Beitragvon Nicolas Weitzel » 26. Juli 2006, 22:41
Hallo,
erstmal vielen Dank an Alle, die sich in irgendeiner Form mit dem Spiel beschäftigt haben. Ich war die letzte Woche verreist, deshalb erst jetzt meine Anmerkungen dazu.
@Andreas: 19 Seiten Spielregel voll mit Text sind es ja nun wirklich nicht. Wenn man u.a. die Titelseite, die Kartenübersichten und die Zusammenfassung am Ende weglässt, bleiben ca. 11 Seiten übrig. Davon entfallen zweieinhalb auf die von mir in Gedanken bereits deutlich vereinfachte Therapiefortschrittsphase, so dass im Endeffekt um die 8 Seiten übrig bleiben würden. Wenn ich das dann nochmal überarbeite und um überflüssige Regeln und ausschweifende Erklärungen befreie, könnte man mit viel gutem Willen auf 6-7 Seiten kommen. Das finde ich durchaus vertretbar.
Obwohl leider noch nicht dazu gekommen, bin ich mir dennoch sicher, dass das ein oder andere vielgespielte Spiel auf eine ähnliche Wortzahl kommt. Insgesamt scheint der Trend eh dahinzugehen, die Anleitungen möglichst großformatig zu produzieren, damit die oftmals abschreckende Seitenzahl künstlich kleingehalten wird ("Das Spiel hat nur 4 Seiten Anleitung, ich les denn mal KURZ vor..."). Auf einer Kosmos-Seite mit bis zu vier Spalten ließen sich z.B. locker mehrere Standard-DIN A4-Seiten unterbringen.
Zur Frage der Zielgruppe:
Das Spiel ist in seinen Grundzügen mal mit dem Hintergedanken konzipiert worden, Medizinstudenten ein Spiel an die Hand zu geben, in dem einige von den im Studium mühsam erlernten Begriffen auftauchen und zudem der Alltag in einem deutschen Krankenhaus in einer Mischung aus halbwegs realer Simulation und unterhaltsamen Spielvergnügen dargestellt wird.
Dabei sollte es ausdrücklich KEIN Wissensspiel werden, so dass eben auch Nicht-Mediziner die gleichen Chancen besitzen. Auch wenn es zugegebenermaßen weniger Spaß macht, wenn man die dahinterstehenden Zusammenhänge nicht versteht, sollte jeder Mitspieler in der Lage sein zu erkennen, dass z.B. der Begriff "Dyspnoe" auf zwei zusammengehörigen Karten auftaucht, auch wenn er die Bedeutung des Wortes nicht kennt.
Das Spiel hat weder den Anspruch ein möglichst breites Publikum anzusprechen, noch soll es das Spiel des Jahres 2007 werden. Meiner Meinung nach sollten viel mehr Nischenspiele erfunden werden, anstelle der soundsovielten Auflage eines möglichst einträglichen Themas in Kombination mit einem immer funktionierenden Mechanismus. Ich jedenfalls kann die ewigen Alle-legen-verdeckt-eine-Karte-ab-und-dann-wird-umgedreht-Spiele, wobei die Thematik wahlweise aus den Breichen Geschichte (vorzugsweise Mittelalter bzw. Antike) oder Geografie (möglichst fremd und geheimnisvoll klingend) stammt, jedenfalls nicht mehr sehen.
@Maddin: Toll, dass du das Spiel tatsächlich ausprobiert hast. Ich hoffe, du warst nach der ganzen Schneidarbeit nicht allzusehr enttäuscht. Zu deinen Regelfragen:
> a) Nach einer FEHLdiagnose geht es trotzdem weiter, als ob
> nichts wäre? Sollte da nicht lieber von der Gegen- oder einer
> neutralen Seite (sprich: Nachziehstapel) eine
> ALTERNATIVdiagnose gestellt und letztlich auch behandelt
> werden?
Werde ich mir nochmal durch den Kopf gehen lassen. Mit meiner Art der Umsetzung wollte ich wohl aussagen, dass die Verdachtsdiagnose zwar grundsätzlich immer richtig ist, aber eben manchmal noch nicht genügend Diagnostik betrieben wurde, um sie auch zu bestätigen (ist übrigens durchaus als Kritik an der immer technischer werdenden Medizin zu verstehen, die durch fortschrittliche Untersuchungsverfahren immer mehr Menschen als "krank" abstempelt, wenn nur lange genug herumgesucht wird). Außerdem verliert der Spieler ja noch eine seiner Personalkarten, und der Mitspieler erhält das Vorbehandlungsrecht.
