Beitragvon Tobias / Glomeor » 5. Dezember 2005, 00:01
Hi Bernd,
> - ihr habt eine Idee, die sich im Kopf schonmal wunderbar
> vorformen lässt, ein erster Test mit euch selbst stellt sich
> aber als "unspielbar" heraus.
Ich versuche in dieser Situation genau zu ergründen, was da in meinem Kopf genau so wunderbar ist. Manchmal ist's nur ein Spielgefühl und das passt überhaupt nicht zum Material des Tests. Ich versuche mich dann so frei wie möglich von irgendwelchen konkreten Ideen zu machen und fühle nur diesem Spielgefühl nach. (ui, das klingt aber esotherisch, trifft aber in etwa zu)
> - Tests mit euch selbst verliefen sehr gut, eine erste
> richtige Testrunde allerdings war ein Fiasko.
In dieser Phase gibt es für mich zwei mögliche Fälle. Entweder mir wird bewußt, dass das Spielprinzip aus einem bestimmten Grund nicht zieht (schlecht :-( ) oder dass das Spiel zu diesem Zeitpunkt nur starke technische Mängel hat (gut :-) , denn die lassen sich eher beheben). Der zweite Fall übt meist eine hohe Motivation auf mich aus.
> - es fehlt noch der gewisse Kick, damit ihr mit euerm Spiel
> zufrieden seid.
Wieder zwei Fälle. Entweder laufen "nur" die Mechanismen noch nicht ganz rund (gut :-) ) oder das Spiel ist ohne meine rosa Autorenbrille ziemlich öde und ich will's mir nicht eingestehen (schlecht :-( ). In diesem zweiten Fall zwinge ich mich nach erfolgreicher Erkenntnis das Spiel komplett neu zu denken und möglichst alles Halbgute in die Tonne zu treten und viel früher neu anzusetzen oder ggf. das Spiel ganz zu verwerfen. (Tut weh, aber meistens gut ;-) )
> Das Problem ist: nach einem negativen Test fehlt doch sicher
> die Motivation überhaupt an der Idee weiter zu feilen.
Wie bereits beschrieben, kommt das ganz darauf an. Vielleicht scheitert mal eine Testrunde total, aber das eigentliche Spielreizziel konnte deutlich hervortreten und das motiviert mich zum Weiterschrauben.
> Hilfreich kann sein: das Spiel "reifen" lassen, sprich ab in
> die Schublade und nach Jahren wieder mal dran setzen, aber
> man entwickelt lieber etwas ganz frisches, als einen "alten
> Schinken" hervor zu holen oder?
Ich habe schon manches Mal Spielideen in viele Teile zerlegt und in anderen Spielen untergebracht. Viele uralte, nie bis zum Ende gedachte Mechanismen sind in einer neuen Spielidee manchmal hervorragend aufgehoben. Ich habe z.B. einen ungeheuren Mechanismenvorrat für ein Brettrollenspiel entwickelt, das selbst vollkommen unspielbar ist, aber schon so manch anderem Spiel sehr auf die Sprünge helfen konnte.
> Möglicherweise holt man sich auch den Rat eines anderen
> Autoren - man setzt sich zusammen, testet und spricht darüber.
Das Gespräch mit anderen Autoren hilft mir am meisten in der Phase, in der ein Prototyp in "normalen" Spielrunden schon etwas ausgefeilt wurde. Der Blick von anderen Autoren auf das Spiel offenbart häufig die subtileren Probleme wie "sichere Siegstrategien", "aufgewärmter Mechanismus, weil schon aus Spiel X, Y und Z bekannt", "Machbarkeit, bzgl. Material, Handhabung, Übersichtlichkeit", etc.. Ein anderer Grund für eine Autorenmeinung wäre für mich, wenn dieser mir die rosa Brille absetzt und mir klipp und klar macht, dass das Spiel aus diesen und jenen Gründen ziemlicher Mist ist. Nichts ist schlimmer als ein Spiel, das nur sein Autor supertoll findet, weil er es erfunden hat.
Viele Grüße
Tobias (würde zur Zeit gern viel entwickeln, aber schlägt sich gerade durch's Referendariat ... noch 5 Monate to go)