Beitragvon Andreas Keirat » 2. November 2007, 11:17
André Maack schrieb:
>
> Hi,
>
> durch den Beitrag von Björn �Spaß beim Regellesen� bin ich
> darauf gekommen hier eine kleine Diskussion zu eröffnen. Im
> Rahmen der Fachgruppe Spiel wird es in 9 Tagen ein
> zweitägiges Seminar zum Thema Spielanleitungen geben. Zweck
> des Seminars ist es, die Spielregeln in der gesamten Branche
> zu verbessern. Teilnehmen werden natürlich viele Redakteure
> verschiedener Verlage, aber auch ein Vertreter der Jury wird
> dabei sein sowie Autoren.
>
> Um ein umfangreicheres Meinungsbild der Spieler über
> Spielregeln zu bekommen, bitte ich hier um Wortmeldungen zum
> Thema �Gute Spielregel � Schlechte Spielregel�
>
> Willkommen sind alle Wortmeldungen. Besonders interessiert
> uns, welche zwei (oder auch nur eine) Spielanleitungen euch
> von allen Spielen, die jemals auf dem Markt kamen am besten
> gefallen und WARUM, sowie zwei Beispiele für Anleitungen, die
> man für �Misslungen� hält und WARUM. Wichtig ist für uns das
> �Warum�, da die Kritik sonst nicht wirklich konstruktiv ist!
> Für das "Warum" muss man keinen Roman schreiben -
> stichpunktartig ist völlig ok!
>
> Vielleicht habt ihr auch ein paar kleine Punkte, die euch
> schon seit Jahren ärgern, welche immer wieder in den
> Spielanleitungen auftauchen. Auch solche Dinge sind
> interessant für uns.
>
> Es geht hier nicht um Denunzieren oder schlecht Reden von
> bestimmten Spielen (die unabhängig von der Güte der Anleitung
> sehr �gut bzw. schlecht� sein können - es gibt hier glaube
> ich keinen kausalen Zusammenhang), es geht um das Thema
> Spielanleitung. In JEDEM Verlag gibt es Anleitungen, die gut
> gelungen sind und leider auch solche, die es nicht sind. Wir
> wollen an uns arbeiten, aber hierzu ist ein Feedback von euch
> wichtig.
>
> Bin schon gespannt auf euere Antworten!
>
>
> André
> (Redaktion AMIGO)
Moin!
Hier einmal meine Gedanken dazu, vielleicht etwas schlecht gegliedert, aber ich bin noch müde und muß gleich zur Arbeit. Die Beispiele im positiven und im negativen Sinn bitte nicht persönlich nehmen, sie sollen nur exemplarisch als Beispiel dienen und niemanden in einer Redaktion angreifen.
Ein Beispiel für gute Spielregeln ist das vielfach schon erwähnte Galaxy Trucker.
Es ist mit einer Prise Humor geschrieben, lockert den Regeltext auf. Die Einführungspartie der ersten Runde erlaubt einen schnellen Einstieg ohne lange Wartezeit. Ich habe diese Regel nun mittlerweile mehrfach von neuen Spielern vorlesen lassen und es funktioniert in dem Fall hervorragend. Das liegt aber auch am Spiel, weil man hier drei identische Durchgänge macht und der Probedurchgang gut einzubetten ist. Bei anderen Spiele-Typen wird das so nicht funktionieren. Ähnlich gut ist Through the Ages. Auch hier wird langsam in ein komplexes Spiel eingeführt und erst sind nur einige Elemente eingesetzt worden. Hier fehlt zwar ein humoristischer Ansatz, was aber wegen des Themas auch nicht schlimm ist.
Ein Beispiel für schlechte Regeln:
Seeschlacht von Phalanx. Hier hat man das Original aus Amerika genommen und in seiner Art wahrscheinlich fast 1:1 übersetzt. Es stehen zwar, wenn ich mich recht erinnere, auch alle Informationen zum Spiel in der Anleitung, das Suchen danach ist aber grausig, zumal die Anleitung nicht sehr gut logisch aufgebaut wurde und man bei den Kartenarten ins Schlingern kommt. Dieses Spiel habe ich in diversen Testgruppen selbst erklären müssen, nachdem die Spieler die Anleitung von sich aus erarbeitet haben.
