Beitragvon Marten Holst » 20. März 2007, 10:25
Moin,
ich gestatte mir mal, hier einzuhaken, weil ich den hier
> Glaube nie einer Statistik die du nicht selbst gefälscht
> hast.
inzwischen noch weniger lesen kann, als Top-10-Listen :-) Diese Schwarz-Weiß-Malerei ("Das muss das beste sein, weil steht auf Nummer 1" versus eben genau diesem Satz) bringt nicht weiter. Statistik ist um es volkstümlich auszudrücken im Gegensatz zu vielem anderen, dem man auch immer gerne glaubt, eine präzise Wissenschaft, die dazu dient, unübersichtliche Informationsmengen möglichst kompakt zusammenzufassen. Und damit ist sie in einer Welt, die mehr und mehr Informationen generiert, immer wichtiger.
Nun braucht man allerdings Muster, um zusammenfassen zu können - in dieser Hinsicht ist die Statistik nicht anders als ein Packprogramm für Computerdateien. Wenn keine Muster vorliegen, kann auch nicht effizient gepackt werden. Nebenbei ist die Statistik auch eher mp3 oder jpg, das heißt, es wird nicht komplett gepackt, sondern es werden auch bewusst Informationen "gestrichen", die hinterher nicht mehr rekonstruierbar sind, aber die man (hoffentlich) auch nicht braucht. Wenn man zum Beispiel in einer Telefonumfrage die berühmte "Sonntagsfrage" stellt, ist es am Ende uninteressant, in welcher Reihenfolge die Antworten kamen - was auch eine der ursprünglichen Informationen ist.
Entsprechend haben natürlich alle Recht, die hier sagen, dass man vorsichtig sein muss - eben weil man zumindest erst einmal einen Überblick haben sollte, ob und wie weit hier mehr als nur selbstverständliche Verdünnung stattfand. Aber wenn diese Informationen da sind, kann man mit vielen Statistiken etwas anfangen. Zugegeben, reine "Chartsranglisten" gehören beileibe nicht immer dazu. Diese sind allerdings, um auf das Beispiel "Stiftung Warentest" zurückzukommen, oftmals auch ein sinnvolles Darstellungsmittel zur Informationsverdünnung. Man sollte nur den, ja auch durchaus noch vorhandenen, Restbestand an Informationen in solchen Fällen auch nachträglich betrachten, wenn es für einen relevant ist. (Die Frage, in wie Weit "Klangreinheit" bei erstrahlenabgeschirmten Kabeln objektiv messbar ist, ist eine andere, nicht statistische)
Ansonsten: sicherlich gibt es Statistiken, die "gefälscht" wurden, also bewusst auf falsches Zahlenmaterial oder falsche Methoden setzen, aber das dürfte bei seriösen Quellen fast komplett vernachlässigbar sein. Öfters schon passieren handwerkliche Fehler, insbesondere Ex-Post-Interpretation, also dass man erst Daten erhebt und dann schaut, was man da auffälliges findet, ohne, dass man diese Auffälligkeiten weiteren Tests unterzieht - ein Großteil des so genannten "Data Mining" fällt in diese Kategorie und ist kompletter Dummfug. Das eigentliche Problem aber ist, dass das Verständnis für Statistik, Kenntnis um grundsätzlichen Aufbau, Fallstricke, Analyse und die Frage "was genau sagen mir diese Daten eigentlich" eine Kulturtechnik ist, die wir, je mehr Informationen auf uns als Gesamtmenschheit niederprasseln, um so dringender brauchen, und die kaum vermittelt wird. Und als Teilgebiet der Mathematik in einem Land, in dem man als Spitzenkraft (Bundeskanzler a.D. Dr. Dr. h.c. mult. H.K.) damit angeben kann, keine zu können, und es wird als Pluspunkt verstanden ("nicht so weltfremd").
Ein anderer Aspekt des Ausspruches, der mir massiv missfällt, der hier aber inhaltlich gerade nicht hingehört, und daher nur am Rande erwähnt werden soll, ist dass der Churchill meist dann zitiert wird, wenn offenkundige Fakten gegen meine persönliche Meinung, Überzeugung oder Vorliebe fallen, ich aber keine Lust habe, meine MÜoV fallen zu lassen. Dann bringe ich einmal diesen ausgenudelten Spruch, mit nur 87.000 Google-Trefffern fast so originell wie das Programm deutscher Sketchshows, habe die Lacher auf meiner Seite, und kann unbeachtet der Realität meiner Überzeugung bleiben. Zugegeben muss man den Spruch nicht so verwenden, aber es passiert sehr oft.
Man verzeihe mir diese kleine Rumbrüllerei, ich komme schon wieder runter von der Seifenkiste, Herr Wachmann, und verlasse ohne weitere Störung den Stadtpark :-)
Tschüß
Marten