Beitragvon Guido » 20. November 2008, 16:20
Peter Gustav Bartschat schrieb:
> Das ist doch gar nicht die Aufgabe eines Thinktanks, lieber
> Guido, sondern eher die Aufgabe einer Marketing-Abteilung.
Hi,
nun, Marketing-Abteilung kreieren nicht unbedingt neue Trends, sondern greifen Trends auf und überlegen sich dazu neue Produkte. Imho unterscheidet sich hier die Textilbranche doch von den anderen, da diese eine Art "Metabranche" hat, nämlich die Haute Couture, welche durch größtenteils eigenständige Kreationen maßgeblich für die Mode sind. Sicher, es dauert immer ein bissl, bis die z.T. extrem aventgardistischen Ideen bis in die "normale" Bevölkerung durchgesickert sind und so ganz unabhängig vom übergeordneten Zeitgeist kann auch hier nichts gemacht werden, aber im Prinzip werden hier "Trends" gemacht. Etwas anders verhält es sich zwar mit den Arbeiten um sog. Trendscouts, die praktisch den umgekehrten Weg gehen und nach guten Ideen (von Individualisten) in der breiten Bevölkerung Ausschau halten. Aber im Endeffekt kommt es auf's Gleiche hinaus: Es werden bewusst Trends daraus kultiviert, d.h. Ideen als "en vogue" suggeriert. Es wird also im Großen und Ganzen nicht auf Trends reagiert, sondern sie werden aktiv generiert. In diesem Sinne verstehe ich meine Verwendung von "Thinktank" und den Unterschied zu anderen Branchen.
Soweit ich weiss, gibt es solche "Thinktanks" nicht in der Spieleszene. Auch nicht in der Auto- oder sonstigen Branche. Dort werden keine Trends aktiv generiert. Es wird eher auf schon etablierte Ideen und Gebrauchsgewohnheiten reagiert, die sich zu Trends entwickelt haben, die sich aber eher zufällig ergeben. So z.B. die jetzt so in mode gekommen Netbooks. Die Kaufgewohnheit zu kleinen und möglichst günstigen Notebooks ist von Asus aufgegriffen und durch ein entsprechende Produkt bereichtert worden. Was ich hier zugeben muss, ist, dass an dieser Stelle auch dann durchaus wieder Einfluss auf den Trendverlauf genommen wird und diese dann weiter aktiv (aus-)gestaltet werden, aber eben nicht generiert. So hat der Rest der Notebook-Branche das Potential erst einmal nicht gesehen. Toshiba und Dell haben es völlig verpennt. Die amerikanischen Autobauer haben sich auf der Image-Gewohnheit der Amerikaner ausgeruht, große Autos haben zu wollen. Sprit war billig. Der Trend (oder in diesem Falle auch Druck) hin zu Kleinwagen, nicht zuletzt aufgrund der steigenden Ölpreise ist schlicht ignoriert worden. Ähnliches gilt für die großen deutschen Autobauer. Was jetzt in den von Dir beschriebenen "Thinktanks" der Autobauer passieren wird, ist lediglich ein sich anpassen an verschlafene Entwicklungen, kein Trendsetting. Dort wird in nächster Zeit nicht mal passives Changemanagement betrieben (hätten sie es betrieben, brächten sie sich jetzt nicht solche sorgen machen). Es läuft auf pure Schadensbegrenzung hinausläuft. Als Trendsetter würde ich in diesem Zusammenhang allenfalls Renault oder besser die Japaner bezeichen, die schon vor Jahren serienmäßige z.B. Hybridantriebe (bei/ trotz all ihrer Nachteile) in Modelle eingebaut haben. Aber damals war Spritsparen noch nicht so wirklich in aller Munde.
Auch in der Spielebranche gibt es imho keine aktiv generierten Trends. Wenn einzelne Spielideen gefallen, werden sie von anderen aufgegriffen, aber es gibt keine Meta-Branche, die suggeriert, dieses oder jenes sei jetzt "in" (nach dem Motto, Leute, im nächsten Winter werden kooperative Spiele der Kracher sein. Und im Sommer 09 sind Bauernhof-Motive als Spielthema unumgänglich. Und richtig chick werden gepunktete Kartenhalter im Fühjahr 09 sein. Und, Ihr Lieben Spieler, wenn ihr auf dem nächsten Spielwochenende ernstgenommen werden wollt, sollte schon ein Aufbauspiel aus dem Hause XXX in Eurem Gepäck sein.)