Amerikanische Spiele haben häufig eine sehr trockene Art, Regeln zu erläutern. Die Regelschreiber lieben es, alles in Nummern einzukleiden und mit tausenden Unterpunkten zu versehen.
1. Überblick
1.1 Geschichte des Spiels
1.1.1 Geschichte der Yeti
1.1.1.1 Der Yeti Clan Ginsterburg
1.1.1.1.1 Chef Friedhelm Ohnesorg
1.1.1.1.2 Frau des Chefs Trine Hatmehrsorg
1.1.1.1.2.1 Kind von Frau des Chefs (unehelich)
usw.
Das ist so technisch, daß es für uns Europäer anstrengend zu lesen ist. Den Amerikanern ist unser "Geschwafel" in den Anleitungen dagegen befremdlich.
Ein anderer guter Ansatz ist die Erklärung per Computer wie bei Prof. Easy anhand einer Beispielpartie oder anhand einer DVD. Wie die anderen auch schon teilweise geschrieben haben, kann man ein Spiel sehr viel einfacher begreifen, wenn es einem erklärt wird. Das System von Prof. Easy ist als Appetizer vor der Veröffentlichung eines Spiels als Werbemittel fast ideal in meinen Augen, macht aber natürlich an einem Spieleabend recht wenig Sinn. Legt man aber eine einigermaßen gut gemachte DVD dabei, kann sich ein Besitzer des Spiels locker mal eben zwischendurch vorbereiten oder ansonsten eventuell die DVD beim Spiel einlegen, sofern das technisch/räumlich machbar ist. So eine DVD ist auch ideal als Auffrischung geeignet. Aber eine DVD wird dann an ihre Grenzen kommen, wenn es sich um komplexere Spielzusammenhänge handelt (wahrscheinlich bei Puerto Rico, sicherlich bei Through the Ages). Bei ausreichender Produktionszeit im Vorlauf könnte man mehrere Spielanleitungen auf eine DVD machen und hat so noch zusätzliche Werbemöglichkeiten, die den Besitzer eines Spiels vielleicht dazu bringen, noch weitere Produkte zu erwerben (also z.B. Gangster, Patrizier, 4 in 1, Lauras erste Übernachtung auf einer DVD). Er kann sich die Anleitungen ja vorab schon einmal anschauen. Je nach Aufwand würde man hier sogar sein Verlagsprogramm noch werbetechnisch als Diashow etc. unterbringen können. Fernsehwerbung funktioniert eben, wie man anhand von Hasbro deutlich sehen kann.
Bei gedruckten Anleitungen mag ich es, wenn es viele Beispiele gibt, auch wenn einige davon vielleicht banal sind. Diese Beispiele sollten aber vom Regeltext abgehoben sein.
Bei Amigo-Spielen sind die Beispiele im normalen Regeltext integriert. Durch Farbgebung und anderen Schriftsatz bzw. Kursivstellung wird das Beispiel optisch vom eigentlichen Regeltext abgehoben. Das funktioniert gut.
Besser jedoch finde ich da den Ansatz von Alea bzw. Queen Games, die eine extra Spalte haben, in denen die Beispiele dann stehen an der entsprechenden Stelle. Funktioniert aber nur bei geringem Platzbedarf für ein Beispiel.
Schön sind auch längere Beispiel-Züge. Hier erwähne ich einmal das Spiel NEUROSHIMA HEX von Portal Publishing. Auf zwei A4-Anleitungsseiten werden die ersten 18 (oder so) Spielzüge mal gezeigt mit Kommentaren, warum man eine Figur hier einsetzt etc. Eine solche Arbeit macht vor allem dann Sinn, wenn man etwas taktischere Spiele hat. Vielleicht würde sich dieses System noch für Gangster empfehlen, um den Einfluß von Spielsteinen und Fahrzeugbauteilen über mehrere Runden zu verdeutlichen (z.B. der Kofferraum und seine fiesen Möglichkeiten). Wenn man so ein großes Beispiel integriert, wäre es wahrscheinlich sinnvoll, es extra zu drucken und nicht in die Regel zu setzen, damit diese nicht zu dick aussieht und abschreckend wirkt.
