Beitragvon Roman Pelek » 6. September 2006, 05:00
Hi Günter,
Günter Cornett schrieb:
> > Was jedoch gleich bleibt, ist, dass mir Leute, die sich
> > selbst als Künstler titulieren, sehr suspekt sind. Die
>
> Warum das?
Vielleicht war das nur eine bewusste provokative Präsentation schlechter Erfahrungen, die längst und gehörig revidiert gehören?
> > kriegen manchmal 'ne aggressive Phase, wenn einer nicht
> > ihrer Meinung ist. Manche extremen Exemplare würden sogar
>
> Ach so, weil es extreme Exemplare gibt.
> Naja, dann ist jeder suspekt.
Sowieso, Günter, spätestestens nach der neuesten Datenfreigabe hier in Deutschland.
Nein, aber im Ernst: ich schätze entweder Understatement oder wohlüberlegte Selbsterkenntnis. Nicht wenige Personen des öffentlichen Lebens, die sich selbst als Künstler definieren, agieren aber anscheinend frei von solchen Anstandsgrenzen.
> Ich bezeichne mich als Künstler, weil es inhaltlich korrekt
> ist (zudem staatlich abgesegnet). Immerhin bin ich Mitglied
> der Künstlersozialk(l)asse. Da sind lauter Künstler drin, die
> als Künstler nichts besonderes sind und deswegen
> Unterstützung zur Sozialversicherung bekommen.
Das ist ja auch korrekt. Ich persönlich sehe Dich ja auch als Künstler. Und wenn Du etwas zu sagen hast, dann fundiert, und Du teilst das auch offen mit. Du hast nebenbei bemerkt auch so ziemlich rein gar nichts gemein mit dem, was ich kritisiere.
> Anlass zur Gründung war angeblich mal, dass einer schwangere
> Künstlerin der Zugang zum Krankenhaus verwehrt wurde, weil
> ihre Kunst nicht ausreichte, um ihre Sozialversicherung zu
> finanzieren.
Das lass' ich jetzt einfach mal so stehen.
> Wer sich Künstler nennt, will sich deshalb nicht unbedingt
> auf einen Sockel stellen. Manchmal ist es nur eine Erklärung
> dafür, dass der große Onkel aus der Socke guckt. Oder das man
> ein anderes Verhältnis zu Zeit hat, Zeit mit Träumen oder
> Nachdenken verbringt, mit gesellschaftlich nicht notwendiger
> Arbeit, Spass hat an dem, was man tut, es mitunter sogar mehr
> auf das Tun ankommt als auf das Produkt ...
Für diesen Kommentar, den ich vorbehaltlos unterschreiben könnte, hast Du allerdings (natürlich versehentlich) wieder mal meinen Respekt verdient. Da bist Du mehr sehr nah, da begreifst Du fast, was ich mit "Spaß" meine ;-)
> > Durchaus möglich, Spiele als Medium, auch als Kunst zu
> > begreifen. Aber wenn man sie nach Außen als solches verkauft
> > und nicht den Spaß, den Zugang für jedermann in den
> > Vordergrund stellt, macht man m. E. den Kapitalfehler, Leuten
> > den Spaß daran zu verderben. Denn dann klingt es nach
>
> Jaja, Spassgesellschaft, ... weiß ich.
Eben genau nicht. Nix (nulldenkende) Spaßgesellschaft, die Masche zieht bei mir nicht. Was ich sage, ist etwas anderes: Das Leben darf gerne Spaß machen. Und dazu gehören auch Belange, die etwas arbeitsintensiver sind.
> Es gibt trotz aller Jedermanns-Berieselung immernoch Leute
> mit unterschiedlichem Geschmack.
'tschuldigung, war ich [i]jemals[/i] anderer Auffassung?
> Und außerdem ist es bestimmt nicht immer falsch, mal etwas zu
> machen, was man selber gut findet, anstatt auf den Geschmack
> von Millionen Fliegen zu schielen.
Sollte man sogar unbedingt, es dient der eigenen geistigen Gesundheit enorm. Bei ausschließlichem Verhalten in dieser Richtung droht allerdings Familienverlust.
