
> Eltern, aber auch vom Umfeld, hauptsächlich in der
> KIndheit, aber auch noch später - erzogen, wobei die
> Erziehung eher darauf abzielt, dass die Allgemeinheit
> davon profitiert und nicht nur der Erzieher selbst.
> Der Ablehner wird wahrscheinlich nie davon profitieren,
> dass er dem zu gierigen Entscheider Einhalt geboten hat,
> aber jemand anders wird es, und der Ablehner wird
> vielleicht eines Tages davon profitieren, dass dem
> anderen Egoisten, dem er später mal begegnet, von einer
> vierten Person die Grenzen aufgezeigt wurden.

Bei einem Folgeexperiment kam auch raus, dass die meisten Leute dazu neigen fair zu teilen. Ist es (rein logisch) für den Auswähler eigentlich die beste Taktik dem anderen nur 1¤ zu lassen (weil der ja froh sein kann überhaupt etwas zu bekommen), so führte diese Taktik fast nie zum Erfolg, weil der zweite ablehnte. Tatsächlich ist die beste Taktik 50:50 zu teilen, weil die die größte Chance hat, dass der zweite annimmt, ohne dass der erste einen Nachteil in Kauf nimmt.
Insofern wirkt die soztiologische Evolution schon ;-) Wir sind eben soziale Wesen, keine eiskalten Homo Ökonimica (oder was immer der Plural von Ökonomicus ist)

ciao
peer (hatte nie Latein)


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