Wichtig sind in meinen Augen auch viele Fotos vom Material und Spielszenen, um eine Anleitung aufzulockern. Reine Textwüsten (wie dieser Text hier) ermüden den Vorleser eher. Auf der anderen Seite ist das wieder ein Kostenfaktor, weil man eine Faltblatt-Seite mehr benötigt als sonst, vom Farbdruck einmal ganz abgesehen. Allerdings sollte sich das kostentechnisch doch mittlerweile im Rahmen halten, oder? Preise für normale Farbkopien im Copy-Shop sind jedenfalls deutlich billiger als früher.
Der Schreibstil sollte der Zielgruppe angepaßt sein. Kinderspiele brauchen kürzere Regelpassagen und keine Schachtelsätze über sieben Zeilen.
Bei Spielen für die Familie würde ich den Fokus auf eine einfache Wortwahl ohne viel Anglizismen legen, viele Beispiele und Wiederholungen von Spielregeln, die bereits weiter vorne genannt wurden.
Bei komplexeren Spielen, die für uns Spielebewandten sind, kann man auf häufige Wiederholungen von Regeln verzichten. Nur wenn bei Testrunden auffällt, daß es an einer bestimmten Stelle immer hakt und man die Regel dort falsch interpretiert bzw. falsch spielt, dann sollte man in der fertigen Spielregel darauf genauer und wiederholt eingehen.
Gliedert man eine Spielregel in relativ viele Segmente, dann sollten diese mit Überschriften versehen sein. Unter der Überschrift muß dann alles bezüglich der Regel enthalten sein, auch wenn man sich dann wiederholen muß. Nichts ist schlimmer, als wenn ein Spieler während der Partie eine Frage stellt, man in der Anleitung in dem Kapitel nachliest und dann nicht die gesamten relevanten Regeln vorfindet, weil diese noch in einem anderen Kapitel stehen.
Regeln sollten für einen leichteren Einstieg eine schöne thematische Einbindung haben. Auch wenn diese noch so verrückt ist, mit einer Einleitung liest es sich beim ersten Mal leichter und sie kann positive Stimmung am Spieleabend erzeugen. Ein Manko, welches die vielen schönen abstrakten Spiele leider nicht haben. Einleitungen sind für uns "Freaks" zwar nebensächlich, aber wir bekommen sie bei komplexeren Spielen eh mitgeliefert.
Beim Layout sollte man immer den Spruch "Weniger ist Mehr" am Monitor kleben haben. In einer Anleitung hat niemals nicht (!) ein Hintergrund-Muster zu sein, auch wenn dieses nur sehr schattenförmig vorhanden ist. Das reizt die Augen und ist anstrengend. Verschnörkelte Schriftarten und eine kleine Schriftgröße sind schrecklich. Gerade bei einigen Ystari-Spielen und bei Hermagor ist das vorgekommen. Allenfalls auf der letzten Seite, wo es eh wenig Text gibt, kann man sich etwas austoben. Ansonsten soll sich der Grafiker gefälligst auf den Rand einer Spielregel und die Schachtel konzentrieren!
Kleine Design-Noten am Ende, also Autor, Redaktion, Regelversion mit Datum (also V1.0, März/2007) wären auch hilfreich. Wenn man dann nämlich nachbessern muß, ist die aktuelle Regel jeweils einfach zu finden im Internet (vorausgesetzt, dort steht auch die jeweils aktuelle Versionsnummer VOR dem Download irgendwo. Hier wäre ein Update der sonst guten Amigo-Seite sicherlich auch hilfreich!)
Thema Kurzspielregeln: Ich möchte solche Regeln bei möglichst vielen Spielen haben. Als Tester habe ich häufig mit Leuten zu tun, die ein Spiel das erste, zweite oder dritte Mal spielen und sich dann natürlich mit den Regeln nicht auskennen. Gut ist es, wenn sie durch solche Regeln eine Gedächtnis-Stütze erhalten. Schlimm ist es allerdings, wenn nicht ausreichend davon beigelegt werden. Wenn ich eine Übersicht nur für 1 Spieler mache und das Spiel für 5 Personen ist, nervt das Rumgeben. Da kann ich Gangster auch als Negativbeispiel anführen. In der jeweiligen Sprachausführung sind eben nicht für jede Konstellation genug Spielhilfen dabei. Kosten natürlich Geld, ist mir schon klar ;-). Aber die Kurzregeln zwischen zwei Spieler legen, macht das Lesen schwer, sofern man keinen achteckigen Tisch hat.
Ciao,
Andreas Keirat
www.spielphase.de