> > unliebsamer Arbeit, nach für sie unerreichbaren,
> > unerstrebenswerten Belangen und sie blocken ab. Deswegen
> > können ja auch so wenige Leute mit vermeintlich so
> > fürchterlichen Dingen wie Mathematik oder Literatur etwas
> > anfangen. Weil sie immer erst die Anspruchs-/Kunstklatsche
> > bekommen und nicht die Spaßkomponente. 'Ne tote Fliege an der
>
> Das ist ein Problem des Schulunterrichts. Der vermittelt das
> Mathematik langweilig ist.
Billiger Ausweg, Günter. Erst nörgelst Du an mir 'rum, dass ich viel auf Spaß (nein, besser ist: Begeisterung) für ein Thema gebe, lehnst es anscheinend für Literatur und Spiele als Kunstereignisse ab, und kommst mir dann damit, dass Mathematik zu langweilig verkauft werden würde.
Was ich sagen möchte, ist: das alles, was wir hier in "good old germany" machen (Spiele, Literatur, Mathe, Physik etc.) zu bieder verkauft wird. Und für mich ist Spaß mitnichten gleichbedeutend mit Niveaulosigkeit.
> Ein Spiel könnte Mathematik durchaus unterhaltsam darstellen.
> Und diese Funktion brauchte es imho nicht hinter einer
> Clownsmaske zu verstecken.
Lektionen gefällig? Der Erfolg von "Dr. Kawashima's Gehirnjogging" und "Big Brain Academy" auf dem Nintendo DS. Das können wir komischerweise nicht nachbilden. Stattdessen verrennen wir uns ins Sudoku-Clones, die niemand als eigenständig wahrnimmt. Wir haben kein Feuilleton, keine Streitkultur und nur sporadische Erfolge, aber wenigstens ist uns Spaß zuwider.
Na super. Kann mir jemand Gründe nenne, die Brettspielszene nicht masochistisch zu finden?
> Also ich möchte Kunst nicht auf Spass reduzieren.
Und das entscheidende Gegenargument meiner Seite wäre: ich möchte Spaß nicht auf die vollkommene Abschaltung der Hirnfunktionen reduziert sehen.
[Die Evolution]
> Aber sie ist immernoch nicht fertig mit ihrem Werk. ganz im
> gegenteil zu vielen Spieleautoren.
Das halte ich für hochgradig streitbar. Die Endlösung mancher Spieleautoren für die Evolution möchte ich lieber nicht sehen.
Eigentlich möchte ich hier gar nicht sehen, dass hier irgendwer oder irgendwas fertig ist. Denn dann ist es höchste Zeit "Macht's gut und danke für den Fisch" zu sagen. Lösungen sind Mist, mit "besseren Ideen" reicht's wenigstens bis morgen.
> > Ciao,
> > Roman (als Hommage an Michael W.: "Über Frauen kann man
>
> Weber?
Weber.
> > schlecht im Deutschen fluchen / man sollt' es nicht versuchen
> > / und doch, wenn man sucht, was man begehrt / wird das Suchen
> > fluchenswert" - Tocotronic: "Über Sex kann man nur auf
> > Englisch singen." Etwas sehr Ähnliches scheint für Spiele,
> > für Kunst zu gelten.)
>
> Muss ich jetzt nicht verstehen, oder?
Ich kann's Dir erklären: Manchmal sucht man im Deutschen eine Gelassenheit, die man im Deutschen einfach nicht findet. Und dann wünscht man sich ganz, ganz weit weg und einfach nur die intime Begegnung mit einer Frau, die die eigenen Gedanken teilt. Spaß halt. Also Spaß, der mehr Spaß ist, als er eigentlich nur Spaß ist, aber weniger, als bloßer Spaß zu sein. Der Spaß, der als solcher einfach nicht im spaßigen Deutschsein zu finden ist, vor allen Dingen nicht in denjenigen, die so unspaßig-verkrampft spaßig unverkrampft sind.
Aber das musst Du nicht verstehen. Der Weber tut das schon ziemlich perfekt.
Ciao,
Roman (Zuerst ist Kunst das, was man wirklich nicht kann, und dann isses das, was man tunlichst nicht danach aussehen lassen sollte. Die Zeit dazwischen bezeichnet man gerne als Midlife-Crisis.)