> Es gab in der 80er Jahren schon mal eine Welle mit
> kooperativen Brettspielen, die allerdings durchweg langweilig
> waren (sage ich jetzt mal aus meinem persönlichen Empfinden
> heraus). Im Rollenspielbereich - der von der reinen
> Brettspielszene vielleicht nicht ganz so bewusst wahrgenommen
> wird - liefen kooperative Spielprinzipien hingegen die ganze
> Zeit mit großem Erfolg weiter.
>
> Nach kooperativen Brettspielen wie "Der Herr der Ringe" und
> "Schatten über Camelot" und dem "Midgard"-Brettspiel, das
> kooperative Elemente in den normalen spielerischen Wettbewerb
> einbindet - und die alle durchaus spannend zu spielen sind -
> könnten in verschiedenen Brainstormings am Schluss zwischen
> vielen anderen Merk-Kärtchen auch immer wieder welche mit dem
> Wort "kooperativ" aufgetaucht sein.
> Das alles jedenfalls wäre noch nichts besonderes, weil das der normale Lauf der Dinge ist.
Ja, das ist im Prinzip klar (was ja auch wieder zeigt, dass auf Entwicklungen reagiert wird). Meine Frage ist ja nicht, ob dieser Prozess so eingesetzt hat, sondern wann und auch ein bissl warum. Seit Knizias "Herr der Ringe" ist es schon etwas hin, und trotz vieler positiver Rückmeldungen ist da in anderen Verlagen scheinbar nicht viel drüber nachgedacht worden. Arkam Horror, Schatten über Camelot und die Insel liegen auch schon mehr als drei Jahre zurück. Und plötzlich kommen aus einigen Verlagen Spiele sogar mit z.T. rein kooperativen Spielmechanismen, also keine Einbindung von kooperativen Elementen in das "normale" (Konkurrenz-)Spielgeschehen (dazu liessen sich sicher ein paar Spiele der letzen Zeit anführen). Ich habe, wie gesagt, bisher nirgendwo gesehen, gehört, gelesen, dass Kooperative Spiele der letzte Schrei für die Wintertage sein werden.
Zum anderen ist es ja so, dass die Spielidee ja in irgendeiner Form schon vorgelegen haben muss. Das heisst, der Verlag fragt den ein oder anderen Autor, ob er/sie da nicht was brauchbares im Nähkästchen hat. Oder waren es doch konkrete Auftragsarbeiten? Das wäre doch eben interessant zu wissen, oder? Mh, vielleicht ist es doch das Jahr 2005 und seine Auswürfe, was da zum Nachdenken in den Verlagen geführt hat. Nichts desto trotz finde ich es schon erstaunlich, dass gerade in diesem Jahr recht viele dieser Spiele neu erschienen sind.
>
> Ob das schon ein Trend ist, wenn man in einem Jahr mehrere
> neue kooperative Spiele auf derselben Messe sieht? Ich denke,
> da müssen wir erst mal ein paar Jahre und Spielemessen
> abwarten und sehen, wie sich das dann entwickelt. Vielleicht
> tauchen ja statt dessen ganz andere Spiele in Mengen auf:
> Bauernhofsimulationen mit Holzgemüse,
> Steinzeitdorfgemeinschaftsverwaltungen
Ok, der Bauernhof strahlt ja auch eine enorme Anziehungskraft aus, und wenn man auch nur wissen will, ob der Bauer sein Frau findet (mh, denke gerade an ein Neuauflage von Emira mit Bauernhofthema :P ). Aber im Ernst, diese Themen haben ja auch was mit Idylle zu tun. Vielleicht ist das ja der Trend!?
>
> Mit einem lieben Gruß
> Gustav
... und mit höchster
> Wahrscheinlichkeit morgen etwas, an das heute noch niemand
> denkt.
Gruß
Guido (der an viele Dinge nicht denkt und sich nicht so oft von etwas gerne überrascht sieht, woran er nicht gedacht hat...)