Einer meiner Testspieler hat auch die grundsätzliche Vorgehensweise bemängelt, eine Verdachtsdiagnose in den Raum zu stellen und dann solange zu diagnostizieren, bis sie bewiesen ist. In Wirklichkeit sammelt man ja eher einzelne Befunde und ordet erst später die richtige Diagnose zu. Das ist dann genau das Problem, zwischen möglichst hohem Realitätsgrad und Notwendigkeit eines unterhaltsamen Spielprinzips vermitteln zu müssen. Hier habe ich mich wohl eher dem Prinzip Spielmechanismus verbunden gefühlt. Die andere Vorgehensweise könnte in einem gesonderten Spiel Verwendung finden, denn ansonsten müsste so ziemlich jede Regel überarbeitet werden.
> b) Ist die Diagnose einmal klar, geht es mit den Patienten in
> der Behandlung gesundheitlich nur noch aufwärts; und das,
> wenn ich recht verstanden habe, unabhängig davon, wie lange
> das Krankenhaus braucht bzw. wie (ggf. wenig) engagiert es
> den Behandlungsfortschritt vorantreibt. Korrekt?
> Mein Wunsch hier wäre eine (ggf. akute) Verschlechterung des
> Behandlungszustandes eines Patienten, der an einem Tag GAR
> NICHT behandelt wurde.
Zwei Faktoren sollten dem "Aggressiven Zuwarten" eigentlich Einhalt gebieten. Erstens kann ja jeder Spieler nur eine Zahl von Patienten behandeln, die maximal der Zahl seiner Personalkarten entspricht. Gerade am Anfang des Spiels wird man sich also davor hüten, Patienten mit Verdachtsdiagnosen auszuspielen, ohne dass man auch die passende Diagnostik durchführen kann. Da man Patientenkarten nicht wieder los wird, könnte die Klinik schnell "verstopfen". Zweitens wird man am Spielende ja für jeden nicht fertig diagnostizierten/therapierten Patienten bestraft, so dass eine volle Klinik auch dann nachteilig sein könnte. Deinen Vorschlag einer dringlichen Behandlung habe ich aus den bereits vielfach kritisierten Gründen (Spiel ist überladen, zu komplex...) auf eine eventuelle Erweiterung verschoben. Neben Ereigniskarten, die z.B. eine nicht durchgeführte Behandlung bestrafen sollen es vor allem neue Regeln für Notfall-Patienten sein, die dem Spieler nur eine bestimmte Zahl von Runden geben, bevor sich der Krankheitsverlauf ungünstig gestaltet. Zum Glück verwendet das Spiel ja bereits das neue Abrechnungssystem, nach dem pro Patient nur noch eine Pauschale gezahlt wird, anstatt jeden Liegetag dem Krankenhaus zu vergüten.
@ Wolfram: Auch dir vielen Dank für die konkreten Verbesserungsvorschläge. Jetzt war Maddin doch tatsächlich so nett und hat mir die Arbeit abgenommen, auf deine Punkte einzugehen. Ich muss schon sagen, ich bin wirklich erstaunt darüber, wie gut er das in meinem Sinne erledigt hat. Vielleicht macht es ja wirklich einen Unterschied, ob man das Spiel nur anhand der Anleitung kennengelernt hat oder sich zu einer Testpartie durchringen konnte. Vor allem die Punkte zur Interaktionssteuerung hat Maddin ganz in meinem Sinne beantwortet. Mir war es bei der Entwicklung sehr wichtig, dass eben nicht jeder für sich herumwurschtelt und keinen Einfluss auf die Geschehnisse beim Mitspieler nehmen kann. Als ich mich dann noch dafür entschieden habe, die Ereigniskarten bis zur ersten Erweiterung wieder herauszunehmen, musste die Verdrängung einfach sein, um den Mitspieler ein wenig ärgern zu können.
Ich gebe zu, dass nicht viel für RUF anstelle des guten alten Spielgeldes spricht, jedoch fand ich es auch nicht weniger passend, denn damit z.B. ein umworbener Professor in deiner Klinik anheuert, dürfte neben dem Gehalt auch noch so einiges andere mit in die Entscheidungsfindung hineinspielen.
Bei dem Punkt der Ähnlichkeit zu den Sammelkartenspielen hast du allerdings vollkommen recht. Ich war schon seit den Anfängen dieser Spiele ein Fan davon, so dass einige bekannte Elemente sicherlich in das Spiel eingeflossen sind. Erstmal soll es aber ein klassisches Kartenspiel mit einem Satz Karten für alle beteiligten Spieler bleiben. Über Zukunftsideen ("Mein schnelles Neurologen-Deck hat schon wieder haushoch gegen dein zu langsames Auf-zum-Nobelpreis-Deck gewonnen. Du solltest wirklich mal deine Strategie überdenken...") könnte ich viel schreiben, lasse das angesichts des bereits viel zu langen Textes jedoch lieber.
Gratulation an alle, die bis hier vorgedrungen sind, viel Spaß den Testspielern und hoffentlich seid ihr willens, die überarbeitete Version in ein paar Wochen nochmals unter die Lupe zu nehmen.
Gruß, Nico